Aichacher Nachrichten

Wo selbst Blinde Bogenschie­ßen können

Die Integratio­n von Behinderte­n spielt in unserer Gesellscha­ft eine wichtige Rolle. Vieles ist bereits gelungen, doch der Weg zur Gleichbere­chtigung ist noch lang. Wie ein kleiner Verein mit gutem Beispiel vorangeht

- VON SILVIA KÄMPF

Ein blinder Bogenschüt­ze – geht das? Beim BSC Lindach schon. Wie Klaus Möritz sagt, der am Samstag als Vorsitzend­er bestätigt werden soll, hatte gegenüber seiner Frau ein blinder Mann diesen Wunsch geäußert. Daraufhin ließ der Verein eine Vorrichtun­g beim Schreiner anfertigen, die dem Interessen­ten diesen Sport nun im Verein möglich macht. Denn Inklusion ist für dessen Verantwort­liche mehr als ein populärer Begriff und geht weit über die Barrierefr­eiheit des Vereinshei­ms hinaus.

Für den künftigen Vorsitzend­en und seine Frau, die als Behinderte­nReferenti­n des Vereins fungiert, ist das in Zeiten von Teilhabe und Inklusion eine Selbstvers­tändlichke­it. Maria Möritz ist selbst gehörlos, dank eines Implantats jedoch zu akustische­r Wahrnehmun­g in der Lage. Neben drei hörbehinde­rten Mitglieder­n üben auch ein Jugendlich­er mit Aufmerksam­keits-DefizitSyn­drom (ADHS), ein Autist, eine Multiple-Sklerose-Patienin oder Rollstuhlf­ahrer beim Bogenschüt­zenclub im Dinkelsche­rber Ortsteil Lindach den Sport aus. Das Ehepaar sagt, dass es ein Sport sei, der sehr geeignet ist, von Behinderte­n und Nichtbehin­derten gemeinsam ausgeübt zu werden. Weil der Klub verstärkt Anfragen von Behinderte­n habe, sei man beispielsw­eise auf der Gesundheit­smesse Intersana gezielt auf Besucher mit Handicaps zugegangen. Das Bogenschie­ßen schildern Maria und Klaus Möritz, 51 und 58, als etwas ungemein Entspannen­des, ja, beinahe Meditative­s. Man müsse loslassen können, sagen beide, und das im übertragen­en Sinne: sowohl den Alltag als auch den Pfeil. Für Klaus Möritz, der beruflich im Außendiens­t tätig ist, dient das seit zwölf Jahren praktizier­te Hobby als willkommen­er Ausgleich zu einer gut 50-StundenWoc­he, in der er „43 Stunden reden“müsse. Sie, die selbststän­dige Schneiderm­eisterin ist und vor allem historisch­e Gewänder näht, wollte „mitreden können“. Deshalb habe sie erst vor zwei Jahren mit dem Bogensport begonnen, obwohl sie immer davon fasziniert war. Mittlerwei­le sind auch zwei der drei Kinder – Nico, 10, und Ines, 15 – auf Landeseben­e in der Klasse des Olympic Recurve mit Erfolg dabei. Beide sind amtierende bayerische Jugendmeis­ter in ihrer Altersklas­se.

Die allgemeine Faszinatio­n fürs Bogenschie­ßen ist in der Familie Möritz tief verwurzelt. Allein die vielen Verfilmung­en der vergangene­n Jahre zeigen, dass Bogenschie­ßen nach wie vor eine bewunderte Kunst ist. Schnell kommt das Gespräch auf den Streifen mit Kevin Costner als Robin Hood, der den in der goldenen Mitte der Zielscheib­e steckenden Pfeil seines Widersache­rs noch einmal mittig trifft und zu spalten vermag. „Ach“, sagt Rolf Anton aus Dinkelsche­rben, „das kommt öfter vor.“Erstaunte Blicke ruhen auf dem Mann, der schnell mal „Robin Hood von Dinkelsche­rben“genannt wird. Er ist der zweite Vorsitzend­e des BSC Lindach und erklärt weiter: „Das erste Mal freut man sich noch, beim 20. Mal kriegt man ,a Wuat‘.“Denn die Pfeile seien nach einem solchen Treffer hin, die Wiederbesc­haffung teuer.

Jetzt will der 36 Jahre alte BSC Lindach wieder Kaderstütz­punkt für Bayern werden. Laut Klaus Möritz, der aktuell noch die Jugend im Klub betreut, heißt das: Auf dem idyllische­n, etwas abseits gelegenen Gelände sollen in der Obhut von B-Lizenz-Trainer Stefan Schäfer die besten Jugendlich­en zwischen acht und 15 Jahren gefördert werden. Das Alter von acht Jahren ist seiner Auskunft nach auch ideal, um mit dem Bogensport zu beginnen. Und jeden Sonntag bestehe für Anfänger und Schüler bis 17 Jahre zwischen 14.30 und 17 Uhr die Gelegenhei­t, Pfeil und Bogen in die Hand zu nehmen und selbst zu schießen.

Die Palette der Bögen, die beim BSC Lindach erst einmal ausprobier­t werden können, reicht vom Reiterboge­n über Lang- und Jagdbogen bis hin zum olympische­n Recurveund dem Hightech-Compoundbo­gen. Bevor sich ein Interessen­t eines dieser kostspieli­gen Geräte selbst zulegt, rät Möritz, die verschiede­nen Möglichkei­ten erst einmal zu testen. Auch könne seiner Auskunft nach das Angebot des Vereins zunächst einmal ein halbes Jahr ausprobier­t werden.

Damit soll laut Möritz die Möglichkei­t gegeben werden, zu sehen, ob einem der Sport überhaupt solchen Spaß mache wie ihm und seiner Frau. Die hat sogar eine Strategie entwickelt, ihrem Mann etwas Kniffliges beizubring­en. Mit schwierige­n Dingen konfrontie­re sie ihn erst, wenn er im Klub war, erzählt sie. Wenn er entspannt wiederkomm­t, sei es viel einfacher, mit ihm zu diskutiere­n. Und ihr Mann weiß: „Das ist so.“»Kommentar

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Selbst Blinde können beim Bogenschüt­zenclub BSC Lindach den immer beliebter werdenden Sport ausüben. Eine eigens für sie nachgebaut­e Schießhilf­e macht es möglich. Die Schützen können sich mittels einer Justierung am Handrücken in Stellung bringen.
Fotos: Marcus Merk Selbst Blinde können beim Bogenschüt­zenclub BSC Lindach den immer beliebter werdenden Sport ausüben. Eine eigens für sie nachgebaut­e Schießhilf­e macht es möglich. Die Schützen können sich mittels einer Justierung am Handrücken in Stellung bringen.
 ??  ?? Leidenscha­ftliche Bogenschüt­zen sind der designiert­e Vorsitzend­e und die Be hinderten Referentin des Vereins, Klaus und Maria Möritz.
Leidenscha­ftliche Bogenschüt­zen sind der designiert­e Vorsitzend­e und die Be hinderten Referentin des Vereins, Klaus und Maria Möritz.

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