Aichacher Nachrichten

Was ist wirklich los am Kö?

Die Polizei berichtet von Ärger mit jungen Migranten, Passanten stören sich an der Trinkersze­ne. An drei Tagen haben wir das Geschehen beobachtet. Ein Bericht über pöbelnde Männer, rauchende Kinder – und das normale Leben

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist immer da in diesen Tagen, das laute Kreischen der Krähen, die oben in den Bäumen am Kö sitzen. Losgelöst von dem, was unten auf dem Platz passiert, über den viele Augsburger jetzt diskutiere­n. Ein Polizeiaut­o nähert sich und stoppt beim Brunnen. Die Polizisten beobachten aus ihrem BMW heraus die Trinkersze­ne. Es sind gut ein Dutzend Männer und Frauen, die sich auf der Bänke verteilt haben. Ein Mann, vielleicht Mitte 30, nimmt einen Schluck aus einer großen Flasche Kräuterlik­ör. Ein anderer, er trägt Vollbart und Baseballka­ppe, fällt mit dem Gesicht nach vorne von einer Bank. Er rappelt sich auf, setzt sich wieder hin.

Drei junge Afrikaner sitzen auf den Steinklötz­en, mit denen die Bäume auf dem Platz eingefasst sind. Sie reden leise miteinande­r. Einer versucht, das deutsche Wort „Eindruck“auszusprec­hen. Es klingt etwas genuschelt. Sie lesen in der Zeitung, schauen auf einen Artikel über Bewerbungs­gespräche. „Warum der erste Eindruck so wichtig ist“, lautet die Überschrif­t des Berichts.

Es gibt Stress. Eine Frau, sie hat eine Sektflasch­e in der Hand, sitzt auf dem Rand des Brunnens. Der Mann mit der Baseballka­ppe kommt auf sie zu, greift nach ihrem Arm. Die Frau wehrt sich, gibt ihm einen Stoß – und er fällt rücklings in den Brunnen. Wasser ist zu dieser Jahreszeit noch keines im Becken.

Der Mann mit der Kappe und die Frau streiten noch immer. Sie versuchen, sich zu schlagen. Doch sie treffen sich nicht richtig. Es sieht eher aus wie Schattenbo­xen. Der Mann torkelt auf dem Platz umher. Passanten, auch ein älterer Mann mit einem kleinen Jungen, müssen ausweichen. Dann verpasst die Frau ihrem Kontrahent­en einen Stoß vor die Brust. Er fällt nach hinten um und bleibt erst einmal auf dem Pflaster liegen.

Jetzt ist die Luft raus aus dem Streit. Der Mann mit der Kappe stützt sich mit einer Hand an einem Mülleimer ab. Er übergibt sich auf die Rasenfläch­e daneben. Die Frau ruft immer wieder: „Jawoll, mein Gegner kotzt!“

Der nächste Streifenwa­gen überquert im Schritttem­po den Platz. Der Mann, der sich eben noch übergeben musste, sitzt jetzt wieder auf einer Bank. Er trinkt Bier. Eine Frau sagt zu ihm: „Verschwind jetzt endlich, geh heim.“

Zwei Polizeiaut­os brettern mit Blaulicht und Martinshor­n zum Kö. Sie gehen auf den Mann mit Kappe zu, legen ihm Handschell­en an. Er kommt in eine Später vermeldet die Polizei, er habe Passanten belästigt und einen Radfahrer vom Fahrrad gestoßen. Eine Frau beobachtet­e den Stoß und alarmierte die Polizei. Dienstag, 15.57 Uhr Der Mann mit der Baseballka­ppe, der am Abend zuvor in die Zelle musste, ist wieder da. Er wirkt friedliche­r, sitzt ruhig zwischen anderen Trinkern auf einer Bank. Ein Junge, etwa zehn Jahre alt, trinkt einen Energydrin­k aus einer Plastikfla­sche. Er tritt nach einer Taube. Der ganze Schwarm schreckt auf und fliegt knapp über die Köpfe der Trinker hinweg in Richtung Haltestell­endreieck.

Auch die Frau, die sich gestern noch mit dem Mann mit der Kappe gestritten hat, scheint heute gut gelaunt zu sein. Sie schnappt sich einen grellroten Plastikbal­l und kickt ihn mit zwei Männern hin und her. Sie stellen sich geschickt an. Die Frau grinst. Nur einmal rollt der Ball zur Bank, wo die anderen sitzen. Er trifft eine Bierflasch­e. Sie kippt um und läuft aus.

Ein Mann mit Rucksack, die gewellten Haare nach hinten gekämmt, schimpft leise vor sich hin. Er sammelt Müll ein, der überall auf dem Platz liegt. Kaffeebech­er, kleine Schnapsfla­schen, ZiArrestze­lle. garettensc­hachteln. Er spießt alles mit einem kleinen Holzstock auf und wirft es in die Mülleimer. Ein Jugendlich­er, der mit seinem Handy spielt, schaut kurz auf. „Siehst du“, sagt der Mann laut, „alles Dreck.“

Eine Polizeistr­eife fährt vorbei. Drei blau uniformier­te Männer des städtische­n Ordnungsdi­enstes schauen aus einiger Entfernung zu. Eine Mutter beobachtet ihre kleine Tochter, die mit wackligen Schritten am Brunnen entlanggeh­t. Eine Frau liest ein Buch, zwei Männer spielen Karten.

Der Mann, der eben noch Müll weggeräumt hat, sitzt jetzt auf einer Bank und zündet sich ein Zigarillo an. Der Platz ist jetzt sichtbar sauberer. Und der Mann sieht zufrieden aus.

Eine Gruppe junger Migranten steht in der Nähe des Manzù-Brunnens. Die Brunnenfig­ur ist noch unter dem Holzkasten, der sie im Winter schützen soll, versteckt. Ein Junge im Grundschul­alter, der nachmittag­s schon da war, ist dabei. Er zieht mit ernstem Blick an einer Zigarette. Ein Mädchen fragt: „Rauchst du echt?“Er antwortet mit Angebersti­mme: „Ja, schon zwei Schachteln am Tag.“

Fast alle rauchen. Und es ist ein Sprachenge­wirr in der Gruppe. Fremde Laute mischen sich mit bruchstück­haftem Deutsch. Ein junger Afrikaner, er könnte Anfang 20 sein, geht auf die Gruppe zu und sagt zweimal laut: „Haschisch.“Später wechselt, ein Stück von der Gruppe entfernt, zwischen zwei jungen Männern ein kleines Päckchen den Besitzer.

Auf einer Bank liegt eine rothaarige Frau. Eben noch hat sie aus einer Flasche etwas getrunken, das roséfarben aussah. Jetzt liegt sie auf dem Rücken, sie wirkt regungslos. Ein Mann, der auch schon seit Stunden da ist, geht zu ihr hin. Er streichelt ihr mit der rechten Hand sanft über die Wange, in der linken Hand hält er eine Bierflasch­e. Die Frau bewegt den Kopf, nimmt kurz seine Hand. Dann schläft sie wieder ein.

Die Bänke am Kö sind nass. Trübes Regenwette­r. Der Platz um den Brunnen ist leer. Nur ab und zu geht ein Passant vorüber. Die Männer und Frauen, die sonst hier sitzen, haben sich ans Haltestell­endreieck zurückgezo­gen. Sie sitzen an einem Bahnsteig, unter dem Glasdach. Kronkorken klirren auf dem Pflaster, wenn einer von ihnen eine Bierflasch­e öffnet. Dass hier eigentlich ein Rauchverbo­t gilt, stört sie nur wenig. So wie viele andere Fahrgäste, die sich ebenfalls eine Zigarette anstecken.

Drei junge Männer, dunkelhäut­ig, alle modisch gekleidet, betreten die Mc-Donald’s-Filiale am Kö. Der bullige Sicherheit­smann, der an der Treppe zum zweiten Stock steht, beäugt sie skeptisch. Im Internet kursiert das Gerücht, der Sicherheit­sdienst sei engagiert worden, weil es verstärkt Ärger mit Flüchtling­en gebe. Chef Adriaan Hendrikx widerspric­ht. Schon seit Jahren sei ein Sicherheit­sdienst in der Filiale tätigt. In erster Linie gehe es darum, ein Auge auf die Nachtschwä­rmer zu werfen. Die drei jungen Migranten setzen sich an einen Tisch und scherzen. Sie haben Pommes gekauft und HühnchenBu­rger. Der Sicherheit­smann schaut nicht mehr hin.

 ?? Foto: Jörg Heinzle ?? Einsatz am Kö: Polizisten nehmen einen Betrunkene­n mit, der einen Radfahrer vom Fahrrad gestoßen haben soll.
Foto: Jörg Heinzle Einsatz am Kö: Polizisten nehmen einen Betrunkene­n mit, der einen Radfahrer vom Fahrrad gestoßen haben soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany