Was ist wirklich los am Kö?
Die Polizei berichtet von Ärger mit jungen Migranten, Passanten stören sich an der Trinkerszene. An drei Tagen haben wir das Geschehen beobachtet. Ein Bericht über pöbelnde Männer, rauchende Kinder – und das normale Leben
Es ist immer da in diesen Tagen, das laute Kreischen der Krähen, die oben in den Bäumen am Kö sitzen. Losgelöst von dem, was unten auf dem Platz passiert, über den viele Augsburger jetzt diskutieren. Ein Polizeiauto nähert sich und stoppt beim Brunnen. Die Polizisten beobachten aus ihrem BMW heraus die Trinkerszene. Es sind gut ein Dutzend Männer und Frauen, die sich auf der Bänke verteilt haben. Ein Mann, vielleicht Mitte 30, nimmt einen Schluck aus einer großen Flasche Kräuterlikör. Ein anderer, er trägt Vollbart und Baseballkappe, fällt mit dem Gesicht nach vorne von einer Bank. Er rappelt sich auf, setzt sich wieder hin.
Drei junge Afrikaner sitzen auf den Steinklötzen, mit denen die Bäume auf dem Platz eingefasst sind. Sie reden leise miteinander. Einer versucht, das deutsche Wort „Eindruck“auszusprechen. Es klingt etwas genuschelt. Sie lesen in der Zeitung, schauen auf einen Artikel über Bewerbungsgespräche. „Warum der erste Eindruck so wichtig ist“, lautet die Überschrift des Berichts.
Es gibt Stress. Eine Frau, sie hat eine Sektflasche in der Hand, sitzt auf dem Rand des Brunnens. Der Mann mit der Baseballkappe kommt auf sie zu, greift nach ihrem Arm. Die Frau wehrt sich, gibt ihm einen Stoß – und er fällt rücklings in den Brunnen. Wasser ist zu dieser Jahreszeit noch keines im Becken.
Der Mann mit der Kappe und die Frau streiten noch immer. Sie versuchen, sich zu schlagen. Doch sie treffen sich nicht richtig. Es sieht eher aus wie Schattenboxen. Der Mann torkelt auf dem Platz umher. Passanten, auch ein älterer Mann mit einem kleinen Jungen, müssen ausweichen. Dann verpasst die Frau ihrem Kontrahenten einen Stoß vor die Brust. Er fällt nach hinten um und bleibt erst einmal auf dem Pflaster liegen.
Jetzt ist die Luft raus aus dem Streit. Der Mann mit der Kappe stützt sich mit einer Hand an einem Mülleimer ab. Er übergibt sich auf die Rasenfläche daneben. Die Frau ruft immer wieder: „Jawoll, mein Gegner kotzt!“
Der nächste Streifenwagen überquert im Schritttempo den Platz. Der Mann, der sich eben noch übergeben musste, sitzt jetzt wieder auf einer Bank. Er trinkt Bier. Eine Frau sagt zu ihm: „Verschwind jetzt endlich, geh heim.“
Zwei Polizeiautos brettern mit Blaulicht und Martinshorn zum Kö. Sie gehen auf den Mann mit Kappe zu, legen ihm Handschellen an. Er kommt in eine Später vermeldet die Polizei, er habe Passanten belästigt und einen Radfahrer vom Fahrrad gestoßen. Eine Frau beobachtete den Stoß und alarmierte die Polizei. Dienstag, 15.57 Uhr Der Mann mit der Baseballkappe, der am Abend zuvor in die Zelle musste, ist wieder da. Er wirkt friedlicher, sitzt ruhig zwischen anderen Trinkern auf einer Bank. Ein Junge, etwa zehn Jahre alt, trinkt einen Energydrink aus einer Plastikflasche. Er tritt nach einer Taube. Der ganze Schwarm schreckt auf und fliegt knapp über die Köpfe der Trinker hinweg in Richtung Haltestellendreieck.
Auch die Frau, die sich gestern noch mit dem Mann mit der Kappe gestritten hat, scheint heute gut gelaunt zu sein. Sie schnappt sich einen grellroten Plastikball und kickt ihn mit zwei Männern hin und her. Sie stellen sich geschickt an. Die Frau grinst. Nur einmal rollt der Ball zur Bank, wo die anderen sitzen. Er trifft eine Bierflasche. Sie kippt um und läuft aus.
Ein Mann mit Rucksack, die gewellten Haare nach hinten gekämmt, schimpft leise vor sich hin. Er sammelt Müll ein, der überall auf dem Platz liegt. Kaffeebecher, kleine Schnapsflaschen, ZiArrestzelle. garettenschachteln. Er spießt alles mit einem kleinen Holzstock auf und wirft es in die Mülleimer. Ein Jugendlicher, der mit seinem Handy spielt, schaut kurz auf. „Siehst du“, sagt der Mann laut, „alles Dreck.“
Eine Polizeistreife fährt vorbei. Drei blau uniformierte Männer des städtischen Ordnungsdienstes schauen aus einiger Entfernung zu. Eine Mutter beobachtet ihre kleine Tochter, die mit wackligen Schritten am Brunnen entlanggeht. Eine Frau liest ein Buch, zwei Männer spielen Karten.
Der Mann, der eben noch Müll weggeräumt hat, sitzt jetzt auf einer Bank und zündet sich ein Zigarillo an. Der Platz ist jetzt sichtbar sauberer. Und der Mann sieht zufrieden aus.
Eine Gruppe junger Migranten steht in der Nähe des Manzù-Brunnens. Die Brunnenfigur ist noch unter dem Holzkasten, der sie im Winter schützen soll, versteckt. Ein Junge im Grundschulalter, der nachmittags schon da war, ist dabei. Er zieht mit ernstem Blick an einer Zigarette. Ein Mädchen fragt: „Rauchst du echt?“Er antwortet mit Angeberstimme: „Ja, schon zwei Schachteln am Tag.“
Fast alle rauchen. Und es ist ein Sprachengewirr in der Gruppe. Fremde Laute mischen sich mit bruchstückhaftem Deutsch. Ein junger Afrikaner, er könnte Anfang 20 sein, geht auf die Gruppe zu und sagt zweimal laut: „Haschisch.“Später wechselt, ein Stück von der Gruppe entfernt, zwischen zwei jungen Männern ein kleines Päckchen den Besitzer.
Auf einer Bank liegt eine rothaarige Frau. Eben noch hat sie aus einer Flasche etwas getrunken, das roséfarben aussah. Jetzt liegt sie auf dem Rücken, sie wirkt regungslos. Ein Mann, der auch schon seit Stunden da ist, geht zu ihr hin. Er streichelt ihr mit der rechten Hand sanft über die Wange, in der linken Hand hält er eine Bierflasche. Die Frau bewegt den Kopf, nimmt kurz seine Hand. Dann schläft sie wieder ein.
Die Bänke am Kö sind nass. Trübes Regenwetter. Der Platz um den Brunnen ist leer. Nur ab und zu geht ein Passant vorüber. Die Männer und Frauen, die sonst hier sitzen, haben sich ans Haltestellendreieck zurückgezogen. Sie sitzen an einem Bahnsteig, unter dem Glasdach. Kronkorken klirren auf dem Pflaster, wenn einer von ihnen eine Bierflasche öffnet. Dass hier eigentlich ein Rauchverbot gilt, stört sie nur wenig. So wie viele andere Fahrgäste, die sich ebenfalls eine Zigarette anstecken.
Drei junge Männer, dunkelhäutig, alle modisch gekleidet, betreten die Mc-Donald’s-Filiale am Kö. Der bullige Sicherheitsmann, der an der Treppe zum zweiten Stock steht, beäugt sie skeptisch. Im Internet kursiert das Gerücht, der Sicherheitsdienst sei engagiert worden, weil es verstärkt Ärger mit Flüchtlingen gebe. Chef Adriaan Hendrikx widerspricht. Schon seit Jahren sei ein Sicherheitsdienst in der Filiale tätigt. In erster Linie gehe es darum, ein Auge auf die Nachtschwärmer zu werfen. Die drei jungen Migranten setzen sich an einen Tisch und scherzen. Sie haben Pommes gekauft und HühnchenBurger. Der Sicherheitsmann schaut nicht mehr hin.