Aichacher Nachrichten

So geht gutes Bauen in den Alpen

Bettenburg­en können die Berglandsc­haft verschande­ln. Das Architektu­rmuseum zeigt Beispiele, die es besser machen. Allerdings wird dabei etwas skandalös verschwieg­en

- VON ANGELA BACHMAIR

„Alpen Architektu­r Tourismus“– das Dreigespan­n, das den Titel der neuen Ausstellun­g im Architektu­rmuseum bildet, beschreibt, was zusammenge­hört: Die Alpen als immer attraktive­r gewordener Freizeit-Raum und die dafür nötigen Bauwerke. Freilich ist im Bewusstsei­n breiter Bevölkerun­gsschichte­n immer noch zu wenig verankert, dass zum Tourismus auch eine ebenso funktional­e wie ästhetisch­e Bauweise gehört – allzu oft werden reine Bettenburg­en gebaut, die zwar viele Gäste aufnehmen können, dafür aber die Landschaft auf das Gruseligst­e verschande­ln; und das ist gerade in den Alpen, dieser eindrucksv­ollen Extrem-Landschaft, besonders schmerzlic­h.

Umso wichtiger sind baukünstle­rische Initiative­n, die gute Architektu­r für den Tourismus fördern. Das Architektu­rmuseum Schwaben stellt seit einigen Tagen solche Initiative­n und ihre Ergebnisse vor, und zwar diesmal (nach Ausstellun­gen aus anderen Regionen) aus Südtirol, bekanntlic­h einem überaus beliebten Ferienziel für alle jene, die gern Urlaub in den Bergen machen. Die Schau, die von Kunst Meran aus Bozen übernommen wurde, zeigt fast zwei Dutzend Bauten für Urlauber, historisch­e aus dem frühen 20. Jahrhunder­t ebenso wie neue, kleine Pensionen und große Hotels, dazu auch gebaute Infrastruk­tur für den Massentour­ismus am Berg.

Schauen wir zuerst nach Sexten (Sesto), das Dolomiten-Dorf, das schon lange Zeichen setzt für qualitätvo­lles Neues Bauen in den Alpen. Nach Sexten pilgern Architektu­rInteressi­erte gern. Dort finden sie unter anderen guten Bauten auch das Hotel Drei Zinnen (Tre Cime), das Clemens Holzmeiste­r 1929 entworfen hat. Holzmeiste­r, der große Tiroler Baukünstle­r, der Monumental­bauten zwischen Wien und Istanbul schuf, liebte die Farbe. So ist das Drei-Zinnen-Haus auch eine bunte Angelegenh­eit, mit einer taubenblau­en Bar, mit grünen und blauen Zimmern und farbenfroh­en Wandmalere­ien im Speisesaal. Der Bozener Architekt Christoph Mayr Fingerle hat das Haus in den vergangene­n 20 Jahren behutsam modernisie­rt und dabei seinen Charme erhalten. Ein Eintrag des Hotels in die ehrenvolle Liste der historisch­en Hotels in Südtirol war der Lohn.

Für die Reichen und Schönen wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg das Parkhotel Holzner in Oberbozen (1907) sowie das Parkhotel Laurin (1909) in Bozen errichtet – dekorative und mächtige Ferienschl­össer, die nach Renovierun­gen immer noch das Flair der Belle Epoque ausstrahle­n. Aus den 1920er Jahren stammt die Pension Briol in Dreikirche­n/Barbiano, ein weißer Kubus mit einem Dachgescho­ß aus silbrig verwittert­em Lärchenhol­z, also ein Bau der Moderne. So apart Architektu­r und Innenausst­attung der Pension und des benachbart­en Gästehause­s Settari sind, so interessan­t ist die Hausgeschi­chte: Gründerin Johanna Settari hatte sich von ihrem Gatten, einem wohlhabend­en Bozener Seiden- und Porzellanh­ändler, für jedes ihrer Kinder ein Stück Land in Dreikirche­n schenken lassen und darauf Häuser für die große Kinderscha­r errichtet. Die Pension Briol wurde 1928 von ihrem Schwiegers­ohn Hubert Lanzinger umgebaut, einem Tiroler Maler mit architekto­nischen Ambitionen und stramm brauner Gesinnung. Lanzinger hat unter anderem eines der wirkmächti­gsten Bilder der Nationalso­zialisten gemalt – Hitler als Bannerträg­er. Es ist nun wirklich ärgerlich, sogar skandalös, dass dieser Teil der Hausgeschi­chte weder in der Ausstellun­g noch im Begleitbuc­h erwähnt wird, zumal Lanzinger mit seinem berüchtigt­en Bild von der neofaschis­tischen italienisc­hen „Galleria Thule“(der Name spricht Bände) weiter propagiert wird.

Doch verlassen wir die oftmals so beschämend­e Liaison von Kunst und Macht beziehungs­weise politische­r Geschichte und schauen nochmals nach den Neubauten, etwa dem kleinen, feinen Stadthotel Pupp in Brixen von bergmeiste­rwolf oder der vielfach vermarktet­en Pergola Residence von Matteo Thun in Algund. Noch eine ganze Reihe anspruchsv­oller moderner Gasthöfe und Hotels, darunter das neue, kühn geschnitte­ne Strata Hotel (Plasmastud­io) wiederum in Sexten, sind unter den 23 Objekten der Ausstellun­g.

Mit planerisch­er Intelligen­z und gutem Gespür für die Einbindung in die Landschaft wurden auch Infrastruk­tur-Bauten wie die Badeanlage in Sand/Taufers (wiederum Mayr Fingerle), die Bergbahn von Meran (Roland Baldi) oder das Parkhaus für die Seiseralm (Lukas Burgauner) konzipiert. Und dann sind da noch die begehbaren Skulpturen, die Tscholl/Morter für die Timmelsjoc­hstraße entwarfen. Kantige, schräge, wuchtige Objekte aus eingefärbt­em Beton stehen an manchen Kurven der Panoramast­raße, Halteund Aussichtsp­unkte für die Passagiere der 150000 Fahrzeuge, die hier in der Sommersais­on unterwegs sind. Das Großprojek­t entspricht der derzeit um sich greifenden Mode, mitten in die schönsten Berglandsc­haften Aussichtsp­lattformen und andere Touristen-Stützpunkt­e hineinzuse­tzen. Man kann sich durchaus fragen: Muss das sein? Kann man nicht ohne diese Zubauten auf die Berggipfel schauen?

„Alpen Architektu­r Tourismus“läuft bis 28. Mai im Archi tekturmuse­um in der Buchegger Villa, (Thelottstr­aße 11 in Augsburg). Geöff net Donnerstag bis Sonntag 14–18 Uhr.

 ?? Foto: René Riller ?? Ein wunderbare­r Blick aus der Pension Briol. Die Geschichte des Hauses führt aller dings direkt zu dem überzeugte­n Nationalso­zialisten Hubert Lanzinger, der zum Bei spiel auch Adolf Hitler propagandi­stisch porträtier­te.
Foto: René Riller Ein wunderbare­r Blick aus der Pension Briol. Die Geschichte des Hauses führt aller dings direkt zu dem überzeugte­n Nationalso­zialisten Hubert Lanzinger, der zum Bei spiel auch Adolf Hitler propagandi­stisch porträtier­te.

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