So geht gutes Bauen in den Alpen
Bettenburgen können die Berglandschaft verschandeln. Das Architekturmuseum zeigt Beispiele, die es besser machen. Allerdings wird dabei etwas skandalös verschwiegen
„Alpen Architektur Tourismus“– das Dreigespann, das den Titel der neuen Ausstellung im Architekturmuseum bildet, beschreibt, was zusammengehört: Die Alpen als immer attraktiver gewordener Freizeit-Raum und die dafür nötigen Bauwerke. Freilich ist im Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten immer noch zu wenig verankert, dass zum Tourismus auch eine ebenso funktionale wie ästhetische Bauweise gehört – allzu oft werden reine Bettenburgen gebaut, die zwar viele Gäste aufnehmen können, dafür aber die Landschaft auf das Gruseligste verschandeln; und das ist gerade in den Alpen, dieser eindrucksvollen Extrem-Landschaft, besonders schmerzlich.
Umso wichtiger sind baukünstlerische Initiativen, die gute Architektur für den Tourismus fördern. Das Architekturmuseum Schwaben stellt seit einigen Tagen solche Initiativen und ihre Ergebnisse vor, und zwar diesmal (nach Ausstellungen aus anderen Regionen) aus Südtirol, bekanntlich einem überaus beliebten Ferienziel für alle jene, die gern Urlaub in den Bergen machen. Die Schau, die von Kunst Meran aus Bozen übernommen wurde, zeigt fast zwei Dutzend Bauten für Urlauber, historische aus dem frühen 20. Jahrhundert ebenso wie neue, kleine Pensionen und große Hotels, dazu auch gebaute Infrastruktur für den Massentourismus am Berg.
Schauen wir zuerst nach Sexten (Sesto), das Dolomiten-Dorf, das schon lange Zeichen setzt für qualitätvolles Neues Bauen in den Alpen. Nach Sexten pilgern ArchitekturInteressierte gern. Dort finden sie unter anderen guten Bauten auch das Hotel Drei Zinnen (Tre Cime), das Clemens Holzmeister 1929 entworfen hat. Holzmeister, der große Tiroler Baukünstler, der Monumentalbauten zwischen Wien und Istanbul schuf, liebte die Farbe. So ist das Drei-Zinnen-Haus auch eine bunte Angelegenheit, mit einer taubenblauen Bar, mit grünen und blauen Zimmern und farbenfrohen Wandmalereien im Speisesaal. Der Bozener Architekt Christoph Mayr Fingerle hat das Haus in den vergangenen 20 Jahren behutsam modernisiert und dabei seinen Charme erhalten. Ein Eintrag des Hotels in die ehrenvolle Liste der historischen Hotels in Südtirol war der Lohn.
Für die Reichen und Schönen wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg das Parkhotel Holzner in Oberbozen (1907) sowie das Parkhotel Laurin (1909) in Bozen errichtet – dekorative und mächtige Ferienschlösser, die nach Renovierungen immer noch das Flair der Belle Epoque ausstrahlen. Aus den 1920er Jahren stammt die Pension Briol in Dreikirchen/Barbiano, ein weißer Kubus mit einem Dachgeschoß aus silbrig verwittertem Lärchenholz, also ein Bau der Moderne. So apart Architektur und Innenausstattung der Pension und des benachbarten Gästehauses Settari sind, so interessant ist die Hausgeschichte: Gründerin Johanna Settari hatte sich von ihrem Gatten, einem wohlhabenden Bozener Seiden- und Porzellanhändler, für jedes ihrer Kinder ein Stück Land in Dreikirchen schenken lassen und darauf Häuser für die große Kinderschar errichtet. Die Pension Briol wurde 1928 von ihrem Schwiegersohn Hubert Lanzinger umgebaut, einem Tiroler Maler mit architektonischen Ambitionen und stramm brauner Gesinnung. Lanzinger hat unter anderem eines der wirkmächtigsten Bilder der Nationalsozialisten gemalt – Hitler als Bannerträger. Es ist nun wirklich ärgerlich, sogar skandalös, dass dieser Teil der Hausgeschichte weder in der Ausstellung noch im Begleitbuch erwähnt wird, zumal Lanzinger mit seinem berüchtigten Bild von der neofaschistischen italienischen „Galleria Thule“(der Name spricht Bände) weiter propagiert wird.
Doch verlassen wir die oftmals so beschämende Liaison von Kunst und Macht beziehungsweise politischer Geschichte und schauen nochmals nach den Neubauten, etwa dem kleinen, feinen Stadthotel Pupp in Brixen von bergmeisterwolf oder der vielfach vermarkteten Pergola Residence von Matteo Thun in Algund. Noch eine ganze Reihe anspruchsvoller moderner Gasthöfe und Hotels, darunter das neue, kühn geschnittene Strata Hotel (Plasmastudio) wiederum in Sexten, sind unter den 23 Objekten der Ausstellung.
Mit planerischer Intelligenz und gutem Gespür für die Einbindung in die Landschaft wurden auch Infrastruktur-Bauten wie die Badeanlage in Sand/Taufers (wiederum Mayr Fingerle), die Bergbahn von Meran (Roland Baldi) oder das Parkhaus für die Seiseralm (Lukas Burgauner) konzipiert. Und dann sind da noch die begehbaren Skulpturen, die Tscholl/Morter für die Timmelsjochstraße entwarfen. Kantige, schräge, wuchtige Objekte aus eingefärbtem Beton stehen an manchen Kurven der Panoramastraße, Halteund Aussichtspunkte für die Passagiere der 150000 Fahrzeuge, die hier in der Sommersaison unterwegs sind. Das Großprojekt entspricht der derzeit um sich greifenden Mode, mitten in die schönsten Berglandschaften Aussichtsplattformen und andere Touristen-Stützpunkte hineinzusetzen. Man kann sich durchaus fragen: Muss das sein? Kann man nicht ohne diese Zubauten auf die Berggipfel schauen?
„Alpen Architektur Tourismus“läuft bis 28. Mai im Archi tekturmuseum in der Buchegger Villa, (Thelottstraße 11 in Augsburg). Geöff net Donnerstag bis Sonntag 14–18 Uhr.