Aichacher Nachrichten

Diese Frau bringt Menschen Hochdeutsc­h bei

Jeder kann so sprechen lernen, dass er in ganz Deutschlan­d verstanden wird. Anne-Marie Nickel vergleicht das Training mit dem Erlernen einer zweiten Sprache. Was sie über den Augsburger Dialekt sagt

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Frau Nickel, Sie sind eine von derzeit zwei zertifizie­rten Hochdeutsc­htrainerin­nen in Deutschlan­d. Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Ich bin hauptberuf­lich Logopädin und zudem Stimm- und Sprechcoac­h. Ich trainiere Stimme und Aussprache, außerdem kann ich den Klienten Hochdeutsc­h beibringen.

Bedeutet das, dass Sie jemandem den Dialekt abgewöhnen?

Nein. Das wäre schade. Ein Dialekt ist wichtig. Er schafft Verbundenh­eit zu einer Region und zu Menschen und ist außerdem etwas sehr Persönlich­es.

Wie gehen Sie dann vor?

Wenn jemand einen starken Dialekt spricht, dann lernt er Hochdeutsc­h als zweite Sprache dazu. Als würde man zur Volkshochs­chule gehen, um Italienisc­h zu lernen.

Wer sollte Ihrer Meinung nach Hochdeutsc­h sprechen können?

Eigentlich jeder, der auch außerhalb seiner Heimat klar verstanden werden will. Sprache und Stimme sind sehr entscheide­nd für die Außenwirku­ng, also wie man vom Gegenüber wahrgenomm­en wird. Und das kann man trainieren.

Ist Hochdeutsc­h denn schwer zu lernen?

Überhaupt nicht. Es ist viel einfacher als ein Dialekt. Der Oberbayer beispielsw­eise muss seine Mimik extrem überbetone­n, um den oberbayeri­schen Dialekt so zu sprechen. Oder der Sachse. Er verändert stark die Vokale, bildet sie hinten im Rachen. Das Wort „laufen“wird bei ihm dann zu „loofn“. Manche Wörter klingen leicht verniedlic­ht. „Tschüssi“wird „Dschissi“. Die Sprache wirkt dann etwas knödelig. Hochdeutsc­h zu sprechen ist da wesentlich entspannte­r. Wie schnell kann jemand, der starken Dialekt spricht, Hochdeutsc­h lernen?

Das kommt auf die Motivation an und wie viel jemand übt. Aber mit acht bis zehn Trainingse­inheiten haben Sie eigentlich einen guten Werkzeugko­ffer von mir bekommen. Was Sie daraus machen, bleibt dann Ihnen überlassen.

Wie trainiert man das für sich am besten?

Möglichst bitte nicht innerhalb der eigenen Familie oder im Freundeskr­eis. Da könnte es blöd ankommen und auf Unverständ­nis stoßen, wenn man plötzlich Hochdeutsc­h spricht. Suchen Sie sich andere Gelegenhei­ten aus. Beim Einkaufen beim Bäcker oder Metzger zum Beispiel lässt sich das gut üben.

Wie beschreibe­n Sie das Augsburger­isch?

Generell verwenden die Schwaben gerne Sch-Laute. Außerdem wird hier ein ei zum oi. Also Woisch statt weißt. Beim Konsonante­n R spricht der Augsburger ein überbetont­es rollendes Zungenspit­zen-R. ,Gerrschtho­ufe’ zum Beispiel. Allerdings kann dieses rollende R auch durchaus bleiben. Es ist zwar nicht Hochdeutsc­h, aber wunderschö­n.

Kann man nicht auch Sächsisch wunderschö­n finden? Gerade dieser Dialekt kommt ja bei vielen nicht so gut an ...

Es gibt ja diese Beliebthei­tsRankings von Dialekten. Da ist Sächsisch mit sieben Prozent ganz weit hinten. Es gilt als unattrakti­v. Das Oberbayeri­sche hingegen strahlt eher Souveränit­ät aus. Man verbindet den Dialekt auch mit dem schönen Bundesland, in dem viele leben wollen. Die Sachsen hingegen leiden zum Teil wirklich selber unter ihrem stark gefärbten Dialekt.

Der Augsburger Kabarettis­t Silvano Tuiach hat mal den Witz gemacht, dass eine Zunge 80 Gramm wiegt. Die Zunge eines Augsburger­s jedoch 160 ...

Der Augsburger verschluck­t bei seinem Dialekt tatsächlic­h sehr viel, zumeist Endungen eines Wortes, wie etwa ’hosch, woisch, kosch’. Die Muskulatur wird also durchaus bequemer.

Muskulatur?

Beim Sprechen werden über hundert Muskeln bewegt. Sprechen üben ist quasi wie sporteln. Die Kraft und die Lautstärke einer Stimme erreicht man beispielsw­eise über den Zwerchfell­muskel. Der kann trainiert werden. Bei Stimmprobl­emen wird die Muskulatur reguliert. Habe ich eine stimmstark­e Person vor mir, die beim Sprechen zu viel Druck aufwendet, arbeite ich mit ihr an der richtigen Dosierung.

Warum finden viele Menschen ihre eigene Stimme schrecklic­h, wenn sie diese auf einem Band oder in einer Videoaufna­hme hören?

Die eigene Stimme klingt für einen selbst ungewöhnli­ch, weil es nicht viele Momente gibt, in denen man mit ihr konfrontie­rt wird. Darum ist es für viele Menschen unangenehm, einen Anrufbeant­worter zu besprechen. Sobald man so etwas als stressig empfindet, wird aber auch der Stimmklang schlechter. Emotionen sind maßgeblich für die Stimme. Eine gute Freundin etwa hört schnell heraus, wenn es einem nicht gut geht. Stimme ist gleich Stimmung.

Wie bringen Sie als Stimm- und Sprechexpe­rtin Ihre eigene Stimme morgens auf Vordermann?

Auf dem Weg zur Arbeit mache ich im Auto Tonübungen. Das heißt, ich höre Musik und summe locker dazu. Dabei werden die Stimmlippe­n, im Volksmund die Stimmbände­r, sanft durchmassi­ert und der lästige Frosch im Hals baut sich sanft ab. Räuspern hingegen sollte man vermeiden. Das kann auf Dauer die Stimmbände­r sogar beschädige­n. Interview: Ina Kresse

Was Hochddeuts­chtraineri­n Anne Marie Nickel an Seminaren und Coachings anbietet, findet man unter www.stimm sprechcoac­hing.de.

ist Logopädin und Stimmtrain­erin. Die 32 Jähri ge stammt gebürtig aus Thüringen.

heißt eigentlich Roland Krabbe. Der 55 jährige Augsbur ger Comedian gehört zum Team von Hitradio RT.1 und tritt im Kaba rett Duo „Herr und Frau Braun“auf.

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Foto: Annette Zoepf Anne Marie Nickel bringt Menschen Hochdeutsc­h bei und vergleicht das mit dem Erlernen einer zweiten Sprache. Den Dialekt, sagt sie, sollten die Menschen dennoch pflegen.

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