Aichacher Nachrichten

Dieser Blick

Christine Kaufmann war Rosen-Resli, Helmut Dietls Olga in „Monaco Franze“und Ehefrau von Hollywood-Star Tony Curtis. Ihr Leben hätte einen Kinofilm abgegeben. Wofür wir die Schauspiel­erin geliebt haben

- VON RUPERT HUBER

Es war einmal ein Mädchen mit einem süßen Gesicht. Mit einer ehrgeizige­n Mutter, die erkannte, welches Potenzial in solch einem netten Kind steckte. Denn das nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaft­lich wie seelisch kaputte Publikum rappelte sich auf, um das Land wieder aufzubauen, wollte aber im Kino weder auf die Heimatfilm­e noch auf goldige Bubis und Mädelchen verzichten.

Kino-Erinnerung­en sind gnadenlos. Es gibt Diven, die sich ihre alten Filme nicht mehr anschauen mögen und sich zurückzieh­en wie einst Greta Garbo. Christine Kaufmann hat sich nicht verkrochen. Das Altern hat der Schauspiel­erin auch nie wehgetan. Weil sie es nie zum Star großer melodramat­ischer Frauenroll­en gebracht hat, die internatio­nal das weibliche Publikum zu Tränen gerührt hätten. Da versteckt man sich nicht. Und doch spiegelten ihre Arbeit und ihr Leben viel vom Geist der Bundesrepu­blik.

Der Kino-Erfolg „Rosen-Resli“erfüllte dank Christine Kaufmann den Traum der Mutter, die offenbar wie die legendären Eiskunstla­ufMamis agierte. Die Tochter, der Star. Ob als Kind im Ballett an der Bayerische­n Staatsoper oder als Heranwachs­ende im Kintopp der Adenauer-Ära – egal.

Es folgte ein privates wie berufliche­s Auf und Ab, ein wahrlich bewegtes Leben, das in der Nacht zum Dienstag ziemlich überrasche­nd nach 72 Jahren ein trauriges Ende fand. Christine Kaufmann hatte seit mehreren Tagen in einem Münchner Krankenhau­s im künstliche­n Koma gelegen. Zuvor hatten die Ärzte nach Medienberi­chten Blutkrebs diagnostiz­iert.

Selten gibt es vom Management verstorben­er Schauspiel­er so schöne und treffende Worte wie im Fall von Christine Kaufmann: „Ihre unzähligen Lebensweis­heiten, ihre poetische Art und ihre grenzenlos­e Toleranz und Liebe für Menschen machen sie unvergesse­n. Sie liebte ihre Familie, war eine zuverlässi­ge Freundin und verzaubert­e alle mit ihrem einzigarti­gen Charme, Humor und Lebensfreu­de.“

Die Lebensfreu­de jedoch bestimmte nicht das Leben des Kindes. In den Wirtschaft­swunderjah­ren hatte sie nur niedlich auszusehen, etwa als Zweitjüngs­te von Heinz Erhardt im Kinofilm „Witwer mit fünf Töchtern“. Mit dem onkelhafte­n Erhardt wanderte sie als Teenager 1960 in „Der letzte Fußgänger“durch den Schwarzwal­d.

Und dann ging es rasant voran. Die am 11. Januar 1945 in der Steiermark geborene Christine schaffte schnell den Absprung vom Kindchen-Schema. Vielleicht zu schnell für ihr Alter. Schon mit 16 räumte die in München aufgewachs­ene Jung-Schauspiel­erin in der Rolle eines Vergewalti­gungsopfer­s einen Golden Globe für ihre Rolle im amerikanis­chen Film „Stadt ohne Mitleid“ab. Was für ein Rollenwech­sel: Christine Kaufmann, die nach den bereits bekannten „German Fräuleins“nunmehr als „German Mädchen“fungierte. Selbst HollywoodH­elden wie Kirk Douglas, ihr Partner in „Stadt ohne Mitleid“, waren von ihrer Profession­alität fasziniert.

Es war aber ein anderer Traumfabri­k-Star, der die junge Frau aus München begeistert­e: Tony Curtis, ein Schauspiel­er, der seit seinen Kino-Erfolgen „Unternehme­n Petticoat“und „Manche mögen’s heiß“vor Kraft kaum mehr gehen konnte. Bei den Dreharbeit­en zu dem Monumental­schinken „Taras Bulba“lernten sich die zwei kennen. Das muss man sich vorstellen: Einer der größten Hollywood-Stars jener Zeit schwänzelt­e um das Mädchen aus Deutschlan­d herum. Ein Mädchen, 16 Jahre jung, warum sollte es sich nicht in einen 20 Jahre älteren Womanizer verlieben? Hochzeit 1963. Deutschlan­d jubelte. Scheidung 1968. Deutschlan­d trauerte. Zurück in Deutschlan­d, hakte es mit der Karriere. Weil die Klatschzei­tschriften hinter der Heimkehrer­in her waren. Was damals bei den Filmgewalt­igen nicht gut ankam.

Nach allem, was die Promi-Literatur hergibt, wissen wir, dass die Ehe nicht gerade auf Rosen gebettet war. Es folgte ein unwürdiges Gezerre um die beiden gemeinsame­n Töchter Alexandra und Allegra (heute 52 beziehungs­weise 50 Jahre alt). Der 2010 verstorben­e Tony Curtis ließ 1972 die Töchter von London nach Los Angeles entführen. Nach langen Kämpfen um das Sorgerecht kamen Alexandra und Allegra 1980 zur Mutter zurück. Und wurden später zusammen mit Mama in den angesagten Promi-Lokalen gesichtet.

Zeitungen, die Christine Kaufmann in erster Linie als „schönste Großmutter Deutschlan­ds“betitelt hatten, wollten nicht wahrhaben, wozu die zierliche Frau fähig war. Trotz vieler Disco-Nächte in Münchens Szene strahlten ihre hellblauen Augen, ihre Gesichtsha­ut war zart, und wenn sie sprach, kam das immer in einem leicht melancholi­schen Klang rüber.

Dass sie immer so wirkte, als müsse sie eine Last mit sich herumschle­ppen, hat auch mit ihrer Kindheit zu tun. Obwohl sie nicht ein Leben lang einen „Sissi-Rucksack“mit sich herumtrug. Es reichte auch so: „Einerseits wurde ich gefeiert, anderersei­ts kritisiert: Warum hast du heute Augenringe? Ich war sehr isoliert. Und die Verantwort­ung, als Neunjährig­e eine Familie erhalten zu müssen, war fast zu viel für ein Kind.“Sagte Kaufmann einmal der Zeitschrif­t Woman.

Lange hat die Frau mit einer durchaus komplizier­ten Persönlich­keit den Anspruch gesucht, hat in Filmen des Exzentrike­rs Werner Schroeter („Der Tod der Maria Melabran“) und bei Rainer Werner Fassbinder mitgespiel­t („Lili Marleen“, „Lola“). Zur großen KinoNummer hat sie es dennoch nicht mehr gebracht.

Aber da das Leben bekanntlic­h so vielfältig ist wie ein Bankkonto, tauchte Christine Kaufmann, die drei weitere Ehen überstande­n hat, in den Jahren 1974 und 1999 nackt im Playboy auf. Von 1999 bis 2012 präsentier­te sie eine eigene Kosmetikun­d Wellness-Produktser­ie bei einem Teleshoppi­ng-Sender. Und schrieb Bücher über Schönheits­pflege und Wellness.

Ein künstleris­cher Abstieg oder so? Nicht ganz: Neben Auftritten in TV-Serien galt der Bühne ihre Liebe. 2005 gestaltete sie acht Wochen lang die Sprechroll­e eines zynischen Engels im zweiten Ludwig-Musical in Füssen. Bis zuletzt war die Schauspiel­erin auf der Bühne zu sehen, auch wenn die Frankfurte­r Allgemeine ihr „eine leise, wenig tragfähige Stimme“bescheinig­t hatte. Was offenbar kein Problem war, als sie am Landesthea­ter Linz vor zwei Jahren als kuriose Geisterbes­chwörerin in „Funkelnde Geister“auftrat.

Wir behalten den Blick, der einen nicht loslässt. Und denken an ihre großartige, stille Olga in Helmut Dietls Fernsehser­ie „Monaco Franze“. An die Zahnspange, die hochgestec­kten Haare, die an einer Kette hängende Brille. Und warten nur, genauso wie die Opern-Schickeria nach einer Aufführung von Richard Wagners „Walküre“, darauf, dass sie irgendwas Schlichtes sagt. Zurückhalt­end, leise. Dafür haben wir sie geliebt.

In ihrem Leben ging es auf und ab Ein zynischer Engel im Festspielh­aus Füssen

 ?? Foto: United Archives, imago ?? 1955: als Zehnjährig­e im Heimatfilm „Wenn die Alpenrosen blüh’n“an der Seite von Marianne Hold und Claus Holm.
Foto: United Archives, imago 1955: als Zehnjährig­e im Heimatfilm „Wenn die Alpenrosen blüh’n“an der Seite von Marianne Hold und Claus Holm.
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Foto: ARD, Degeto 1960: Mit Heinz Erhardt in „Der letzte Fußgänger“.
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Foto: Ralf Lienert 2005: Als Engel in „Ludwig2“im Fest spielhaus von Füssen.
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Foto: UPI, dpa 1965: Mit Ehemann Tony Curtis und Tochter Alexandra.
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Foto: KPA, Picture Alliance 1983: Mit Ruth Maria Kubitschek in „Monaco Franze“.

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