Aichacher Nachrichten

Die Polizei filmt mit

Seit November sind Beamte in Bayern mit Uniformkam­eras unterwegs. Sie sollen helfen, Gewalt gegen Polizisten zu reduzieren. Die ersten Erfahrunge­n, sagen sie, seien vielverspr­echend. Doch es gibt auch Bedenken

- VON JAN KANDZORA

Neulich wurde die Polizei zu einem Einsatz in die Maximilian­straße gerufen. Eine Frau hatte in einem Club Hausverbot erhalten, wollte aber nicht gehen; nichts Besonderes eigentlich. Beim Einsatz kamen jedoch plötzlich Männer dazu, die mit dem Geschehen zuvor nichts zu tun hatten. Sie mischten sich ein, wurden laut. Die Situation hätte eskalieren könnten.

Tat sie aber nicht. „Nachdem wir die Kamera eingeschal­tet hatten, wurden die Männer wieder ruhig“, schildert Benjamin Drewes, Polizeiobe­rmeister bei der Polizeiins­pektion Mitte. Die Kamera: Das ist die sogenannte „Body-Cam“, die Beamte des Innenstadt-Reviers seit November an der Uniform tragen. Die Augsburger Polizei ist dabei Teil eines Pilotproje­ktes im Freistaat. Ein Jahr lang wird in Bayern getestet, wie die Uniformkam­era ankommt, ob und wie sie funktionie­rt und was sie bewirkt.

Was sie bewirken soll, machte der bayerische Innenminis­ter Joachim Hermann (CSU) im vergangene­n Jahr deutlich: Es geht um einen besseren Schutz von Polizisten vor Angriffen oder Beleidigun­gen; die Kamera soll die Gewaltbere­itschaft gegen Beamte mindern. Das Innenstadt-Revier in Augsburg ist eines von sieben Dienststel­len im Freistaat, in denen getestet wird. Die Inspektion ist auch deshalb dabei, da Polizisten hier gefährlich­er leben als die meisten anderen Streifenbe­amten in Bayern. In Zahlen ausgedrück­t: 495 Gewaltdeli­kte gegen Polizisten wurden 2016 in Augsburg statistisc­h erfasst, 258 mal waren davon die Beamten der Polizeiins­pektion Mitte betroffen. 52 Polizisten des Reviers wurden voriges Jahr bei Einsätzen verletzt. Eine hohe Zahl.

Werner Bayer, Leiter der Polizeiins­pektion Mitte, formuliert es so: „Der Schwerpunk­t liegt da bei meiner Dienststel­le.“Seiner Erfahrung nach nimmt die Anzahl der Delikte gegenüber Polizisten absolut gesehen zu, doch vor allem gebe es dabei eine andere Gewaltinte­nsität als früher. Die Uniformkam­era soll die Beamten besser schützen.

Das Augsburger Revier hat drei Body-Cams bekommen; 25 Polizisten der Inspektion haben sich freiwillig dazu bereit erklärt, sie bei Einsätzen zu tragen. Einer von ihnen ist Polizeiobe­rmeister Drewes. Oft beruhigten sich aggressive Menschen, wenn sie die Kamera sehen, sagt er. Manchmal aber reagierten sie auch anders, zückten ihre Handys, um ihrerseits die Situation und die Polizei zu filmen. Per Knopfdruck schalten die Beamten die Kamera dann ein, wenn es zu brenzligen Situatione­n kommt. Das Mo- dell, das getestet wird, gibt einen Ton ab, wenn die Aufnahme startet. Es blinkt ein rotes Licht, auf einem Monitor an der Jacke des Polizisten sieht man, was gefilmt wird. Die Beamten, die eine Body-Cam tragen, weisen darauf hin, dass die Kamera läuft. Außerdem tragen sie eine Plakette, auf der ein Aufnahmesy­mbol zu sehen ist und „Video Audio“steht.

Eigentlich bekommt man es mit, sobald die Body-Cam eingesetzt wird. Es sei denn, Leute seien massiv alkoholisi­ert oder durch Drogen benebelt. Der Inspektion­schef sieht durch die Body-Cam weitere Vorteile für die Polizei. Zum einen könnte man leichter ungerechtf­ertigte Beschwerde­n gegenüber Beamten entkräften, zum anderen seien die Aufnahmen gute Beweismitt­el in Gerichtsve­rfahren. Langfristi­g speichert sie die Polizei nur dann, wenn sie für ein Strafverfa­hren benötigt werden. Andernfall­s werden sie nach drei Wochen gelöscht.

Bayern ist nicht das einzige Bundesland, in dem das Modell erprobt wird. In Hessen etwa begann bereits 2013 ein einjährige­s Pilotproje­kt, danach wurden dort die Gesetze geändert, um den Einsatz von Uniformkam­eras dauerhaft zu ermögliche­n. Auch in Baden-Württember­g begannen Polizisten 2016, mit Body-Cams Einsätze zu filmen.

Datenschüt­zer sehen manches kritisch. Der Datenschut­zbeauftrag­te Bayerns, Thomas Petri, sagt zwar, er trage eine „ergebnisso­ffene Evaluierun­g“mit, hatte aber grundsätzl­iche Bedenken geäußert. Zum Beispiel, was die sogenannte PreRecordi­ng-Technik betrifft. Dabei wird bereits ein gewisser Zeitraum gespeicher­t, bevor die Polizisten überhaupt die Aufnahmeta­ste drücken. Damit soll es leichter werden, aufzuzeige­n, wie eine Situation entstand. Petri sagt, je länger diese Vorlaufzei­t sei, desto problemati­scher werde es. Unbeteilig­te Bürger hätten dann keinerlei Sicherheit, dass sie im öffentlich­en Raum nicht von der Polizei gefilmt würden. Aktuell laufen die Kameras erst dann, wenn die Polizisten sie anmachen. Nach der Testphase, heißt es vom bayerische­n Innenminis­terium, sollen die Kameras mit 60 Sekunden Vorlauf funktionie­ren.

Petri sieht noch andere Probleme. Da sei die Frage, was passiert, wenn die Kamera im kritischen Einsatz nicht funktionie­rt. Das werfe automatisc­h ein schwierige­s Licht auf die Polizisten, selbst wenn hinter dem Ausfall nur ein technische­r Defekt steht. Auch könne es passieren, dass Beamte sich durch die Kamera in Situatione­n nach Vorschrift verhielten, wo es sinnvoller wäre, nicht jedes Bagatellde­likt zu ahnden. Es bestehe die Gefahr, dass sich „mittelfris­tig das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern ändert – und zwar nicht positiv“.

Bislang, sagt Polizist Bayer, gebe es noch kein abschließe­ndes Bild. „Aber die ersten Erfahrunge­n sind vielverspr­echend.“In einigen Gefahrensi­tuationen helfe der Einsatz mit der Kamera, er sorge für Deeskalati­on. Seit November haben die Beamten des Innenstadt-Reviers etwa 120 Mal mit der Body-Cam gefilmt. Bald kommt ein neues Modell an die Reihe. Ab dem 1. April, vier Monate lang.

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Polizisten des Augsburger Innenstadt­reviers sind seit November mit Uniformkam­eras unterwegs. Die Polizeiobe­rmeister Benja min Drewes (links) und Niklas Treffer gehen seither mit der Body Cam auf Streife.
Foto: Jakob Stadler Polizisten des Augsburger Innenstadt­reviers sind seit November mit Uniformkam­eras unterwegs. Die Polizeiobe­rmeister Benja min Drewes (links) und Niklas Treffer gehen seither mit der Body Cam auf Streife.

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