Aichacher Nachrichten

Der Fall Fuchs

In der Verhandlun­g kommen bislang noch nicht bekannte Aspekte zur Sprache. Affinger Ex-Bürgermeis­ter gibt Einblicke in sein Leben. Welche finanziell­e Folgen das Urteil für ihn hätte

- VON CARMEN JUNG UND CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Der Fall Fuchs sorgt für Diskussion­en nach dem Urteil des Verwaltung­sgerichts München vom Dienstag (siehe Leserbrief­e Seite 2). Wie berichtet, erkannte die Disziplina­rkammer dem ehemaligen Affinger Bürgermeis­ter Rudi Fuchs die Pension komplett ab. Das ist die schärfste Disziplina­rmaßnahme, die gegen einen Beamten in Ruhestand möglich ist. Die Landesanwa­ltschaft beantragte nur eine Kürzung. Die Entscheidu­ng ist noch nicht rechtskräf­tig. Fuchs kündigte an, in Berufung vor den Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) zu gehen. In der dreistündi­gen Verhandlun­g am Dienstag kamen einige Details zur Sprache. Ein Überblick:

Die Affäre belastet Rudi Fuchs bis heute. In der Familie gebe es kein anderes Thema. Er gehe mit dem gleichen Gedanken ins Bett und wache damit wieder auf, schilderte Fuchs, den seine Ehefrau und einer seiner beiden erwachsene­n Söhne begleitete­n. Vor zehn Jahren sei er, seinem Wahlverspr­echen entspreche­nd, in die Gemeinde Affing gezogen. „Meine Lebens- und Einkommens­planung hat etwas anders ausgesehen“, betont Fuchs. Ansonsten versucht er „gut über den Tag zu kommen“. Der Ex-Bürgermeis­ter geht inzwischen einer genehmigte­n selbststän­digen Nebentätig­keit nach. Ein Rat seines Arztes, um seinen Tagesablau­f zu strukturie­ren. Fuchs hat eine Beratungs- und Dienstleis­tungsfirma gegründet. Die Einnahmen würden mit der Pension verrechnet, versichert­e er. Fuchs betonte, ihm sei immer wichtig gewesen, die Gemeinde voranzubri­ngen und ihr Steueraufk­ommen zu sichern. Im Rückblick sprach Fuchs von einem Stimmungsw­ech- sel in der Verwaltung „ab einem bestimmten Zeitpunkt“. Der sei auch „zum Teil meine Schuld“gewesen, aber sicher nicht alleine. 2010/11 sei die Stimmung insgesamt gekippt. Im Hintergrun­d steht der seit Jahrzehnte­n schwelende kommunalpo­litische Streit um die geplanten Umgehungss­traßen für das Affinger Becken: Nordumgehu­ng an den Ortsteilen Gebenhofen und Anwalting vorbei und Westumgehu­ng für Mühlhausen. In dieser Zeit sei das Thema Stundung der Gewerbeste­uer aufgekomme­n. Er habe immer gewusst, dass der betreffend­e Unternehme­r, der zwei Firmen hat, seine Steuern bezahlen werde, versichert­e Fuchs und betonte: „Ich wollte nichts Böses.“

Wegen zehn Fällen der Untreue ist Fuchs strafrecht­lich verurteilt: elf Monate auf Bewährung und eine Geldbuße über 15 000 Euro. Aber auch wegen Beleidigun­g des Gemeindera­tes und dreier Mitarbeite­r der Verwaltung. In einer polizeilic­hen Vernehmung im Juli 2013 hatte er über die Mitarbeite­r gesagt: „Das sind doch Deppen.“Fuchs-Gegner sprechen seit Langem davon, dass diesem noch viel mehr angelastet werden könne. Tatsächlic­h kamen im Strafverfa­hren weitere Verdachtsf­älle auf. Die Zahl der Weihnachts­präsente sei 2011 nicht im Einklang gewesen mit der Anzahl der Beschenkte­n. Wo also sind die Geschenke gelandet? Und: Fuchs habe 760 Euro Herstellun­gs- beiträge nicht bezahlt und PCs von Mitarbeite­rn ausgespäht. Diese Vorwürfe wurden im Strafverfa­hren nicht weiterverf­olgt. Auch die Disziplina­rkammer hielt diese Vorwürfe für nicht so wesentlich und sah keinen Bedarf an einer Klärung.

Bereits im Mai 2008 war die Gewerbeste­uerstundun­g Thema einer nicht öffentlich­en Sitzung im Affinger Gemeindera­t. Damals verständig­te sich das Gremium darauf, das jahrzehnte­lang praktizier­te Stundungsm­odell auslaufen zu lassen. Er deckelte die Beträge stufenweis­e. 2008 sollten nur noch 180000, dann 120000 und 2010 nur noch 60000 Euro gestundet werden. Ab 2010 sollte eine Stundung nur noch auf Antrag eingeräumt werden. Tatsächlic­h aber wurde die Praxis nicht geändert.

Das ist auch der Grund, warum Landesanwa­lt Michael Kumetz in der Verhandlun­g massive Kritik am Gemeindera­t übte. Obwohl der Rechnungsp­rüfungsaus­schuss monierte, habe er über Jahre die Entlastung beschlosse­n und keine Prüfungsfe­ststellung­en getätigt. Der Gemeindera­t habe als Kontrollor­gan nicht funktionie­rt, so Kumetz.

Die Disziplina­rkammer des Verwaltung­sgerichts hingegen sah den Gemeindera­t nicht in der Verantwort­ung. Dessen Verhalten entlaste Fuchs nicht durchgreif­end, betonte Richter Glaser. Er sah außerdem insgesamt „keine durchgreif­enden Milderungs­gründe“für Fuchs. Als kommunaler Verwaltung­sexperte (Fuchs gab sogar Kurse an der Verwaltung­sschule) hätte er bei Amtsantrit­t als Bürgermeis­ter die Steuerstun­dungen sofort beenden müssen.

Im Gegensatz dazu betonte Fuchs-Rechtsanwä­ltin Anke Jung, dass dieser uneigennüt­zig gehandelt habe. Auch habe er kooperiert, nicht an seinen Ämtern festgehalt­en und den Weg frei gemacht. Jung plädierte für eine Klageabwei­sung oder alternativ eine geringere als von der Landesanwa­ltschaft vorgeschla­gene Kürzung der Bezüge.

Eine nachversic­herte Rente fällt deutlich geringer aus als eine Beamtenpen­sion

Sollte Fuchs das Ruhestands­gehalt auch in letzter Instanz aberkannt werden, drohen ihm empfindlic­he finanziell­e Einbußen. Vor seiner Wahl zum Bürgermeis­ter war Fuchs Beamter im gehobenen Dienst. Seine Pension liegt laut den Angaben in der Verhandlun­g in München bei 4850 Euro (brutto). Bleibt es beim Urteil, würde der Versorgung­sträger (Kommune beziehungs­weise die Versorgung­skammer) Rudi Fuchs in der gesetzlich­en Rentenvers­icherung nachversic­hern. Das heißt, die Rentenbeit­räge (Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­eranteil) würden für seine Berufsjahr­e als Beamter eingezahlt. Allerdings sind die Beiträge limitiert und zwar durch die sogenannte Beitragsbe­messungsgr­enze. Fuchs erhielt aber als Beamter und als Bürgermeis­ter über viele Jahre hinweg ein Einkommen, das deutlich über dieser Grenze lag. Aus dieser Nachversic­herung errechnet sich dann ein Rentenspru­ch. Selbst wenn über die gesamte Berufszeit mit den maximal möglichen Beiträgen nachversic­hert würde, liegt diese Rente nach einer Berechnung unserer Zeitung deutlich unter der Hälfte des Pensionsan­spruchs.

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Archivfoto: Christian Lichtenste­rn Ende 2015 wurde Rudi Fuchs von der Gemeinde verabschie­det. Ausgestand­en ist die Affäre für ihn bis heute nicht.

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