Faust als Casting-Show
Schauspiel Klexs Theater begibt sich in einer Schnellversion auf die Suche nach des Dramas Kern
Goethes „Faust“zu inszenieren ist schon was. Große Regisseure und gut ausgestattete Theater beißen sich mitunter die Zähne daran aus. Faust vom Klexs Theater auf der Bühne des Kulturhaus Abraxas ist also gewagt. Damit das gelingen kann, hat Theaterchefin Gabriele Beier nicht etwa den Goethe inszeniert, sondern eine ganz eigene Versuchsanordnung geschrieben und am Samstagabend erstmals auf die Bretter gebracht: „Faust Highspeed – Ein Casting bei Mephisto persönlich“versetzt ironisch die Vorbereitungen zu einer „Faust“-Inszenierung ins Milieu einer Casting-Show.
Dabei dient das Setting mit einem klapprigen Stuhl und alten Koffern, auf die hingefläzt der Regisseur Darsteller sichtet, nicht nur als Ersatz für den „Prolog auf dem Theater“– es scheint auch, dass des Faustens klassisches Streben nach tiefer Erkenntnis und üppigem Lebensgenuss heutzutage in fast allen Schichten und Berufsgruppen dem Drang nach Ruhm und Selbstdarstellung gewichen ist. Der faustische Menschentypus wird in der Mediengesellschaft ersetzt durch den Marshall McLuhans.
Entsprechend ist es Mephisto selbst (Matthias Guggenberger), der mit übergroßen Posen zwischen Verführer, Denker, Weltenbeherrscher und Komiker als One-ManJury herumstolziert und mit diabolischer – oder dieter-bohlen’scher – Freude konstatiert, wenn die Kandidaten versagen und er ihnen ihre Unzulänglichkeiten aufs Brot schmieren kann. Raphaela Miré, Susanna Hasenbach, Sarah Gebert und Gabriele Beier treten in wechselnden Rollen und Kostümen als Anwärter für Pudel, Hexen, Engel oder Gott auf; sie sprechen, singen, tanzen, kredenzen Tee und Kuchen oder warten verzweifelt auf ihren eigenen Lichttechniker, der ebenso im Stau feststeckt wie der Musiker, der das ganze begleitet (Fabian Klebig) phasenweise in einer Depression. Irgendwie stecken sie alle fest in irgendetwas: in ihrer „tierischen Aufgeregtheit“, aus der eine phänomenale Pudel-Improvisaton wird (Hasenbach), oder in einem ulkigen Kostüm, dessen sich zu entledigen aus Mephistos klapprigen Stuhl wohl eine Besetzungscouch machen soll.
Dann drängt die Zeit plötzlich und so muss der Goethe nun eben mit unfertigem Cast und stark gekürzt aufgeführt werden, es ist praktisch eine szenische Aneinanderreihung der Sätze, die alle mitsprechen können: Von „Habe nun, ach! Juristerei …“über „Da steh ich nun, ich armer Tor…“und „Das also war des Pudels Kern“bis „Schönes Fräulein, darf ich’s wagen…“.
Es wird also einiges geboten, was ambitioniert und abwechslungsreich ist, aber die Frage nach des „Highspeed-Fausts“Kern aufwirft. Ein bisschen hat man das gleiche Gefühl wie früher bei der GoetheLektüre im Deutsch-Leistungskurs: Es gibt unglaublich viele spannende Aspekte, aber es ist schwierig das große Ganze zu fassen. Der Versuch allerdings lohnt: Es gibt den mit Sicherheit lustigsten Striptease, der je auf einer Augsburger Bühne zu sehen war (Beier), und ein ins Mark gehendes Lied Gretchens (Miré). Daneben gehört der mit Elementen des Butoh-Tanzes von Christine und Pius Schwegler dargestellt Auftritt der Wind- und Waldgeister zu den Highlights.
Nicht alle Bezüge werden klar und manches gerät vielleicht unfreiwillig komisch – aber Beier lässt dem Publikum gelassen die Wahl, wo es lachen und wo tiefsinnig einsteigen möchte.
Weitere Aufführungen am 6. Mai um 20 Uhr im Kulturhaus Abraxas so wie am 6. April und am 9. Mai um 20.30 Uhr im Hoffmannkeller.