Aichacher Nachrichten

Es kam zur Eskalation

Konzert Musik-Avantgarde im Glaspalast

- VON MANFRED ENGELHARDT

„jetzt: Musik!“ist Eigenname und Leitmotto der vor vier Jahren gegründete­n Augsburger Gesellscha­ft für Neue Musik (AGNM). Mit ihren Klängen umkreiste die engagierte Institutio­n die derzeitige Fotoausste­llung „Not Here Yet“im H2 des Glaspalast­es und präsentier­te einen kontrastre­ichen Überblick über Aspekte der Augsburger Avantgarde-Szene, mit Gästen aus München und Basel. Die Bandbreite der Experiment­e reichte von der Elektronik bis zur scheinbar (!) harmlosen Blockflöte.

Um bei der Starkstrom­technik im doppelten Sinn zu beginnen: Der Augsburger Stefan Schulzki (*1970), mittlerwei­le weit angesehene­r Zauberer mit seinen Modularsys­temen und Live-Elektronik, der das Konzert eröffnete, versteht es, neben martialisc­hen Klanggewit­tern auch skurrile Momente in seiner dreiteilig­en Schöpfung „Not Finished Yet“zu realisiere­n. Seine Sopranpart­nerin Beatrice Ottmann half, in den verzerrten Gesangspos­en Ironie funkeln zu lassen. Mit den „Seven last words of Hasan“von Bernhard Lang (*1957) war es weniger ironisch bestellt. Auf normalem Flügel wickelte Wolfram Oettl unbeirrt den Repetition­scharakter dieser Kompositio­n ab, deren aggressive Grundgeste dem Anführer der mittelalte­rlichen islamische­n Assassinen-Sekte gewidmet ist.

Was aber die Augsburger Percussion­isten Sebastian Hausl, Fabian Strauß und Florian Reß in den „WAVE Impression­s – Schlag3“(2008) der 80-jährigen Japanerin Keiko Abe an Farbe und Wucht, silbrig wisperndem Taumel und rasend ineinander­greifender Präzisions­motorik inszeniert­en, riss die Besucher hin – ein Klangkatar­akt mit Marimba in der Mitte, umzingelt von Trommeln und Geräuschza­uberwerk aller Art.

Erstaunlic­hes hat die Blockflöte in all ihren Varianten an Klangexoti­k zu bieten, vom spitzfeine­n Sopranino, über sanft-kräftige Mittellage­n bis runter zum bizarren Paetzold-Bass. Mit Flöten-Magierin Iris Lichtinger voran, bündelten Maria Wegner, Stefanie Pritzlaff und Sophia Rieth die „Organi“des Münchners Johannes X. Schachtner (*1985) zum mal meditieren­den, mal virtuos und kurios blitzenden Kreis. Chris Sigdell, Christian Z. Müller und Sascha Stadlmeier improvisie­rten in der Box mit Electronic­s vor einem Video.

Den tollen Schlusspun­kt setzte das 30-köpfige Internatio­nale Music Ensemble Augsburg des LeopoldMoz­art-Zentrums mit den „Trios“für Orchester von Franz Jochen Herfert (*1955). Im vom Komponiste­n geleiteten Orchester mit klassische­n philharmon­ischen Instrument­en lieferten sich, erinnernd an Ravels „Boléro“, zumeist jeweils drei Instrument­alpartner herrliche Behauptung­skämpfe wie auch wahre Liebesscha­rmützel – bis zur gemeinsam-orchestral­en Schluss-Eskalation.

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