Klima wandelt sich immer schneller
Auf der Zugspitze misst ein Forscherteam mit Beteiligung der Uni Augsburg, wie sich das Treibhausgas Kohlendioxid entwickelt. Es sieht nicht gut aus
Und wieder gibt es einen Rekord: Auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, wurde für 2016 ein neuer Höchstwert des Treibhausgases Kohlendioxid in der Luft gemessen. Im Jahresmittel lag die Konzentration deutlich über 400 ppm (Parts per Million). Für die Augsburger Klimawissenschaftlerin Esther Giemsa ist es ein trauriges Ergebnis. Denn die Messungen zeigen, dass der Klimawandel immer weiter und schneller voranschreitet.
Vor zwei Jahren war erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen auf der Zugspitze die „magische Marke“von 400 ppm Kohlendioxid (CO2) überschritten worden. Auch seither gehen die Werte weiter nach oben. Das Treibhausgas gilt als einer der Hauptverursacher der Erderwärmung. Es trägt maßgeblich zum Klimawandel bei. Wie sich die Lage entwickelt, wird weltweit an 31 Stationen gemessen. Eine davon ist auf der Zugspitze – in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus. Dort machte sich ein Team von Spezialisten mit Beteiligung von Geographen der Uni Augsburg zwei Jahre gezielt auf „Spurengassuche“. Es ging vor allem um zwei Fragen: Wie stark nimmt die Konzentration des Treibhausgases in der Atmosphäre zu? Und wie stark trägt der Mensch zu dieser Entwicklung bei?
Das Problem sei, das sich beim Klima viele Einflüsse überlagern, sagt Esther Giemsa (Lehrstuhl Jucundus Jacobeit). Wetterphänome- ne spielen eine Rolle. Das Wechselspiel der Ozeane mit der Atmosphäre ist wichtig. Aber auch die Jahreszeiten wirken sich aus. Jahreshöchstwerte bei der CO2-Konzentration werden vor allem im März gemessen, kurz bevor die Natur wieder grün wird. Danach nehmen Pflanzen den Sommer über wieder einen Teil des Kohlendioxids aus der Luft auf. All das macht es für die Forscher schwierig, zuverlässige Aussagen zu treffen. Sie haben bei ihren Messungen auch noch mit einer weiteren Schwierigkeit zu tun: Das Treibhausgas CO2 hat eine sehr lange Lebensdauer. Es hält sich im Schnitt 120 Jahre in der Atmosphäre. Verschmutzungen der Luft können also schon viele Jahre zurückliegen, wenn sie heute ermittelt werden, erklärt Giemsa.
Zwar sind die Wirkungen aufs Klima vielfältig und komplex. Dennoch kamen die Forscher auf der Zugspitze nun zu wichtigen Ergebnissen. Sie wiesen nach, dass hohe Konzentrationen von CO2 vor allem von dort kommen, wo sich Menschen angesiedelt haben: vom Festland und in Bodennähe. Sogar in der sauberen Höhenluft der Zugspitze sind sehr hohe CO2-Konzentrationen nachzuweisen, die aus großen mitteleuropäischen Braunkohlerevieren stammen, etwa aus der deutschen Lausitz, aus Most und Sokolov (Tschechien).
Das Treibhausgas, das dort produziert wurde, kam mit Luftmassen rund 500 Kilometer weit nach Bayern. Aber auch andere CO2-Emit- tenten in Europa und der Welt sind auf der Zugspitze zu messen, etwa Industrien in der italienischen Poebene. „Gesundheitsschädlich sind die Werte nicht, aber für den Klimawandel sind sie schlimm“, sagt Giemsa. Verschärft wird das Problem, weil neue Industriekomplexe hinzukommen, die langfristige Folgen aufs Klima haben. „Wenn heute Kohlendioxid ausgestoßen wird, wird es im Jahr 2137 immer noch da sein“, rechnet Giemsa vor.
Zuständig für die komplizierten Messungen auf der Zugspitze ist Wissenschaftler Ludwig Ries vom Umweltbundesamt. Mit Blick auf seine Ergebnisse ist er sicher: USPräsident Trump irre sich, wenn er sage, der Klimawandel sei nur ein Schwindel. Ries zufolge zeigen die Daten eindeutig, dass der größte Teil des CO2-Anstiegs auf fossile Brennstoffe zurückzuführen ist – und damit auf den Menschen. Und noch schlimmer: „Der dynamische Anstieg ist ungebrochen und geht immer weiter“, sagt er.
Ries erklärt aber auch, wie schwierig es ist, in der Klimaforschung zu zuverlässigen Modellen zu kommen. Ein Problem sei beispielsweise, dass Daten weltweit unterschiedlich ermittelt werden, aber letztendlich alle miteinander verglichen werden müssen. Ein anderes Problem: Die Forscher brauchen möglichst viele Messdaten über einen langen Zeitraum. Nur so können sie Abweichungen besser interpretieren. Nicht zuletzt verändern sich sogar die Gase selbst im Verlauf von Messungen. Wissenschaftlich aussagekräftigere Modelle zum Klimawandel seien aber sehr wichtig, sagt Ries. „Die Politik will bessere Vorgaben für Entscheidungen.“Deshalb hat die Augsburger Klimaforscherin Esther Giemsa schon das nächste Projekt im Blick. Sie will nun den Alpenraum mit Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien genauer untersuchen. Die Fragen: Wo entsteht besonders viel CO2? Und was bringt regionaler Klimaschutz? »Meinung