Wie ein Flüchtling die Stadt sieht
Auf der Willkommenstour gibt Farhad Sidiqi spezielle Einblicke auf Sehenswürdigkeiten und Einrichtungen. Er weiß, was Neuankömmlinge in Augsburg wissen und kennen sollten
2011 flüchtete Farhad Sidiqi aus Afghanistan, weil er um sein Leben fürchtete: Ein einflussreicher Warlord hatte eine Morddrohung gegen ihn ausgesprochen. In Augsburg fand er eine neue Heimat und bekam auch vor dem Verwaltungsgericht eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung zugesprochen.
2011 stand er aber noch ganz am Anfang. Bei der Willkommenstour, einer Tour von Flüchtlingen für Flüchtlinge, erinnert er sich kürzlich vor der Stadtmetzg daran: „Ich wollte im Amt für soziale Leistungen vorsprechen. Ich war pünktlich. Damals konnte ich aber noch kein Deutsch und die Mitarbeiterin kein Englisch.“Weil er keinen Dolmetscher dabei hatte, konnte er den Termin folglich nicht wahrnehmen. Doch das Versäumnis holte er damals binnen weniger Minuten nach. „Ich ging aus dem Amt und mir fiel davor ein Straßenmusikant auf, der Gitarre spielte. Es war ein Grieche.“Farhad Sidiqi erzählte ihm von seinem Missgeschick, der Grieche entschloss sich kurzerhand dazu, das Gespräch im Amt zu dolmetschen. So konnte Sidiqi seinen Termin doch noch wahrnehmen. „Ihr müsst also nicht nur pünktlich sein, ihr braucht auch auf jeden Fall einen Dolmetscher, wenn euer Deutsch nicht gut genug ist“, berichtet er.
Farhad Sidiqi ist Projektleiter der Tour, die vom Grandhotel Cosmopolis, Büro für Migration, Interkultur und Vielfalt, der Initiative Tür an Tür und der Volkshochschule auf den Weg gebracht wurde. „Für die Willkommenstour wurden Geflüchtete zu Guides ausgebildet. Sie haben eine breite Ausbildung erhalten und sollen so eine Schlüsselperson für weitere Geflüchtete sein“, sagt Michael Hegele vom städtischen Büro für Migration, Interkultur und Vielfalt. Die Tour findet meist in verschiedenen Sprachen statt. Neben Englisch, Farsi, Arabisch, Russisch, Tigrinisch kann sie auch auf Französisch abgehalten werden und natürlich auch auf Deutsch.
Wurde die Tour anfangs für Neuankömmlinge konzipiert, die noch über kaum Deutschkenntnisse verfügten und eine erste Orientierungshilfe erhalten sollten, sind die Teilnehmer nun oft schon einige Zeit in Augsburg und sprechen ganz gut Deutsch. So wie der 17-jährige Ahamad. Er kam im Jahr 2015 aus Afghanistan nach Deutschland. „Ich bin in der 9. Klasse Mittelschule und mache dieses Jahr den QA“, erzählt er. Danach will er eine Ausbildung zum Anlagen- oder Zerspanungsmechaniker machen. Ahamad gefällt Augsburg. Vor allem die Altstadt findet er schön. Obwohl er schon eine Zeit lang hier lebt, erhält er auf der Tour neue Eindrücke von der Stadt. Nach der Stadtmetzg geht die Gruppe zur Fuggerei.
Dort sind die Flüchtlinge erstaunt, wie wenig die Bewohner im Jahr für ihre Miete zahlen müssen. Weitere mögliche Anlaufstellen der Tour sind die Sparkasse, wo die meisten Flüchtlinge ihr Konto einrichten, oder das Haltestellendreieck am Königsplatz, wo Neuansechs kömmlingen gezeigt werden soll, wo ein Ticket gekauft und wie es gelöst wird. Doch an diesem Tag brauchen die Teilnehmer der Führung diese Informationen nicht mehr. Reiner Erben, Referent für Umwelt, Nachhaltigkeit und Migration, erzählt den Teilnehmern auf dem Rathausplatz etwas über das Rathaus, den Stadtrat, Goldenen Saal und Elias Holl. Sie können kaum glauben, dass das Rathaus bereits 1615 bis 1624 errichtet worden ist, weil es so gut erhalten aussieht. „Ich finde, dass das eine wichtige Tour für Geflüchtete ist. Ihnen wird aus ihrem Blickwinkel die Stadt erklärt“, sagt Erben. Etwa auch an der darauffolgenden Station: der Stadtbücherei.
Farhad Sidiqi erklärt, dass es hier nicht nur Kinderbücher, Zeitschriften und DVD gibt, sondern es auch einen Internetzugang gibt. „In der Stadtbücherei kann man aber auch gut Kontakt zu anderen Augsburgern bekommen. Es gibt auch viele Flyer und Prospekte zu Veranstaltungen in der Stadt“, sagt er. Mbe Mbe aus dem Kongo übersetzt seine Erklärungen ins Englische und Französische. Seit fünf Jahren lebt er in Augsburg. Er mag die freundlichen Menschen in der Stadt: „Es ist toll, dass Augsburg so bunt ist.“