Warum Volker Ullrich gerade wenig zu lachen hat
Der CSU-Abgeordnete aus Augsburg war vor Jahren der Aufsichtsratschef eines Unternehmens, das dem „grauen Kapitalmarkt“zugeordnet wird. Anleger beschweren sich über fragwürdige Verkaufsmethoden. Was steckt dahinter?
Es ist keine 1a-Wohnlage. Das weiß gestrichene Mehrfamilienhaus steht in der Pestalozzistraße in Oberhausen. In einem Viertel, das eher mal durch illegale Wohnungsbordelle Schlagzeilen macht als durch ambitionierte Immobilienprojekte. Doch das Haus Nummer 5 steht, im Unterschied zu anderen Gebäuden in der Nachbarschaft, gut da. Es wirkt gepflegt, ein Großteil der Wohnungen scheint vermietet zu sein. Das Haus ist ein Projekt der Münchner Firmengruppe Opalenburg. Es wurde über einen Immobilienfonds finanziert, den Fachleute dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“zuordnen – jenem Bereich der Finanzbranche also, der nicht so stark reguliert und kontrolliert ist.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich nennt die Immobilie in Oberhausen als einen Beleg dafür, dass das Geld der Anleger, die bei Opalenburg einstiegen, sinnvoll investiert worden sei. Ullrich, 41, war nach seiner Auskunft zwischen den Jahren 2007 bis 2011 der Aufsichtsratschef der Opalenburg Vermögensverwaltungs AG. Dieser Job aus der Zeit vor seiner politischen Karriere bereitet ihm nun Ärger. Fragt man Anleger, so hört man viele kritische Stimmen. Gleich zwei Mal thematisierte das ZDF die Geschäftspraktiken des Fondsanbieters kritisch und ließ enttäuschte Kunden zu Wort kommen. Die Anleger sollen mit zum Teil problematischen Methoden zu riskanten Verträgen überredet worden sein.
Eine offenbar gängige Masche einer Vetriebsfirma namens Medius, die Opalenburg-Anlagen verkaufte: Die Firma bot Jobs an, doch wer zum Bewerbungsgespräch kam, der fand sich plötzlich in einem Verkaufsgespräch für einen der Fonds wieder. Betroffene fühlten sich von Medius überrumpelt und in eine Falle gelockt, berichten mehrere Anwälte, die Anleger vertreten.
Wer heute mit Opalenburg in Kontakt kommen will, hat es nicht einfach. Die Internetseite wird aktuell gewartet. Wer unter der angegebenen Telefonnummer anruft, landet im Nirgendwo. Auch Rechtsanwälte, die für die Anleger versuchen, Geld zurückzufordern, berichten, die Kommunikation mit der Firma sei für ihre Mandanten schwierig. Volker Ullrich sagt, er habe mit dem Unternehmen seit Jahren nichts mehr zu tun. Er sei Ende 2011 als Aufsichtsrat ausgeschieden; 2013 kam er in den Bundestag. Für sein Amt habe er nur 150 bis 250 Euro pro Monat erhal- ten. Dennoch steht er jetzt in der Kritik, da er im Januar für die Unionsfraktion eine Rede im Parlament hielt, in der er einen von der Linkspartei geforderten Finanz-TÜV ablehnte, der Produkte des „grauen Kapitalmarktes“streng reglementieren sollte. Ullrich gehört dem Ausschuss für Verbraucherschutz an, der sich auch mit dem grauen Kapitalmarkt beschäftigt. Befindet sich der Abgeordnete wegen des früheren Jobs bei der Opalenburg in einem Interessenkonflikt?
Volker Ullrich sieht das nicht so. Er sagt, er habe damals als Rechtsanwalt gearbeitet, dabei Firmen beraten und in diesem Rahmen auch Aufsichtsrats- und Vorstandsämter bekleidet. Von möglichen dubiosen Praktiken beim Verkauf der Opa- habe er nichts gewusst. „Wenn es Beschwerden gegeben hätte, dann wäre ich dem natürlich umgehend nachgegangen“, sagt er. Die Verflechtungen zwischen Ullrich und der OpalenburgGruppe sind allerdings etwas enger. Denn er war nach Recherchen unserer Zeitung nicht nur Aufsichtsratschef der Opalenburg, sondern ab dem Jahr 2008 bis etwa 2010 in gleicher Funktion auch bei der MediusCard AG, einem Unternehmen, das sogenannte Prepaid-Kreditkarten aus Gibraltar ohne Schufa-Prüfung anbot. Ullrich bestätigt das auf Anfrage. Vorstand dieser AG war Franz M.* aus München. Er ist derselbe Mann, der zu der Zeit auch bei Opalenburg die Geschicke als Vorstand leitete. Und er war zugleich Geschäftsführer der Medius Exclusive GmbH, die die Produkte der Opalenburg mit offenbar fragwürdigen Methoden vertrieb.
Kritik an den Verkaufspraktiken von Medius gab es schon vor Jahren. 2009 berichtete der Münchner Merkur unter dem Titel: „Job versprochen, Versicherung bekommen.“Ein Studentin sagt in dem Bericht: „Ich sollte nur am Empfang arbeiten, trotzdem haben die mir ihre Finanzdienstleistungen angepriesen.“Einer Frau wurde demnach eine Festanstellung angeboten. Zuvor sollte sie aber Seminare besuchen und in einem mehrseitigen Fragebogen Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen machen. Und ein ExMitarbeiter wird so zitiert: „Die Leute sollten im Lauf der Schulunlenburg-Anlagen gen so begeistert werden, dass sie ihre eigenen Finanzdienstleistungen kündigen und neue abschließen – von Medius.“
Volker Ullrich sagt, er habe diesen Bericht bislang nicht gekannt. Auch ein Bericht des Magazins Focus aus dem Jahr 1995 sei ihm neu. Darin schildert eine Reporterin, wie Franz M. mit Seminaren Geschäfte machte, für die er mit einer Art Schneeballsystem warb. Das fragwürdige Vorgehen: Für eine Schulung wurden 5000 Euro an Kosten fällig. Wer aber weitere Teilnehmer warb, sollte pro Neueinsteiger 1000 Euro Prämie bekommen. Später ermittelte deshalb auch die Justiz.
Der Name von Franz M. taucht in dem Geflecht noch einmal auf. Seine Medius-Direkt AG arbeitete mit einem Augsburger Verein zusammen, der sich „Versicherungsersparnis“nennt. Das Ziel des Vereins: Durch den Zusammenschluss sollen Mitglieder an günstige Tarife kommen. Volker Ullrich wird auf der Internetseite als Fördermitglied genannt. Der Jahresbeitrag: 100 Euro. Zeitweise waren laut den Vereinsprotokollen an die 1500 Mitglieder registriert. Doch besonders erfolgreich
Der Politiker sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen
war das Projekt offenbar nicht. Der Verein schrumpfte in wenigen Jahren massiv. Zuletzt war noch von etwa 30 Mitgliedern die Rede.
Volker Ullrich entgegnet, er betrachte es als „unfair“, dass nun nur dieser Teil seiner beruflichen Vergangenheit im Fokus sei. Als Anwalt sei das sein Job gewesen. Er habe als Experte für Gesellschaftsrecht bei Firmengründungen, Restrukturierungen und Auflösungen mitgewirkt. Da sei es üblich, zeitweise selbst in den Firmen aktiv zu sein. Als Aufsichtsrat habe er aber mit dem operativen Geschäft nichts zu tun gehabt. Sein Fazit: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“Er habe auch viele andere Mandanten betreut, darunter Kleinanleger, mittelständische Firmen und Stiftungen. Seit er im Bundestag sitze, habe er bewusst keine Aufsichtsratsmandate angenommen, um „nur für den Bürger“agieren zu können.
Eines sagt er offen: Er habe durch seine Tätigkeit als Anwalt Einblicke erhalten, die ihn erst dazu gebracht hätten, sich als Politiker nun für eine stärkere Regulierung der Finanzbranche einzusetzen. Gewisse Freiheiten müsse es aber weiter geben: „Die Wirtschaft braucht auch Risikokapital, um neue Ideen umsetzen zu können.“*Name geändert