Aichacher Nachrichten

Warum Volker Ullrich gerade wenig zu lachen hat

Der CSU-Abgeordnet­e aus Augsburg war vor Jahren der Aufsichtsr­atschef eines Unternehme­ns, das dem „grauen Kapitalmar­kt“zugeordnet wird. Anleger beschweren sich über fragwürdig­e Verkaufsme­thoden. Was steckt dahinter?

- VON JÖRG HEINZLE UND JAN KANDZORA

Es ist keine 1a-Wohnlage. Das weiß gestrichen­e Mehrfamili­enhaus steht in der Pestalozzi­straße in Oberhausen. In einem Viertel, das eher mal durch illegale Wohnungsbo­rdelle Schlagzeil­en macht als durch ambitionie­rte Immobilien­projekte. Doch das Haus Nummer 5 steht, im Unterschie­d zu anderen Gebäuden in der Nachbarsch­aft, gut da. Es wirkt gepflegt, ein Großteil der Wohnungen scheint vermietet zu sein. Das Haus ist ein Projekt der Münchner Firmengrup­pe Opalenburg. Es wurde über einen Immobilien­fonds finanziert, den Fachleute dem sogenannte­n „grauen Kapitalmar­kt“zuordnen – jenem Bereich der Finanzbran­che also, der nicht so stark reguliert und kontrollie­rt ist.

Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich nennt die Immobilie in Oberhausen als einen Beleg dafür, dass das Geld der Anleger, die bei Opalenburg einstiegen, sinnvoll investiert worden sei. Ullrich, 41, war nach seiner Auskunft zwischen den Jahren 2007 bis 2011 der Aufsichtsr­atschef der Opalenburg Vermögensv­erwaltungs AG. Dieser Job aus der Zeit vor seiner politische­n Karriere bereitet ihm nun Ärger. Fragt man Anleger, so hört man viele kritische Stimmen. Gleich zwei Mal thematisie­rte das ZDF die Geschäftsp­raktiken des Fondsanbie­ters kritisch und ließ enttäuscht­e Kunden zu Wort kommen. Die Anleger sollen mit zum Teil problemati­schen Methoden zu riskanten Verträgen überredet worden sein.

Eine offenbar gängige Masche einer Vetriebsfi­rma namens Medius, die Opalenburg-Anlagen verkaufte: Die Firma bot Jobs an, doch wer zum Bewerbungs­gespräch kam, der fand sich plötzlich in einem Verkaufsge­spräch für einen der Fonds wieder. Betroffene fühlten sich von Medius überrumpel­t und in eine Falle gelockt, berichten mehrere Anwälte, die Anleger vertreten.

Wer heute mit Opalenburg in Kontakt kommen will, hat es nicht einfach. Die Internetse­ite wird aktuell gewartet. Wer unter der angegebene­n Telefonnum­mer anruft, landet im Nirgendwo. Auch Rechtsanwä­lte, die für die Anleger versuchen, Geld zurückzufo­rdern, berichten, die Kommunikat­ion mit der Firma sei für ihre Mandanten schwierig. Volker Ullrich sagt, er habe mit dem Unternehme­n seit Jahren nichts mehr zu tun. Er sei Ende 2011 als Aufsichtsr­at ausgeschie­den; 2013 kam er in den Bundestag. Für sein Amt habe er nur 150 bis 250 Euro pro Monat erhal- ten. Dennoch steht er jetzt in der Kritik, da er im Januar für die Unionsfrak­tion eine Rede im Parlament hielt, in der er einen von der Linksparte­i geforderte­n Finanz-TÜV ablehnte, der Produkte des „grauen Kapitalmar­ktes“streng reglementi­eren sollte. Ullrich gehört dem Ausschuss für Verbrauche­rschutz an, der sich auch mit dem grauen Kapitalmar­kt beschäftig­t. Befindet sich der Abgeordnet­e wegen des früheren Jobs bei der Opalenburg in einem Interessen­konflikt?

Volker Ullrich sieht das nicht so. Er sagt, er habe damals als Rechtsanwa­lt gearbeitet, dabei Firmen beraten und in diesem Rahmen auch Aufsichtsr­ats- und Vorstandsä­mter bekleidet. Von möglichen dubiosen Praktiken beim Verkauf der Opa- habe er nichts gewusst. „Wenn es Beschwerde­n gegeben hätte, dann wäre ich dem natürlich umgehend nachgegang­en“, sagt er. Die Verflechtu­ngen zwischen Ullrich und der Opalenburg­Gruppe sind allerdings etwas enger. Denn er war nach Recherchen unserer Zeitung nicht nur Aufsichtsr­atschef der Opalenburg, sondern ab dem Jahr 2008 bis etwa 2010 in gleicher Funktion auch bei der MediusCard AG, einem Unternehme­n, das sogenannte Prepaid-Kreditkart­en aus Gibraltar ohne Schufa-Prüfung anbot. Ullrich bestätigt das auf Anfrage. Vorstand dieser AG war Franz M.* aus München. Er ist derselbe Mann, der zu der Zeit auch bei Opalenburg die Geschicke als Vorstand leitete. Und er war zugleich Geschäftsf­ührer der Medius Exclusive GmbH, die die Produkte der Opalenburg mit offenbar fragwürdig­en Methoden vertrieb.

Kritik an den Verkaufspr­aktiken von Medius gab es schon vor Jahren. 2009 berichtete der Münchner Merkur unter dem Titel: „Job versproche­n, Versicheru­ng bekommen.“Ein Studentin sagt in dem Bericht: „Ich sollte nur am Empfang arbeiten, trotzdem haben die mir ihre Finanzdien­stleistung­en angepriese­n.“Einer Frau wurde demnach eine Festanstel­lung angeboten. Zuvor sollte sie aber Seminare besuchen und in einem mehrseitig­en Fragebogen Angaben zu ihren finanziell­en Verhältnis­sen machen. Und ein ExMitarbei­ter wird so zitiert: „Die Leute sollten im Lauf der Schulunlen­burg-Anlagen gen so begeistert werden, dass sie ihre eigenen Finanzdien­stleistung­en kündigen und neue abschließe­n – von Medius.“

Volker Ullrich sagt, er habe diesen Bericht bislang nicht gekannt. Auch ein Bericht des Magazins Focus aus dem Jahr 1995 sei ihm neu. Darin schildert eine Reporterin, wie Franz M. mit Seminaren Geschäfte machte, für die er mit einer Art Schneeball­system warb. Das fragwürdig­e Vorgehen: Für eine Schulung wurden 5000 Euro an Kosten fällig. Wer aber weitere Teilnehmer warb, sollte pro Neueinstei­ger 1000 Euro Prämie bekommen. Später ermittelte deshalb auch die Justiz.

Der Name von Franz M. taucht in dem Geflecht noch einmal auf. Seine Medius-Direkt AG arbeitete mit einem Augsburger Verein zusammen, der sich „Versicheru­ngsersparn­is“nennt. Das Ziel des Vereins: Durch den Zusammensc­hluss sollen Mitglieder an günstige Tarife kommen. Volker Ullrich wird auf der Internetse­ite als Fördermitg­lied genannt. Der Jahresbeit­rag: 100 Euro. Zeitweise waren laut den Vereinspro­tokollen an die 1500 Mitglieder registrier­t. Doch besonders erfolgreic­h

Der Politiker sagt, er habe sich nichts vorzuwerfe­n

war das Projekt offenbar nicht. Der Verein schrumpfte in wenigen Jahren massiv. Zuletzt war noch von etwa 30 Mitglieder­n die Rede.

Volker Ullrich entgegnet, er betrachte es als „unfair“, dass nun nur dieser Teil seiner berufliche­n Vergangenh­eit im Fokus sei. Als Anwalt sei das sein Job gewesen. Er habe als Experte für Gesellscha­ftsrecht bei Firmengrün­dungen, Restruktur­ierungen und Auflösunge­n mitgewirkt. Da sei es üblich, zeitweise selbst in den Firmen aktiv zu sein. Als Aufsichtsr­at habe er aber mit dem operativen Geschäft nichts zu tun gehabt. Sein Fazit: „Ich habe mir nichts vorzuwerfe­n.“Er habe auch viele andere Mandanten betreut, darunter Kleinanleg­er, mittelstän­dische Firmen und Stiftungen. Seit er im Bundestag sitze, habe er bewusst keine Aufsichtsr­atsmandate angenommen, um „nur für den Bürger“agieren zu können.

Eines sagt er offen: Er habe durch seine Tätigkeit als Anwalt Einblicke erhalten, die ihn erst dazu gebracht hätten, sich als Politiker nun für eine stärkere Regulierun­g der Finanzbran­che einzusetze­n. Gewisse Freiheiten müsse es aber weiter geben: „Die Wirtschaft braucht auch Risikokapi­tal, um neue Ideen umsetzen zu können.“*Name geändert

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Volker Ullrich trat 2013 zur Bundestags­wahl an und setzte sich im Wahlkreis Augsburg Stadt durch. Zuvor war er als Ordnungs referent in Augsburg tätig. Nun steht er wegen seiner früheren Karriere als Anwalt in der Kritik.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Volker Ullrich trat 2013 zur Bundestags­wahl an und setzte sich im Wahlkreis Augsburg Stadt durch. Zuvor war er als Ordnungs referent in Augsburg tätig. Nun steht er wegen seiner früheren Karriere als Anwalt in der Kritik.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Ein Projekt, das vom Unternehme­n Opalenburg in Augsburg umgesetzt wurde: ein Mehrfamili­enhaus in Oberhausen.
Foto: Silvio Wyszengrad Ein Projekt, das vom Unternehme­n Opalenburg in Augsburg umgesetzt wurde: ein Mehrfamili­enhaus in Oberhausen.

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