Aichacher Nachrichten

Der lange Kampf gegen den Terrorismu­s

Die Europäer behalten trotz verheerend­er islamistis­cher Anschläge kühlen Kopf. Der Rechtsstaa­t muss noch mehr für den Schutz der Bürger tun

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Paris, Brüssel, Nizza, Istanbul, London, Sankt Petersburg, Berlin, Stockholm: Der islamistis­che Terror, der Europa in immer kürzeren Abständen heimsucht, wird uns noch auf viele Jahre hinaus in Atem halten. Und selbst wenn das auf irakischem und syrischem Gebiet errichtete totalitäre Regime des „Islamische­n Staats“(IS) demnächst besiegt wird, so handelte es sich dabei allenfalls um einen Etappenerf­olg im Kampf gegen den im Namen Allahs verübten Terrorismu­s. Zu allem entschloss­ene „Gotteskrie­ger“werden weiter zuschlagen mit dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten und die verhassten Gesellscha­ften des Westens von innen heraus zu zermürben. Europa muss sich so oder so auf einen langen, Jahrzehnte währenden Abwehrkamp­f einstellen. Das gilt umso mehr, als der radikale, politische Islam in der muslimisch­en Welt selbst nicht energisch genug bekämpft wird und häufig keine glasklare Abgrenzung von jenen extremen Kräften erfolgt, die im Koran das ideologisc­he Rüstzeug für den Kampf gegen die „Ungläubige­n“zu finden glauben.

Viele Attentäter sind insofern „Einzelgäng­er“, als sie allein oder in kleinen Gruppen handeln. Doch alle stehen im Bann einer Ideologie, die auf der gewalttäti­gen Spielart des Islamismus beruht und insofern sehr wohl mit dem Islam zu tun hat – jedenfalls mit dem von einer kleinen Minderheit gepredigte­n Islam, der sich einer zeitgemäße­n, mit demokratis­chen Werten kompatible­n Interpreta­tion des Koran verweigert und religiöse Gebote über die von Menschen gemachten Gesetze stellt. Wer diese Ursache des Terrors ausblendet und das mörderisch­e Treiben nur auf die politische­n und sozialen Missstände im Mittleren Osten oder die Fehler des Westens zurückführ­t, betreibt Schönfärbe­rei und verniedlic­ht zudem jene Probleme, die mit muslimisch­en Parallelge­sellschaft­en in europäisch­en Großstädte­n einhergehe­n und die Integratio­n der Einwandere­r erschweren.

Die Bilder von Tod, Angst und Chaos, die nach jedem Anschlag die Welt überfluten und die Verwundbar­keit offener Gesellscha­ften demonstrie­ren, lösen Entsetzen und Mitleid mit den Opfern aus. Aber Europa hat gelernt, mit der furchtbare­n Bedrohung zu leben. Der blindwütig­e Terror hat seine Stoßrichtu­ng, ganze Gesellscha­ften zu destabilis­ieren, zum Glück verfehlt. Ob Pariser, Berliner oder Stockholme­r: Die Europäer reagieren, bei aller Sorge, mit kühlem Kopf und einiger Nervenstär­ke. Sie lassen sich ihr gewohntes Leben nicht nehmen. Das ist die richtige Reaktion. Selbstbewu­sste Gelassenhe­it angesichts der Gefahr ist das eine, die Wachsamkei­t des Rechtsstaa­ts das andere. Dem Staat obliegt es, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen und damit auch deren Freiheit zu sichern. Er kann nicht jedes Attentat verhindern. Doch er muss alles Menschenmö­gliche zum Schutz der Bürger tun – mit den Mitteln, die der liberale, nicht überreagie­rende Rechtsstaa­t hat.

Diese Mittel sind nicht ausgeschöp­ft. Der Fall des Berlin-Attentäter­s Amri, der das Asylrecht unter den Augen der Behörden systematis­ch missbrauch­te, hat die Schwachste­llen der Sicherheit­sarchitekt­ur schonungsl­os offengeleg­t. Daraus müssen Konsequenz­en gezogen werden. Die Liste der notwendige­n Maßnahmen reicht von einer besseren Kooperatio­n europäisch­er Sicherheit­sbehörden über ein verschärft­es Vorgehen gegen islamistis­che Hetze bis hin zur Abschiebeh­aft für bekannte „Gefährder“, deren Asylanträg­e abgelehnt wurden. Dringend nötig sind auch der Schutz der EU-Außengrenz­en und das Aufspüren untergetau­chter, unkontroll­iert ins Land gelangter Islamisten. Die angekündig­te „Neujustier­ung der Sicherheit­spolitik“(Seehofer) duldet keinen Aufschub.

Der Fall Amri erfordert Konsequenz­en

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