Der lange Kampf gegen den Terrorismus
Die Europäer behalten trotz verheerender islamistischer Anschläge kühlen Kopf. Der Rechtsstaat muss noch mehr für den Schutz der Bürger tun
Paris, Brüssel, Nizza, Istanbul, London, Sankt Petersburg, Berlin, Stockholm: Der islamistische Terror, der Europa in immer kürzeren Abständen heimsucht, wird uns noch auf viele Jahre hinaus in Atem halten. Und selbst wenn das auf irakischem und syrischem Gebiet errichtete totalitäre Regime des „Islamischen Staats“(IS) demnächst besiegt wird, so handelte es sich dabei allenfalls um einen Etappenerfolg im Kampf gegen den im Namen Allahs verübten Terrorismus. Zu allem entschlossene „Gotteskrieger“werden weiter zuschlagen mit dem Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten und die verhassten Gesellschaften des Westens von innen heraus zu zermürben. Europa muss sich so oder so auf einen langen, Jahrzehnte währenden Abwehrkampf einstellen. Das gilt umso mehr, als der radikale, politische Islam in der muslimischen Welt selbst nicht energisch genug bekämpft wird und häufig keine glasklare Abgrenzung von jenen extremen Kräften erfolgt, die im Koran das ideologische Rüstzeug für den Kampf gegen die „Ungläubigen“zu finden glauben.
Viele Attentäter sind insofern „Einzelgänger“, als sie allein oder in kleinen Gruppen handeln. Doch alle stehen im Bann einer Ideologie, die auf der gewalttätigen Spielart des Islamismus beruht und insofern sehr wohl mit dem Islam zu tun hat – jedenfalls mit dem von einer kleinen Minderheit gepredigten Islam, der sich einer zeitgemäßen, mit demokratischen Werten kompatiblen Interpretation des Koran verweigert und religiöse Gebote über die von Menschen gemachten Gesetze stellt. Wer diese Ursache des Terrors ausblendet und das mörderische Treiben nur auf die politischen und sozialen Missstände im Mittleren Osten oder die Fehler des Westens zurückführt, betreibt Schönfärberei und verniedlicht zudem jene Probleme, die mit muslimischen Parallelgesellschaften in europäischen Großstädten einhergehen und die Integration der Einwanderer erschweren.
Die Bilder von Tod, Angst und Chaos, die nach jedem Anschlag die Welt überfluten und die Verwundbarkeit offener Gesellschaften demonstrieren, lösen Entsetzen und Mitleid mit den Opfern aus. Aber Europa hat gelernt, mit der furchtbaren Bedrohung zu leben. Der blindwütige Terror hat seine Stoßrichtung, ganze Gesellschaften zu destabilisieren, zum Glück verfehlt. Ob Pariser, Berliner oder Stockholmer: Die Europäer reagieren, bei aller Sorge, mit kühlem Kopf und einiger Nervenstärke. Sie lassen sich ihr gewohntes Leben nicht nehmen. Das ist die richtige Reaktion. Selbstbewusste Gelassenheit angesichts der Gefahr ist das eine, die Wachsamkeit des Rechtsstaats das andere. Dem Staat obliegt es, für die Sicherheit der Bürger zu sorgen und damit auch deren Freiheit zu sichern. Er kann nicht jedes Attentat verhindern. Doch er muss alles Menschenmögliche zum Schutz der Bürger tun – mit den Mitteln, die der liberale, nicht überreagierende Rechtsstaat hat.
Diese Mittel sind nicht ausgeschöpft. Der Fall des Berlin-Attentäters Amri, der das Asylrecht unter den Augen der Behörden systematisch missbrauchte, hat die Schwachstellen der Sicherheitsarchitektur schonungslos offengelegt. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Die Liste der notwendigen Maßnahmen reicht von einer besseren Kooperation europäischer Sicherheitsbehörden über ein verschärftes Vorgehen gegen islamistische Hetze bis hin zur Abschiebehaft für bekannte „Gefährder“, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Dringend nötig sind auch der Schutz der EU-Außengrenzen und das Aufspüren untergetauchter, unkontrolliert ins Land gelangter Islamisten. Die angekündigte „Neujustierung der Sicherheitspolitik“(Seehofer) duldet keinen Aufschub.
Der Fall Amri erfordert Konsequenzen