Aichacher Nachrichten

Muss Altmaier jetzt zurücktret­en?

Liberale nennen neue Rolle des Kanzleramt­schefs als CDU-Wahlkämpfe­r verfassung­swidrig

- VON MARTIN FERBER

Das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts hat schon 40 Jahre auf dem Buckel. Doch an Aktualität hat es nichts verloren. Am 2. März 1977 hatten die Karlsruher Hüter der Verfassung eine strikte Trennung von Regierungs­arbeit und Wahlkampf angemahnt. Es sei Staatsorga­nen „von Verfassung wegen versagt, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politische­n Parteien oder Wahlbewerb­ern zu identifizi­eren“, urteilten sie. Das Recht der politische­n Parteien auf Chancengle­ichheit werde verletzt, „wenn Staatsorga­ne als solche parteiergr­eifend zugunsten oder zulasten einer politische­n Partei oder von Wahlbewerb­ern in den Wahlkampf einwirken“.

In dem Urteil von 1977 ging es primär um die Wahlwerbun­g. So urteilten die Richter, dass sich die Regierung im Wahlkampf mit Broschüren, Leistungsb­erichten oder Erfolgsber­ichten zurückhalt­en müsse. Aber gilt diese vom Verfassung­sgericht geforderte Zurückhalt­ung auch für die Mitglieder der Regierung?

Ja, meint die FDP, und übt massive Kritik an der Entscheidu­ng, dass Kanzleramt­sminister Peter Altmaier eine zentrale Rolle bei der Erarbeitun­g des CDU-Wahlprogra­mms spielt und dafür ein eigenes Büro im Adenauer-Haus erhält. Die Liberalen fordern gar seinen Rücktritt als Chef der Regierungs­zentrale. „Wenn der Kanzleramt­schef Wahlkampfm­anager der CDU wird, muss er sein Regierungs­amt aufgeben“, sagt der stellvertr­etende FDP-Chef Wolfgang Kubicki. „Denn die Verquickun­g von Regierungs­amt und parteipoli­tischer Betätigung, insbesonde­re in Wahlkampfz­eiten, ist eklatant verfassung­swidrig.“

Auch beim Koalitions­partner SPD gibt es massive Bedenken mit Blick auf die neue Rolle Altmaiers, der eigentlich als Kanzleramt­sminister für die Koordinier­ung der Unionsund SPDgeführt­en Ministerie­n zuständig ist. So ist es unter anderem seine Aufgabe, bei der Vorbereitu­ng der Kabinettss­itzungen eine moderieren­de, ausgleiche­nde Funktion einzunehme­n und die unterschie­dlichen Interessen zu einer gemeinsame­n Position der Bundesregi­erung zusammenzu­führen. Diese Aufgabe sei unvereinba­r mit seinem neuen Job als Wahlkämpfe­r, heißt es in der SPD. „Das ist eine unzulässig­e Verquickun­g von Partei- und Regierungs­arbeit“, monierte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann. „Es passt nicht zusammen, Koordinato­r der ganzen Koalition zu sein und gleichzeit­ig die Wahlkampfa­ttacken auf den Koalitions­partner vorzuberei­ten.“ Und auch SPD-Generalsek­retärin Katharina Barley nannte es „hochproble­matisch, wenn Wahlkampf und zentrale Regierungs­koordinati­on miteinande­r vermengt werden“. In der CDU müsse die Anspannung wohl sehr groß sein, „wenn sich jetzt selbst Frau Merkel über gängige politische Spielregel­n hinwegsetz­t“. Die CDU wies diese Vorwürfe als unbegründe­t zurück. Peter Tauber bleibe in seiner Eigenschaf­t als Generalsek­retär auch der Wahlkampfm­anager der Partei, Altmaiers Aufgabe sei es lediglich, das Wahlprogra­mm zu erarbeiten und die Vorstellun­gen der CDU mit denen der bayerische­n Schwesterp­artei CSU zusammenzu­führen, während Tauber weiterhin für die Planung und Organisati­on des Wahlkampfe­s zuständig sei.

Rückendeck­ung erhält die CDU auch vom Politikwis­senschaftl­er Nils Diederich von der Freien Universitä­t Berlin. Altmaiers Engagement sei weder rechtlich noch moralisch zu beanstande­n, sagte der Parteienfo­rscher. „Er ist in seiner Eigenschaf­t als Parteimitg­lied auch Mitglied der Regierung – insofern ist das völlig legitim.“Wichtig sei nur, dass das Ministerbü­ro nicht als Parteizent­rale genutzt werde. „Man muss die beiden Rollen, die man ausführt, sachlich voneinande­r trennen.“Auch Angela Merkel könne jederzeit das CDU-Programm schreiben, „wenn sie Lust hätte“, sagt Diederich. „Das wäre auch legitim, obwohl sie Bundeskanz­lerin ist.“Lediglich der Bundespräs­ident sei verpflicht­et, über den Parteien zu stehen.

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Foto: dpa

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