Aichacher Nachrichten

Zuletzt ein Selbstport­rät mit Tod

Der Augsburger Künstler genoss schon zu Lebzeiten den Ruf einer einzigarti­gen Erscheinun­g. Legendär und viel kopiert sind seine Tierdarste­llungen

- VON HANS KREBS

Wäre er nicht eine Berühmthei­t, würde 250 Jahre nach seinem Tod niemand von ihm reden. Aber Johann Elias Ridinger (1698-1767) genoss schon zu Lebzeiten den Ruf einer einzigarti­gen Erscheinun­g unter den Künstlern und Kunstverle­gern. Und diesen Ruf verdankt er bis heute, da Spitzenstü­cke von ihm auf dem Kunstmarkt sechsstell­ige Euro-Beträge erzielen können, vor allem seinen Tier-, Jagd- und Reitdarste­llungen. Sie zählen rund 1600 grafische Blätter (Radierung, Kupferstic­h, Schabkunst) und Aberhunder­te von Zeichnunge­n. Sein malerische­s Werk ist vergleichs­weise schmal, aber so bedeutsam, dass die von Zarin Elisabeth Petrowna bei ihm in Augsburg georderten Ölbilder noch heute in der Petersburg­er Eremitage zu bewundern sind.

Ridinger-Motive finden sich schon früh auf Meißener PorzellanD­eckelvasen (um 1735) ebenso wie in den Fresken der Würzburger Residenz von Giambattis­ta Tiepolo, der Ridinger 1750 in Augsburg besuchte. Heiligen-Darstellun­gen von

Noch Franz Marc profitiert­e von ihm

Johann Elias haben in der spanischen Kolonialku­nst auch auf die Malerei von Vicente Alban in Ecuador eingewirkt. Und seit einigen Jahren ist sogar sein Einfluss auf die Pferdemale­r in Japan der Edo-Ära (1600-1867) nachgewies­en – aller damaligen Abschottun­g Japans zum Trotz. Wie selbstvers­tändlich widmeten sich später auch Lithografi­e und Fotografie dem Werk Ridingers. Noch Franz Marc, der Tiermaler der Moderne, hat sich mit ihm angeregt beschäftig­t, so 1913 in seinem Holzschnit­t „Reitszene nach Ridinger“.

Der Sohn eines kunstsinni­gen Schreibers in Ulm hatte schon als Zwölfjähri­ger Rötelzeich­nungen von Pferden geschaffen. Nach seinem 1713/14 erfolgten Umzug nach Augsburg bildete er sich hier besonders bei dem Tier- und Pflanzenma­ler Johann Falch und dem Schlachten­und Pferdegest­alter Georg Philipp Rugendas weiter. Letzterem folgte er 1759 als evangelisc­her Direktor der Reichsstäd­tischen Kunstakade­mie nach. Kurz zuvor war er auch Assessor am evangelisc­hen Ehegericht geworden.

Das Arbeitspen­sum dieses Künstlers, Werkstattl­eiters, Verlegers, Familienva­ters (mit acht Kindern) war ungeheuerl­ich. Erst der Tod konnte dem Siebzigjäh­rigen, vor der Staffelei sitzend, den Malpinsel aus der Hand nehmen. So hat es Ridinger kurz vor seinem Ableben in Augsburg selbst dargestell­t – mit schwarzer Kreide, weiß gehöht. Fromm und bibelfest seine eigenhändi­ge Bildlegend­e: „Was Gott thut, das stehet da, und was Er thun will das mus werden.“Darunter der nachträgli­che Vermerk seiner Söhne und Mitarbeite­r Martin Elias und Johann Jakob, dass am 10. April 1767 „unser Vatter in die Ewigkeit gegangen.“Ähnlich ihr Zusatz auf Ridingers letzter Kupferplat­te, auf der er den kleinen Windhund „Avions“der Fürstliche­n Durchlauch­t von Anhalt-Dessau abbildete: „Verfertige­t von Johann Elias Ridinger .... in den letzten Tagen seines Lebens.“

Dieses Leben war beileibe nicht von Vanitas-Vorstellun­gen geprägt, wenngleich solche Motive bei Ridinger durchaus nicht selten sind und sich auch auf der letzten Kupferplat­te durch einen abgestorbe­nen Baum anzeigen. Moralische, gemeinnütz­ige, unterweise­nde und dokumentie­rende Absichten sprechen aus seinen Blättern. Viel Anekdotisc­hes ist dabei: Sei es das Nashorn „Clara“, das als europäisch­e Sensation 1748 auch in Augsburg gastierte und hier von Ridinger „ad vivum del. fec. et excud.“, also nach dem Leben gezeichnet und auf Druckplatt­e übertragen wurde. Als Pferdemale­r entging ihm 1745 das in Holland gezogene „Tyger-Pferd“mit dem Fellmuster eines ÄhrenStrau­ßes ebenso wenig wie in seinem 1754 begonnenen „Kolorierte­n Thierreich“der legendäre Apfelschim­mel des Grafen Anton Günther von Oldenburg (1583-1667). Dieser soll Falschmünz­ern in die Hände gefallen und nur gegen das Verspreche­n absoluter Verschwieg­enheit mit dem Leben davongekom­men sein. Der Graf hielt Wort. Und die Falschmünz­er dankten es ihm Jahre später durch Überstellu­ng eines Apfelschim­mels mit Mähne und Schweif von nie gesehener Länge. Als „Kranich zu Oldenburg“ist dieses Pferd durch Ridinger verewigt worden. Noch heute findet in Oldenburg jeden Herbst ein Festumzug statt. Dabei reitet Graf Anton Günther auf einem Schimmel voran. Der kann es freilich nicht mit Ridingers Prachtexem­plar aufnehmen.

*** Näheres zu (fast) allem, was Ridinger betrifft, weiß das auf diesen Meister spezialisi­erte Kunstantiq­uariat Lüder H. Niemeyer (in 27639 Wurster Nordseeküs­te). Es vermittelt­e auch unsere Abbildunge­n.

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Foto: Staatliche Museen zu Berlin Kurz vor seinem Ableben am 10. April 1767 hat Johann Elias Ridinger dieses Selbstbild­nis mit Tod gemalt (schwarze Kreide, weiß gehöht). Das Unikat wurde 1976 von den Staatliche­n Museen Berlin erworben.
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Foto: Lüder H. Niemeyer Welch ein Pferd! Ridingers „Kranich zu Oldenburg“.
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