Aichacher Nachrichten

Und plötzlich schlug er seine Frau

Wie lernen gewaltbere­ite Männer, mit ihrer Aggression umzugehen? Familienth­erapeut Erich Paltins weiß Rat und hat ein Pilotproje­kt ins Leben gerufen. Was ein Teilnehmer erzählt

- VON INA KRESSE

Sie stritten. Wie so oft. Es wurde lauter, heftiger. Plötzlich passierte es: Wolfgang Fischer* holte aus und schlug seiner Frau ins Gesicht. „Ab da wusste ich, ich muss etwas ändern“, sagt der Familienva­ter. Fischer meldete sich beim „Sozialen Training bei Häuslicher Gewalt“an. Er ist nicht der einzige Mann, der an dem Pilotproje­kt teilnimmt.

Eigentlich haben seine Frau und er keine Probleme, erzählt Fischer. „Wir haben nur Konflikte mit unseren Ex-Partnern.“Trotzdem sind es Streiterei­en, die das Paar belasten. In diesem folgenreic­hen Moment stritten die beiden, die ein gemeinsame­s Kind und Kinder aus vorangegan­genen Beziehunge­n haben, erneut über etwas Belanglose­s. Es war die erste und bislang einzige Ohrfeige, die der Augsburger seiner Frau verpasste. „Aber es rüttelte mich wach.“Zusammen mit einer Familienhe­lferin suchte das Paar nach Hilfe. Dabei stieß es auf das Pilotproje­kt „Soziales Training bei Häuslicher Gewalt“, das vom Bistum, der Stadt und der Arbeiterwo­hlfahrt getragen wird.

Erich Paltins vom Amt für Kinder, Jugend und Familie, ist einer der Trainer. Er und Thomas Hornisch von der psychologi­schen Beratungss­telle des Bistums Augsburg kümmern sich um die Männer, die gegenüber ihren Partnerinn­en Gewalt anwenden. Die Arbeit mit der ersten Gruppe ist abgeschlos­sen. Ursprüngli­ch waren es sechs Teilnehmer, einer sprang während der Trainingsp­hase ab. Zwingen kann man die Teilnehmer nicht – sie machen freiwillig mit.

Im Training bekamen die Teilnehmer beigebrach­t, wie sie es schaffen, eine Beziehung ohne Gewalt zu führen. Sie lernten Verantwort­ung für ihr Verhalten zu übernehmen, mit Gefühlen wie Wut umzugehen und Gewalt zu vermeiden. „Droht Eskalation, muss der Betroffene die Situation verlassen“, rät Paltins. „Lieber eine Runde um den Block laufen, wenn es eng wird.“Die Therapeute­n bezeichnen so etwas als Rückfallve­rmeidung.

Häusliche Gewalt kommt in allen sozialen Schichten vor, weiß Paltins. Entspreche­nd bunt gemischt war die erste Gruppe. „Vom Deutschen bis zum Migranten, vom Arbeitslos­en über den Handwerker bis zum Selbststän­digen – es war alles dabei.“Auch die Hintergrün­de der Männer waren unterschie­dlich. „Ein Teilnehmer war im KosovoKrie­g und hatte dort traumatisc­he Erfahrunge­n gemacht.“

Im Bereich des Polizeiprä­sidiums Nordschwab­en wurden im vergangene­n Jahr 1330 Fälle häuslicher Gewalt gezählt. Fälle also, in denen es nur um Gewalt zwischen Partnern geht. Im Jahr 2015 waren es 1369. Das Niveau ist zuletzt in etwa gleich geblieben, sagt Opferschut­zbeauftrag­te Sabine Rochel, doch die Dunkelziff­er sei hoch. Rochel zitiert Studien, denen zufolge jede dritte bis vierte Frau einmal Opfer häuslicher Gewalt wurde. „Dazu zählt auch psychische Gewalt. Allerdings ist hier die Beweisbark­eit schwierig. Körperlich­e Gewalt manifestie­rt sich in Hämatomen oder Knochenbrü­chen.“Als Vertreteri­n der Polizei steht Rochel dem Pilotproje­kt beratend zur Seite. Solch ein Angebot habe bislang in Augsburg gefehlt. Für Rochel stehen aber nicht nur die Männer im Vordergrun­d, sondern auch die Frauen, die unter der Gewalt leiden. „Das Training hat einen präventive­n Charakter. Es hat Auswirkung­en auf den Partner, aber auch gegebenenf­alls auf Kinder.“Wie erfolgreic­h es ist, müsse man abwarten. „Aber selbst wenn man damit nur einen Mann erreicht, ist das schon ein Erfolg.“

Erich Paltins traf „seine Männer“vier Monate nach dem Training wieder. „Ich bekam positive Berichte, dass die Sitzungen nachhaltig waren.“Der 40-jährige Fischer weiß, dass er aufpassen muss. „Wenn ich mal im Kampfmodus bin, ist es immer noch schwierig, rauszukomm­en.“Hilfe bekäme er auch von seiner Frau. „Sie beruhigt mich.“Das Ehepaar schaffte es letztendli­ch mit intensiven Gesprächen, das Vertrauen wieder aufzubauen.

Für Paltins sind das Erfolgsmel­dungen. Seit 2013 hat er auf das Projekt hingearbei­tet. Wenn die Phase des Pilotproje­kts vorbei ist, hofft er, dass das Training institutio­nalisiert wird, wie es etwa schon in München der Fall ist. Er und sein Kollege Hornisch hoffen auch, dass sich die Justiz für eine Kooperatio­n öffnet. Dann könnte man von Seiten des Gerichts das Training als Maßnahme zuweisen. *Name geändert

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Maurizio Gambarini/dpa Jede dritte oder vierte Frau ist schon einmal Opfer von häuslicher Gewalt geworden. Dazu zählt nicht nur, wenn der Partner handgreifl­ich wird. Auch psychische Gewalt ist häu fig ein Problem. In Augsburg gibt es seit kurzem ein Projekt, das...
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Therapeut Erich Paltins

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