Auf dem musikalischen Schlachtfeld
Das Schwäbische Jugendsinfonieorchester bewegte sich auf den Spuren von Wagnerianern und Brahminen
Martialisch ausgedrückt führte Allan Bergius das Schwäbische Jugendsinfonieorchester auf ein legendäres „Schlachtfeld“. Die „Zukunftsmusiker“gegen die Traditionalisten, das war im 19. Jahrhundert der Zwist zwischen Wagnerianer und Brahminen. Es waren nicht so sehr die Meister selbst, die in den Ring traten, sondern die streitlustigen Anhängertruppen. Egal: Das Programm des Nachwuchsensembles für sein nachösterliches Frühjahrskonzert mit Werken von Wagner, Liszt und Brahms war eine farbige und anregende Angelegenheit. Das Konzert in der Stadthalle Gersthofen, das mehr Besucher verdient hätte, wurde heftig applaudiert.
Das erste „Wort“in der musikalischen Begegnung hatte Richard Wagner. Die Ouvertüre zu „Tannhäuser“mit ihren drastischen Wechselbädern zwischen keuschernster Ritterschaft mit dem Pilgerchor und der süßen Venus-Verlockung gestalteten die in stattlicher Besetzung auftretenden jungen Musiker mit bewundernswert präzisem Klangsinn. Hier schon konnte sich neben den Streichern der Bläserapparat gut in Szene setzten.
Mindestens ebenso viel abverlangt wurde dem Orchester im Werk der „Neudeutschen“, in Franz Liszts seltener gespieltem 2. Klavierkonzert A-Dur, wo es scheinbar „nur“Begleitfunktion hat. Aber die ineinander gehenden Satzabschnitte, die von lyrischen Ruhepunkten, weihevoller Melodik bis zum explodierenden Spuk reichen und in komplizierter Verzahnung mit dem Solisten stattfinden, bedürfen höchster Aufmerksamkeit – und einen souveränen Lenker wie Allan Bergius am Pult. Dass der großartige Solist, der 32-jährige in St. Petersburg geborene Miroslav Kultyshev, am Ende seinem Orchester anerkennenden Respekt zollte, sagt viel. Er ist ein Pianist mit magischer Technik und der Fähigkeit, Liszts kontrastreiche Gefühlswelten zwischen sinnlichem Zauber, heldischen Posen und dem hitzigen Spuk einer imaginären Walpurgisnacht mit Starkstrom aufzuladen. Der Tastenzauberer, der indes einen brillanteren Flügel verdient hätte, bedankte sich mit Chopins rauschender Grande Valse.
Nach der Pause war als scheinbarer Gegenpol Johannes Brahms zur Stelle. Die 1. Sinfonie c-Moll verrät den starken Bezug zum Vorbild Beethoven, den ja auch Liszt als Urvater des neuen Klavierspiels vergötterte. Die aus düsteren Repetitionen und chromatischen Spannunnächsten gen aufgebauten Themenentwicklungen des 1. Satzes wurden von Bergius und dem Orchester stark herausgearbeitet; die Innigkeit des Andante mit dem in hohen Regionen verschwebenden Solo der tüchtigen Konzertmeisterin und das zarte Allegretto kamen gut akzentuiert. Der dramatisch vorbereitete Aufschwung des an Beethovens Neunte gemahnenden Finalsatzes ließ in Phasen den Kräfteverbrauch der jungen Künstler durch das anspruchsvolle Programm spüren, doch mit bewundernswerter Spannung wurde das Werk zu Ende geführt. Verdienter Applaus-Jubel für Schwabens Musiknachwuchs.