Aichacher Nachrichten

Vive le Dax!

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Der Finanzwirt­schaft und insbesonde­re der Börse wird allerlei Böses nachgesagt. Von Gier, Skrupellos­igkeit, Maßlosigke­it, Raubtiertu­m, ja völliger Amoralität ist immer wieder die Rede. Manchmal stimmt das auch, schließlic­h geht es um die maximale Geldvermeh­rung in möglichst kurzer Zeit.

Doch hin und wieder strafen Aktionäre ihre Kritiker Lügen. Der gestrige Tag fiel so aus. Aus Sicht von Anlegern war es eine Sternstund­e. Denn der Deutsche Aktieninde­x erreichte einen Rekordwert.

In diesen Stunden sind auf wunderbare Weise ehrenwerte politische Motive mit dem die Börse dominieren­den Gewinnstre­ben eine formidable Liaison eingegange­n. Denn am Montag war der Dax ein Franzose. Und deswegen sei an dieser Stelle der Ausruf „Vive le Dax!“erlaubt. Der Aktieninde­x soll hochleben, nicht nur, weil so viele Anleger glauben, dass sie mit den 30 Werten des Börseninde­x künftig noch mehr Geld machen können. Ein Jubelschre­i scheint vor allem angemessen zu sein, da die Börsianer aus Freude über den Ausgang der ersten Runde der französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en dem Dax Flügel verliehen haben. Die dahinterst­eckende Logik ist simpel: Nationalis­mus, Protektion­ismus, AntiEuropä­ertum und Euro-Feindlichk­eit, also alles Ideologien von vorgestern, die Marine Le Pen verkörpert, sind Aktionären ein Graus.

Weil Anleger jetzt aber glauben, dass der liberale und europafreu­ndliche Bewerber Emmanuel Macron in der zweiten Runde die rechtsextr­eme Le Pen hinter sich lässt, ist der Dax durch die Decke gegangen. Ein Sieg der Front-National-Frontfrau wäre eine Katastroph­e für Europa, den Euro und die mit der französisc­hen eng verflochte­ne deutsche Wirtschaft. Der Dax ist ein Europäer und kein vaterlands­loser Geselle. So viel Moral hätten ihm viele nicht zugetraut.

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