Vive le Dax!
Der Finanzwirtschaft und insbesondere der Börse wird allerlei Böses nachgesagt. Von Gier, Skrupellosigkeit, Maßlosigkeit, Raubtiertum, ja völliger Amoralität ist immer wieder die Rede. Manchmal stimmt das auch, schließlich geht es um die maximale Geldvermehrung in möglichst kurzer Zeit.
Doch hin und wieder strafen Aktionäre ihre Kritiker Lügen. Der gestrige Tag fiel so aus. Aus Sicht von Anlegern war es eine Sternstunde. Denn der Deutsche Aktienindex erreichte einen Rekordwert.
In diesen Stunden sind auf wunderbare Weise ehrenwerte politische Motive mit dem die Börse dominierenden Gewinnstreben eine formidable Liaison eingegangen. Denn am Montag war der Dax ein Franzose. Und deswegen sei an dieser Stelle der Ausruf „Vive le Dax!“erlaubt. Der Aktienindex soll hochleben, nicht nur, weil so viele Anleger glauben, dass sie mit den 30 Werten des Börsenindex künftig noch mehr Geld machen können. Ein Jubelschrei scheint vor allem angemessen zu sein, da die Börsianer aus Freude über den Ausgang der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen dem Dax Flügel verliehen haben. Die dahintersteckende Logik ist simpel: Nationalismus, Protektionismus, AntiEuropäertum und Euro-Feindlichkeit, also alles Ideologien von vorgestern, die Marine Le Pen verkörpert, sind Aktionären ein Graus.
Weil Anleger jetzt aber glauben, dass der liberale und europafreundliche Bewerber Emmanuel Macron in der zweiten Runde die rechtsextreme Le Pen hinter sich lässt, ist der Dax durch die Decke gegangen. Ein Sieg der Front-National-Frontfrau wäre eine Katastrophe für Europa, den Euro und die mit der französischen eng verflochtene deutsche Wirtschaft. Der Dax ist ein Europäer und kein vaterlandsloser Geselle. So viel Moral hätten ihm viele nicht zugetraut.