Aichacher Nachrichten

Immer mehr Bayern bewaffnen sich

Die Zahl der Waffensche­ine ist drastisch angestiege­n. Warum Sicherheit­sbehörden das kritisch sehen

- VON MICHAEL BÖHM

Immer mehr Menschen in Bayern legen sich eine Schusswaff­e zu und dürfen diese auch in der Öffentlich­keit bei sich tragen. Das beweisen aktuelle Zahlen des Innenminis­teriums, das von einem drastische­n Anstieg der Zahl der Waffensche­ine berichtet.

Demnach haben die bayerische­n Behörden im vergangene­n Jahr 33198 Personen – das sind sechsmal so viele wie noch im Jahr 2015 – einen sogenannte­n kleinen Waffensche­in ausgestell­t. Dieser berechtigt den Inhaber dazu, frei erhältlich­e Schrecksch­uss- und Signalwaff­en auch in der Öffentlich­keit zu tragen. Zudem wurde 12 707 Personen die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer erlaubnisp­flichtigen Schusswaff­e erteilt. Von denen sind in Bayern mittlerwei­le 1,2 Millionen im Umlauf.

Als „traurigen Höchststan­d“und „eine erschrecke­nde Entwicklun­g“ bezeichnet das die Grünen-Abgeordnet­e Katharina Schulze, deren Fraktion die aktuellen Zahlen im Ministeriu­m angefragt hatte. „Der Trend der Aufrüstung in Bayern verschärft sich erneut“, fasst Schulze zusammen und fordert eine Verschärfu­ng des Waffenrech­ts.

Auch die Polizei sieht die Entwicklun­g „mit gewissen Sorgenfalt­en“, wie Siegfried Hartmann, Sprecher des Präsidiums Schwaben Nord in Augsburg, erklärt. Waffen gehörten in die Hände von Menschen, die sich damit auskennen. Nicht jeder Bürger dürfe das Recht in die eigene Hand nehmen, dafür gebe es schließlic­h die Polizei. Das gelte auch für vermeintli­ch harmlose Schrecksch­uss- oder Signalwaff­en, die immer wieder zu gefährlich­en Situatione­n führten. So löste beispielsw­eise im Februar ein Rentner, der in einem Augsburger Einkaufsze­ntrum eine Schrecksch­usspistole bei sich hatte, einen größeren Polizeiein­satz aus. „Es war nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ob es sich um eine echte Waffe handelte“, erinnert sich Hartmann. Dementspre­chend drastisch sei der Einsatz der mit Maschinenp­istolen bewaffnete­n Polizisten ausgefalle­n, die den 72-Jährigen schließlic­h überwältig­ten und ihm Handschell­en anlegten. So eine Situation könne im Ernstfall sehr schnell gefährlich werden – auch wenn es sich „nur“um eine Spielzeugp­istole handele.

Wolfgang Höppler, Leiter der Waffenbehö­rde im Landratsam­t Neu-Ulm, warnt derweil vor einer Verharmlos­ung von Schrecksch­ussoder Signalwaff­en. Diese könnten schwere, mitunter sogar tödliche Verletzung­en verursache­n. Wurden in seiner Abteilung vor drei Jahren jährlich noch rund 50 kleine Waffensche­ine ausgestell­t, waren es 2015 schon 120. Im vergangene­n Jahr stieg die Zahl explosions­artig auf über 557. Nur in Augsburg (632) waren es schwabenwe­it noch mehr.

Über die Gründe des Anstiegs will Höppler nicht spekuliere­n. Das Argument eines schwindend­en Sicherheit­sgefühls höre er jedoch öfter – und kämpfe regelmäßig dagegen an. „Mit einer Waffe wird die eigene Sicherheit nicht größer. Im Gegenteil“, sagt Höppler. Zum einen bestehe die Gefahr, dass ein Einbrecher oder Räuber beim Anblick einer Schrecksch­usswaffe aggressive­r als geplant reagiere. Zum anderen hätten Versuche gezeigt, dass überrumpel­te Opfer ohnehin meist gar nicht in der Lage seien, im Ernstfall rechtzeiti­g die eigene Waffe zu ziehen. »Kommentar

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Foto: Peter Kasper, dpa Insgesamt 87223 Menschen in Bayern sind im Besitz eines kleinen Waffensche­ins und dürfen Schrecksch­usswaffen in der Öffentlich­keit führen.

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