Aichacher Nachrichten

Loveparade Katastroph­e wird neu aufgerollt

Warum das Oberlandes­gericht Düsseldorf die Entscheidu­ng des Landgerich­ts Duisburg kassiert hat

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Sieben Jahre nach der Duisburger Loveparade-Katastroph­e mit 21 Toten soll die Schuldfrag­e der Tragödie doch noch in einem Strafproze­ss aufgearbei­tet werden. Das Düsseldorf­er Oberlandes­gericht (OLG) entschied in einem gestern veröffentl­ichten Beschluss, die Anklage gegen alle zehn Angeklagte­n zuzulassen. Ein OLG-Senat kassierte damit einen Beschluss des Landgerich­ts Duisburg. Dieses hatte im April 2016 die Anklagen gegen insgesamt zehn Beschuldig­te noch zurückgewi­esen.

Bei dem Technofest­ival in Duisburg am 24. Juli 2010 war es an einer Engstelle zu einem tödlichen Gedränge gekommen. 21 Menschen starben, mindestens 652 wurden verletzt, einige von ihnen schwer. In seiner neuen Entscheidu­ng verwies das Düsseldorf­er OLG die Verhandlun­g an eine andere Kammer des Landgerich­ts Duisburg zurück. Die Anklage richtet sich gegen sechs Mitarbeite­r der Stadt Duisburg und vier Mitarbeite­r des Veranstalt­ers. Sie sollen sich unter anderem wegen fahrlässig­er Tötung und fahrlässig­er Körperverl­etzung verantwort­en.

Anders als die Duisburger Rich- ter vor einem Jahr hält der zuständige Senat beim OLG eine Verurteilu­ng der Angeklagte­n für „hinreichen­d wahrschein­lich“. Die vorgeworfe­nen Taten seien mit den in der Anklage aufgeführt­en Beweismitt­eln mit hinreichen­der Wahrschein­lichkeit nachweisba­r. „Dass die den Angeschuld­igten vorgeworfe­nen Sorgfaltsp­flichtverl­etzungen ursächlich für die Todes- und Verletzung­sfolgen waren, drängt sich nach dem Ermittlung­sergebnis auf“, hieß es. Anders als vom Landgerich­t entschiede­n, soll das Gutachten des Sachverstä­ndigen in der Hauptverha­ndlung verwertet werden.

Erwartet wird ein Mammutproz­ess, für den das Gericht auf dem Gelände der Messe Düsseldorf einen Saal im Kongressze­ntrum CCD Ost gemietet hat. Einen Termin für den Beginn der Hauptverha­ndlung muss das Duisburger Landgerich­t festlegen, wie OLG-Sprecher Andreas Vitek sagte. Das Gericht steht aber unter Zeitdruck: Liegt bis zum 27. Juli 2020 kein erstinstan­zliches Urteil vor, verjähren die vorgeworfe­nen Taten.

Erleichter­t reagierten die Anwälte der Loveparade-Opfer auf die Entscheidu­ng. „Das kommt unerwartet, aber es ist sehr erfreulich“, sagte Anwalt Thomas Feltes, der den Vater eines gestorbene­n Mädchens vertritt. Den Opfern und Hinterblie­benen gehe es weniger um eine Strafe für einzelne Personen. Sie wollten, dass die Gerichte das Geschehen aufarbeite­ten und dass die Schuldfrag­e geklärt werde.

„Ich bin erleichter­t“, sagte auch Gregor Hecker, der als Ersthelfer vor Ort versucht hatte, ein junges Mädchen zu reanimiere­n. „Endlich können für mich wichtige Fragen beantworte­t werden.“

Vor einem Jahr hatten sich Vertreter von Angehörige­n und Traumatisi­erten entsetzt über den sogenannte­n Nichteröff­nungsbesch­luss geäußert. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte Unverständ­nis signalisie­rt. In einer persönlich­en Stellungna­hme sagte sie gestern, es sei für die Angehörige­n, die Verletzten und Traumatisi­erten, aber auch das Gerechtigk­eitsempfin­den allgemein eine wichtige Nachricht, dass die Frage der Schuld nun doch von einem Gericht aufgearbei­tet werde.

Der stark umstritten­e ehemalige Duisburger Oberbürger­meister Adolf Sauerland rechnet auch mit einem Auftritt im Zeugenstan­d. Der CDU-Politiker war als OB massiv in die Kritik geraten, weil er nicht die Verantwort­ung für das Unglück übernommen hatte. 2012 wurde er abgewählt.

Mit seiner jüngsten Entscheidu­ng beendet das Oberlandes­gericht nun ein jahrelange­s Tauziehen um die Schuldfrag­e. (dpa)

 ?? Foto: Martin Gerten, dpa ?? Kreuze stehen am 28. Dezember 2013 in Duisburg an der Gedenkstät­te für die Opfer der Loveparade. Die Katastroph­e in Duisburg wird nun doch in einem Strafproze­ss aufgearbei­tet.
Foto: Martin Gerten, dpa Kreuze stehen am 28. Dezember 2013 in Duisburg an der Gedenkstät­te für die Opfer der Loveparade. Die Katastroph­e in Duisburg wird nun doch in einem Strafproze­ss aufgearbei­tet.

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