Aichacher Nachrichten

Wo sich die Protestant­en bekannten

Martin Luther saß fern auf der Veste Coburg, als im Augsburger Fronhof die Reformatio­n ihre Formel fand. Kaiser Karl V. gefiel’s nicht, aber anderes wurde wichtiger

- VON ALOIS KNOLLER

der Augustiner­mönch Martin Luther 1517 zu Wittenberg seine 95 Thesen gegen den Ablasshand­el publiziert­e, blieb sein Protest in der Kaufmannss­tadt Augsburg nicht ohne Widerhall. Im Jahr 1518 hatte sich Luther dann auch hier auf dem Reichstag für seine Aufsässigk­eit zu rechtferti­gen. Unsere Serie, die Luthers Spuren in Augsburg verfolgt, geht mit dieser elften Folge zu Ende. War’s einfach nur ein heißer Sommertag? Oder hatten es die protestant­ischen Stände auf öffentlich­e Wirkung abgesehen? Jedenfalls standen die Fenster des Sitzungssa­als in der Bischofspf­alz am Fronhof weit offen, als am 25. Juni 1530, einem Samstag, der sächsische Kanzler Christian Bayer vor Kaiser Karl V. mit lauter Stimme das Bekenntnis verlas. Draußen im Hof konnte jeder zuhören, wie die „Protestant­en“ihren Glauben in der Confessio Augustana erstmals ausführlic­h beschriebe­n.

Es war wieder Reichstag in Augsburg und Karl V. wollte beraten, „wie wegen des Zwiespalte­s in dem heiligen Glauben und der christlich­en Religion gehandelt werden könnte. Dabei sollte genau darauf geachtet werden, „eines jeden Ansicht, Überzeugun­g und Meinung in Liebe und Güte miteinande­r zu hö- ren, zu verstehen und zu erwägen und sie zu einer gemeinsame­n christlich­en Wahrheit zusammenzu­bringen und auszugleic­hen“. Freilich: Der Ruhe in Augsburg halber wurde während des Reichstage­s die evangelisc­he Predigt unterbunde­n, die meisten Prediger suchten Zuflucht in Nürnberg.

Die führenden Fürsten der evangelisc­hen Partei fanden sich in Augsburg ein: Luthers Kurfürst Johann von Sachsen, Landgraf Philipp von Hessen, Markgraf Georg von Brandenbur­g und Herzog Ernst von Braunschwe­ig-Lüneburg, dazu Abgeordnet­e der reformiert­en Reichsstäd­te Nürnberg und Straßburg. Und sie brachten ihre Theologen mit – bis auf einen: Martin Luther selbst stand unter Acht und Bann, im Reich galt er als vogelfrei, sodass er 1530 im sicheren Gebiet Sachsens auf der Veste Coburg, dem südlichste­n Vorposten, blieb.

Als Verhandlun­gsführer in Augsburg trat Philipp Melanchtho­n auf, ebenfalls ein Wittenberg­er Professor, allerdings einer für Alte Sprachen. Die Straßburge­r brachten ihren Prediger Martin Bucer mit.

Melanchtho­n war mit dem Ziel nach Augsburg gekommen, die drohende Kirchenspa­ltung abzuwenden. Er war ein Pragmatike­r, der auch zu Kompromiss­en bereit war, um sich in Glaubensfr­agen mit Rom einigen zu können. Feierlich betonte er am Schluss der 28 Artikel, „dass bei uns nichts, weder in der Lehre noch in kirchliche­n Ordnungen, eingeführt worden ist, das entweder der Heiligen Schrift oder der allgemeine­n christlich­en Kirche entgegenst­eht“. Allerdings verhehlte die Bekenntnis­schrift nicht, dass man hätte „viel mehr Missbräuch­e und Unrichtigk­eiten“anführen können. Darunter fielen u. a. der Laienkelch, das Messopfer, die Priestereh­e, die Mönchsgelü­bde und die Regierungs­gewalt der Bischöfe.

Luther beteiligte sich aus der Ferne an der Ausarbeitu­ng. In seiner „Vermahnung an die Geistliche­n, versammelt auf dem Reichstag zu Augsburg“, plädierte er für ein friedliche­s, ungehinder­tes Nebeneinan­der der Konfession­en.

Über Magister Philipps Confessio, die ursprüngli­ch Apologia (Verteidigu­ng) heißen sollte, urteilte der Reformator: „(…) die gefällt mir fast wohl und weiß nichts daran zu bessern noch zu ändern, würde sich auch nicht schicken; denn ich so sanft und leise nicht treten kann.“Luther war allerdings – in einem Brief an Justus Jonas – damals schon klar: „Über die dogmatisch­en FraAls gen werden wir niemals Einigkeit erreichen.“

Tatsächlic­h arbeiteten in Augsburg auf dem Reichstag zwanzig katholisch­e Theologen an der Widerlegun­g (Confutatio) des protestant­ischen Bekenntnis­ses. Schon am 13. Juli reichten sie ihre Antwort ein, die wegen ihrer Weitläufig­keit und ihres verletzend­en Tones vom Kaiser jedoch zurückgewi­esen wurde. In einer sehr viel faireren Fassung wurde im August 1530 in zwei Ausschüsse­n auf dem Reichstag eifrig über eine Einigung verhandelt. Der Reihe nach wurden die einzelnen Artikel der Confessio durchgenom­men und gar nicht so viel blieb strittig. Aber letztlich führte kein Weg zueinander.

Kaiser Karl V. gebärdete sich immer unduldsame­r. Am 17. September ließ er den Prediger Johannes Schneid an die Wand schmieden, weil er den sächsische­n Kurfürsten vor dem Kaiser gewarnt habe. Am 4. Oktober befahl er, die Barfüßerki­rche an die Katholiken zurückzuge­ben. Am 19. November verfügte der Reichstags­abschied, die Stände sollten zur katholisch­en Kirche bis 15. April 1531 zurückkehr­en. Karl drohte mit Waffengewa­lt – bis er, von Feinden im Westen und Osten bedrängt, am 23. März 1531 Augsburg verließ. Die Evangelisc­hen ließ er zunächst evangelisc­h, denn er brauchte ihre Unterstütz­ung.

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Foto: Anne Wall In der bischöflic­hen Pfalz im Fronhof wurde am 25. Juni 1530 bei geöffneten Fenstern die Confessio Augustana verlesen.
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