Aichacher Nachrichten

Der Streit spitzt sich zu

Künstler Gunter Demnig lehnt einen Kompromiss­vorschlag der Stadt ab. Der Kulturrefe­rent pocht weiterhin auf einen Stadtratsb­eschluss

- VON EVA MARIA KNAB

Eigentlich war ein Kompromiss geplant: Am Donnerstag, 4. Mai, sollten zwölf von der Stadt genehmigte Stolperste­ine auf Augsburger Straßen und Plätzen verlegt werden, die an Opfer des Nationalso­zialismus erinnern. Doch nun will der Kölner Künstler Gunter Demnig, der hinter der Aktion steht, aus Protest auch noch Platzhalte­r-Steine verlegen. Sie sollen für weitere acht Stolperste­ine stehen, die beantragt, aber von der Stadt bislang nicht genehmigt sind. Das kündigte Demnig gegenüber unserer Zeitung an.

Der Künstler ist mit Vorgaben des Stadtrates nicht einverstan­den, die für die Verlegung der Stolper- gelten. Zum einen geht es darum, wie an Opfer des Nationalso­zialismus erinnert wird, die lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs starben. Demnig verlegt Stolperste­ine in vielen anderen Kommunen auch für Verfolgte, die das Naziregime überlebt haben. Oder für Kinder, die ihren Eltern von den Nazis weggenomme­n wurden, für Verfolgte, die das Konzentrat­ionslager überlebt haben, oder für Menschen, die unter Hitler fliehen mussten. Demnig hält eine Einschränk­ung des Opferbegri­ffs für nicht zulässig.

In Augsburg gilt jedoch die Regelung, dass Stolperste­ine nur für Opfer stehen sollen, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs starben, so Kulturrefe­rent Thomas Weitzel. Er verweist auf einen entspreche­nden Stadtratsb­eschluss, der von allen Beteiligte­n mitgetrage­n worden sei – auch von der „Initiative Stolperste­ine“. Danach sollen eben nicht alle NS-Opfer auf eine Stufe gestellt werden, so der Kulturrefe­rent. Mit dieser Lösung wolle man auch „dem Eindruck einer inflationä­ren Verlegungs­praxis von Stolperste­inen vorbeugen“.

Für umstritten­e Fälle hat der Kulturrefe­rent inzwischen einen Kompromiss vorgeschla­gen, der Nachkommen und Opfer-Initiative­n entgegenko­mmen soll. Ein Beispiel: Die Familie Pröll war im Widerstand gegen den Nationalso­zialismus vereint. Fritz und Alois Pröll, die im KZ ermordet wurden, sollen deshalb eigene Stolperste­ine bekommen. Zusätzlich soll ein sogenannte­r Kopfstein mit den Namen aller verfolgten Familienmi­tglieder verlegt werden. Demnig will aber auch dieser Lösung nicht zustimmen: „Dieser faule Kompromiss mit den Kopfsteine­n kommt für mich nicht infrage“, teilte der Bildhauer unserer Zeitung mit. Und wie geht es nun weiter?

Weitzel pocht darauf, dass es bei der Stolperste­in-Aktion am 4. Mai keine künstleris­chen Alleingäng­e geben dürfe. „Auch für Demnig gilt die Beschlussl­age.“Im öffentlich­en Raum dürften nur die von der Stadt genehmigte­n Steine verlegt werden. Zudem habe Demnig selbst in einem anderen Fall von NS-Opfern einen zusätzlich­en Kopfstein vorgeschla­steine gen und konzipiert, und zwar für das jüdische Ehepaar Oberdorfer. Im Fall der Familie Pröll seien Nachkommen mit dieser Lösung ebenfalls einverstan­den, sagt Weitzel. „Für uns geht es um eine gute Lösung mit den Angehörige­n, nicht um die Lösung eines künstleris­chen Problems.“

Was bei der Aktion am 4. Mai passieren wird, ist derzeit offen. Weitzel führte am Montag weitere Gespräche. Sollte der mühsam gefundene Kompromiss nicht halten, kündigte Weitzel an, den Streitfall erneut in den Stadtrat zu bringen.

Die Stolperste­ine werden am Donnerstag, 4. Mai, verlegt. Start ist um 9 Uhr in der Maximilian­straße. Am selben Tag sollen auch die ersten Erin nerungsbän­der angebracht werden, als alternativ­e Form des Gedenkens an NS Opfer.

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 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? Künstler Gunter Demnig verlegte im Jahr 2014 bereits Stolperste­ine auf Privatgrun­d. Sie erinnern in der Peutingers­traße an Hans und Anna Adlhoch.
Archivfoto: Anne Wall Künstler Gunter Demnig verlegte im Jahr 2014 bereits Stolperste­ine auf Privatgrun­d. Sie erinnern in der Peutingers­traße an Hans und Anna Adlhoch.

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