War es nicht sein erster tödlicher Unfall?
Schöffengericht verurteilt Verursacher der tödlichen Kollision bei Gundelsdorf 2016 zu über zwei Jahren Haft. Laut Nebenklage-Vertreterin war der 63-Jährige möglicherweise an zwei weiteren tödlichen Unfällen beteiligt
Gestern ging am Schöffengericht Aichach der Prozess gegen einen 63-Jährigen aus dem nördlichen Landkreis zu Ende. Nach Überzeugung des Gerichts hatte er am 25. Januar 2016 einen Unfall auf der Staatsstraße 2035 bei Gundelsdorf (Pöttmes) verursacht, bei dem ein 31-Jähriger ums Leben kam. Das Gericht unter Vorsitz von Richterin Eva-Maria Kraus sprach ihn der fahrlässigen Tötung, fahrlässigen Körperverletzung und vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig. Es verhängte eine Haftstrafe von zwei Jahren, zwei Monaten und einer Woche. Außerdem erhält der Angeklagte frühestens in drei Jahren und acht Monaten den Führerschein zurück.
Verteidiger Andreas Schröger erklärte gestern, sein Mandant verzichte wegen gesundheitlicher Probleme freiwillig auf die Fahrerlaubnis. Der Angeklagte ergriff nur am Schluss das Wort. Er wandte sich an den Bruder des Opfers, der als Nebenkläger am Prozess teilnahm. Er entschuldigte sich noch einmal – und dann rutschte ihm ein Satz heraus, der wesentlich mehr verriet, als ihm bewusst war. Der 63-Jährige sagte über den Unfall an der Doppelkurve bei Gundelsdorf, er habe einen Blackout gehabt. „Ich komme da normal locker mit 100 durch“, so der Angeklagte. An der Unfallstelle sind jedoch nur 80 Stundenkilometer erlaubt. 462 Meter vorher, so ermittelte der Unfallgutachter, weisen Schilder auf das Tempolimit und die gefährliche Kurve hin. Am Unfalltag war der Angeklagte laut Gutachter mit 102 bis 108 Stundenkilometern unterwegs und überholte an der Stelle zwei Fahrzeuge vor ihm.
Richterin Eva-Maria Kraus entging der bezeichnende Satz des Angeklagten nicht: „Das zeigt, dass er nicht zum ersten Mal so schnell gefahren ist.“Sie erinnerte daran, dass er zwölf Tage vor dem tödlichen Unfall einen weiteren Zusammenstoß mit einem Rollerfahrer in Pöttmes verursacht hatte. Die Richterin war fassungslos: „Nur zwölf Tage später fahren Sie mit so einer Geschwindigkeit an so einer Stelle!“Mit seinem Urteil wolle das Gericht zeigen, dass es eine derart riskante Raserei nicht dulde. Schon in der Vergangenheit war der Angeklagte mehrfach mit den Verkehrsregeln in Konflikt geraten. So wurde er vor drei Jahren außerorts mit 148 statt erlaubter 120 Stundenkilometer erwischt. Er musste 160 Euro Geldbuße bezahlen und erhielt ein einmonatiges Fahrverbot. Währenddessen setzte er sich trotzdem ans Steuer, was ihm eine Geldstrafe einbrachte.
Staatsanwalt Franz Wörz hielt ihm erhebliche charakterliche Mängel vor und resümierte: „Weder die Geldbuße noch das Fahrverbot noch die Geldstrafe noch der Unfall vom 13. Januar 2016 konnten den Angeklagten zu einem verantwortungsvollen Umgang motivieren.“Wörz forderte wie Anja Seitz-Dembinsky, die die Nebenklage vertrat, eine Haftstrafe, während der Verteidiger auf Freispruch wegen Schuldunfähigkeit plädierte.
Seitz-Dembinsky sorgte für Raunen unter den Zuhörern, als sie Gerüchte über den Angeklagten aufgriff: In Pöttmes sei es ein offenes Geheimnis, dass dieser Unfall nicht der erste mit tödlichem Ausgang sei, an dem er beteiligt gewesen sei, sondern der dritte. Belege habe sie allerdings nicht, räumte sie ein. Im Bundeszentral- und Verkehrsregister seien die Taten schon gelöscht.
Nach Recherchen unserer Zeitung stand der Angeklagte zumindest schon einmal 1981 wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Augsburg. Grund war ein Unfall, der am 18. März 1980 auf der Staatsstraße 2035 an der Landkreisgrenze bei Walda (Ehekirchen, Kreis Neuburg-Schrobenhausen) passierte. Dabei kam eine 54-jährige Mutter von vier Kindern ums Leben.
Dem damaligen Dekra-Unfallgutachten zufolge, das unserer Zeitung vorliegt, überholte der Angeklagte bei abendlicher Dunkelheit einen Postlastzug. Dabei erfasste er die Frau, die links mehr als einen Meter neben der Straße mit ihrer 14-jährigen Tochter zu Fuß ging. Die Mutter starb, die Tochter erlitt mittelschwere, der Autofahrer leichtere Verletzungen.
Er schleuderte laut dem Unfallgutachten nach der Kollision mit der Frau über die Straße, kam nach rechts von der Fahrbahn ab und überschlug sich. Das Gutachten geht davon aus, dass er mindestens 130 Stundenkilometer fuhr – an einer Stelle, an der nicht einmal 100 erlaubt waren. Auch ein noch höheres Tempo könne nicht ausgeschlossen werden, heißt es in dem damaligen Unfallgutachten. Einige Faktoren seien zugunsten des Angeklagten sehr niedrig angesetzt worden.
Zwischen den Unfällen von 1980 und 2016 gibt es also verhängnisvolle Parallelen: Beide geschahen auf der Staatsstraße 2035 – nur zehn Kilometer voneinander entfernt. Beide Male fuhr der Angeklagte zu schnell. Beide Male geschah der Unfall, als er überholte. Beide Male kamen Unschuldige ums Leben.
Strafrechtlich fällt der Unfall von 1980 nicht mehr ins Gewicht, da er zu lange her ist. Seitz-Dembinsky griff die Gerüchte über ihn und einen weiteren, an dem der Angeklagte beteiligt gewesen sein soll, dennoch auf: „Den Angehörigen (des 2016 Getöteten, Anm. d. Red.) wäre es schwer vermittelbar, wenn wir sagen, das würdigen wir nicht.“
Nebenklage Vertreterin greift Gerüchte auf. Nach Recherchen unserer Zeitung ist zumindest ein Teil wahr.
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