Mieter packt beim Auszug Eigentum des Vermieters mit ein
Bei der Durchsuchung der neuen Wohnung findet die Polizei die Gegenstände. Warum Amtsrichter Walter Hell trotzdem die Arbeit der Beamten kritisiert
Eine ziemlich unglaubwürdige Geschichte tischte gestern nicht nur aus Sicht der Staatsanwaltschaft der Angeklagte vor dem Aichacher Amtsgericht auf. Den Vorwurf, er habe aus dem Haus seines Vermieters Gegenstände gestohlen, stritt der 37-jährige Angeklagte ab. Er lebte bis September 2016 im nördlichen Landkreis. Die Frage, ob es sich in diesem Fall um einen besonders schweren Diebstahl handelte, ließ sich vor Gericht nicht klären. Dafür gab es von Amtsrichter Walter Hell deutliche Kritik an der Ermittlungsarbeit.
Mehrere Seiten lang war das Manuskript, von dem der Angeklagte seine Sicht der Dinge ablas. Angefangen mit dem Hinweis, dass eines seiner beiden Kinder schwer krank sei über seine diversen Besuche beim Mieterschutzbund bis zur Feststellung, dass er nichts gestohlen habe. Es war die Zusammenfassung eines Mietverhältnisses im nördlichen Landkreis, das anscheinend gut begann, sich aber bald verschlechterte. Der Angeklagte kritisierte unter anderem, dass er das Haus in einem schmutzigen Zustand übernommen habe und alles voller Möbel stand. Deswegen stellte er nicht nur die Mietzahlungen ein, sondern nahm auch Kontakt mit dem Mieterschutzbund auf. Ein Anwalt schrieb daraufhin an den Vermieter, dass er das Haus zu räumen habe. Als der mit einem Helfertrupp anrückte, um das zu tun, kam es zum Streit mit dem Mieter. Die Helfer hätten auch seine Sachen herausgetragen und weggeworfen, erklärte der 37-jährige Angeklagte vor Gericht den Grund für den Streit.
Die herbeigerufene Polizei stellte sich auf die Seite des Mieters und sprach ein Hausverbot gegen den Vermieter aus. „Ich durfte mein Haus nicht mehr betreten“, sagte der Vermieter vor Gericht aus. Er stellte deshalb einige Gegenstände in der Garage unter und schloss sie ab. Sechs Monate später, nach dem Aus- zug des Mieters, bemerkte der Vermieter, dass unter anderem die Gefriertruhe, die Klimaanlage, ein Heizpilz oder ein TV-Reck und Soundsystem für ein Heimkino fehlten.
Bei einer Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei die meisten der vermissten Gegenstände in der neuen Wohnung des Angeklagten. Er habe sie entweder vom Vermieter geschenkt bekommen oder beim Ausräumen aus dem Müll gefischt, behauptete der 37-Jährige. Bei der Durchsuchung entdeckte der Vermieter noch weitere Gegenstände, die er bis dahin noch gar nicht vermisst hatte. Seine erste Vermutung war gewesen, dass der 37-Jährige das Schloss der Garage aufgebrochen habe. Bei der Polizei zeigte der Vermieter Fotos von einem verkratzten Schloss. Dem war die Polizei jedoch ebenso wenig nachgegangen wie seiner Überlegung, dass der Angeklagte über ein Fenster von einer Garage in die andere gelangt sein könnte. Richter Hells Kommentar dazu: „Es wäre Aufgabe der Polizei gewesen, Einbruchsspuren festzustellen. Ein gewalttätiges Vorgehen wurde von der Polizei einfach nicht ermittelt.“Kathrin Lesiak, Vertreterin der Staatsanwaltschaft, hielt die Version des Angeklagten für eine „relativ unglaubhafte Geschichte“. Sie sprach sich für eine einjährige Bewährungsstrafe aus. Aus Sicht von Verteidiger Sven Gröbmüller war trotz Beweisaufnahme nicht geklärt worden, woher die Gegenstände kommen. Auch er kritisierte, dass die Polizei die Aussagen des Vermieters nicht überprüft hatte: „Es ist möglicherweise zu wenig ermittelt worden.“Gröbmüller forderte Freispruch für seinen Mandanten.
Richter Hell war jedoch davon überzeugt, dass der Angeklagte die Gegenstände gestohlen hatte. Er verurteilte ihn wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 40 Euro (3200 Euro). Der Angeklagte zum Richter: „Ich habe nichts gestohlen. Ich schwöre das mit der Hand auf dem Herzen.“