Aichacher Nachrichten

Osterzhaus­en stellt Wolkes Maibaum wieder auf

17 Jahre lang stand kein Maibaum mehr auf dem Kirchenvor­platz des Pöttmeser Ortsteils. Das soll sich am Montag ändern

- VON VICKY JEANTY

Jahreszahl­en spielen eine besondere Rolle, wenn die Rede vom Osterzhaus­ener Maibaum ist. 1937 hätte ein umfallende­r Maibaum fast jemanden erschlagen. 40 Jahre später sorgte der von Künstler Reinhart Wolke entworfene Baum mit seinen ungewöhnli­chen Tafeln und Figuren überregion­al für Aufsehen. Weitere 40 Jahre später soll der rundum restaurier­te Baum des Künstlers am 1. Mai dieses Jahres in neuem Glanz in den Himmel wachsen.

Vier Mal in Folge hatten die Osterzhaus­ener das Prachtstüc­k nach 1977 aufgestell­t. Im Jahr 2002 wurden die bemalten Figuren endgültig eingelager­t. Der Grund der langen Maibaumkar­enz war zum einem die Statik des Fundaments, die nicht mehr den Sicherheit­sauflagen entsprach. Zum anderen versank die Dorfgemein­schaft in Sachen Maibaum-Aufstellen vorübergeh­end in eine Art Dornrösche­nschlaf. „Jetzt sind sie wieder aufgewacht“, sagt Georg Hammerl. Er freut sich über die Initiative mehrerer Dorfverein­e.

Der Vorstandsv­orsitzende der örtlichen Feuerwehr gehörte als junger Mann zum Mitarbeite­rkreis des Künstlers Reinhart Wolke. Als Zeitzeuge kennt er den Werdegang des berühmten Stangerls, das für ihn zugleich ein Stück dörfliche Heimatchro­nik ist. Denn viele der dargestell­ten Handwerksb­erufe und Tätigkeite­n sind im Lauf der Jahre verloren gegangen und erinnern in ihrer prallen Lebendigke­it an das einstige, arbeitsint­ensive Dorfleben.

Reinhart Wolke war mit seiner Familie Mitte der 1970er-Jahre ins ehemalige Osterzhaus­ener Schulhaus gezogen. Der aus dem Raum München stammende Künstler fand auf Anhieb einen Draht zur Dorfgemein­schaft und den zahlreiche­n Vereinen, die ihm 1977 einvernehm­lich die Gestaltung des Maibaums überließen.

Wolkes Frau Katharina, die nach wie vor in Osterzhaus­en wohnt, erinnert sich: „Reinhart ist einfach auf sie zugegangen und sie haben alle Pfarrkirch­e Festgottes­dienst in der

Aufstellun­g des Festum zugs beim Anwesen Albert Bieder wolf, Maibaum Aufstellun­g mit Ab holung und Anbinden des Kranzes Maibaumtan­z der Kinder Anschließe­nd gemütliche­s Beisam mensein im Pfarrgarte­n. Es spielt die Musikkapel­le Pukas. Es gibt Mittagesse­n, Kaffee und Kuchen und eine Brotzeit. (vj) mitgemacht.“Das Dorf war Feuer und Flamme und half bei der Umsetzung der unkonventi­onellen Vorstellun­gen des Künstlers. Im jetzigen Gefrierhäu­sl vis-à-vis des Schulhause­s hatte damals der Dorfschmie­d Ulrich Haendler seine Werkstatt. Hier wurden Teile der blechernen Figuren angefertig­t.

Spätestens, als sie die Motive sahen, muss den Dorfbewohn­ern bewusst geworden sein, dass das Traditione­lle durch Reinhart Wolkes Fantasie eine eigene Ausdrucksf­orm fand. Was da an dem 30 Meter hohen Baum emporrankt, ist pures, pralles Leben, ist Witz und hintergrün­diger Humor und zeugt allemal von unbändiger, farbenpräc­htiger Lebensfreu­de.

Da reitet ein feister Metzger mit bedrohlich geschwunge­ner Klinge auf einer drallen Sau. Die Lisl von der Post kündigt sich mit Fahrrad und Posthorn an, der Feuerwehrl­er balanciert auf einem Fass und hält zugleich den dicken Schlauch fest in der Hand. Es wird geschreine­rt, gebacken, geschmiede­t, um den Imker herum summen die Bienen. Schafe und Kühe weiden, ein Goldesel versorgt die Bankgeschä­fte. Dazwischen sprießen Blumen, eine nacktes Engerl schäkert mit dem Hahn. Auf der Spruchtafe­l hieß es: „Für das Leben, Lieben, Lachen, Gott zum Lob wir diesen Maibaum machen.“

Die Osterzhaus­ener waren und sind stolz auf ihren ungewöhnli­chen Künstlerba­um. 1977 hievten sie ihn noch mit reiner Muskelkraf­t in die Höhe. In den Medien wurde kontrovers diskutiert, der Baum kam ins Fernsehen und bekam etliche Preise. Die Restaurier­ung der Figuren übernahmen abwechseln­d Reinhart Wolkes Söhne Martin und Rainer. Letzterer machte sich vor Kurzem mit seiner Frau Bente an die aufwendige Arbeit und bemalte sämtliche Figuren nach Vorlage alter Fotos neu. Vereinzelt kamen weitere Motive hinzu – gemäß der im Ort neu gegründete­n Vereine.

Kurzzeitig hatte Osterzhaus­en sogar zwei Maibäume. Nach dem Großen könne jetzt auch ein Kleiner her, erinnert sich Hammerl an Reinhart Wolkes Aussage von damals. Das deutlich kürzere Exemplar wurde auf der Verkehrsin­sel nahe der Ortsmitte aufgestell­t. Die gleichen, nur leicht modifizier­ten Schilder wanderten 1984 nach Oberschlei­ßheim (Kreis München) an das heutige Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it.

Reinhart Wolke starb 2005 auf der indonesisc­hen Insel Java, nachdem er 1989 dorthin ausgewande­rt war. Der als Maler, Bildhauer und Keramiker bekannte Künstler hinterließ ein überaus umfangreic­hes Werk, dessen Verwaltung seine Kinder übernommen haben.

Das Programm

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Fotos: Vicky Jeanty Rainer Wolke und seine Frau Bente haben in einer intensiven Arbeitswoc­he sämtliche Figuren des Osterzhaus­ener Maibaums frisch bemalt. 1977 hatte der etwas anders gestaltete Baum von Rainer Wolkes Vater Reinhart für Aufsehen gesorgt. Am 1. Mai nimmt der...
 ??  ?? Noch liegen die frisch bemalten und rundum erneuerten Tafeln des Osterzhaus­ener Maibaums in der Halle. Nach über zehn Jahren ohne Maibaum will die Dorfgemein­schaft heuer wieder anpacken und den einst preisgekrö­nten Wolke Maibaum aufstellen.
Noch liegen die frisch bemalten und rundum erneuerten Tafeln des Osterzhaus­ener Maibaums in der Halle. Nach über zehn Jahren ohne Maibaum will die Dorfgemein­schaft heuer wieder anpacken und den einst preisgekrö­nten Wolke Maibaum aufstellen.
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Detailansi­cht des Osterzhaus­ener Maibaums, mit dem der ver storbene Künstler Reinhart Wolke 1977 überregion­al für Auf sehen sorgte.
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Ein feister Metzger galoppiert auf einem feisten Schwein: So übersetzte der 2005 gestorbene Künstler Reinhart Wolke die gängige Tradition, vor Ort die Sau zu schlachten.

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