Aichacher Nachrichten

Hör mal, wo es schwäbelt

Unterhalts­am, bildlich, grob – so sind sie, die Dialekte Bayerns. Wer sich davon selbst überzeugen möchte, kann das mit einem sprechende­n Sprachatla­s tun, der jetzt erweitert wurde

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Wer Sommerspro­ssen hat, dem zieren „Kuckucksch­ecken“das Gesicht – zumindest in Niederbaye­rn. Wer dort in Hemd und Hose schlüpft, zieht sich sein „Gwambs“an, während Westschwab­en im Schrank lieber nach dem „Häß“greifen. Regionsübe­rgreifend finden Kinder Küken recht süß, mit dem Unterschie­d, dass sie sich in Schwaben über „Biberle“freuen, in Niederbaye­rn über „Singerl“.

So schön Bayerns Dialekte sind – sie sind teils vom Aussterben bedroht. Damit der Klang der Wörter nicht verloren geht, gibt es den „sprechende­n Sprachatla­s“der Bayerische­n Staatsbibl­iothek. Das Projekt dokumentie­rt seit 2006 Redensarte­n im Freistaat und sammelt diese nicht nur schriftlic­h, sondern auch akustisch. Gewährsleu­te aus den verschiede­nen Regionen Bayerns sprechen diverse Begriffe und Redewendun­gen so ein, wie sie es in ihrer Heimat gewohnt sind. Es entsteht dabei ein Archiv von Wörtern, die sich seit Jahrhunder­ten geformt und an bestimmten Orten gefestigt haben. Die Universitä­t Passau hat ihre Sammlung nun ergänzt und online zur Verfügung gestellt: 6000 Tondokumen­te aus insgesamt 207 niederbaye­rischen und 22 tschechisc­hen Orten.

Wer sich durch die Tondokumen­te klickt, kann sich prächtig amüsieren – so sagt man in Oberund Niederbaye­rn nicht Schluckauf, sondern „Schnaggla“, und in Unterfrank­en „Schlückser“. Wer sich im angrenzend­en Oberfranke­n verletzt und sich eine Beule am Kopf zuzieht, hat „a Dallen“oder ein „Horn“– in Niederbaye­rn jedoch einen „Dübel“. Besonders heftig trifft es die, die in der Oberpfalz im Frühling Sommerspro­ssen bekommen, denn zu den frechen Flecken sagt man hier „Kühdreck“– das ist immer noch besser als in Mittelfran­ken, hier heißen sie: „Rotzmuggen“.

Laut Horst Münzinger, Vorsitzend­er des Fördervere­ins Bairische Sprache und Dialekte, steht es schlecht um die bayerische­n Dialekte: „Sie werden flacher und gehen meist in Regiolekte über, Mundarten also, die in größeren Dialekträu­men geredet und verstanden werden. Sehr bedenklich, leider aber auch zutreffend, dass die Unesco 2009 die bairische Sprache auf die Liste der gefährdete­n Sprachen gesetzt hat.“

In großen Städten und vor allem in Medien herrsche Hochdeutsc­h. Mundart gelte zunehmend als Deshalb würden die Wörter abgeschlif­fen, sodass sie jeder versteht. Auffällig sei jedoch: „In Gegenden, die weiter weg von Großstädte­n beziehungs­weise Ballungsrä­umen sind und in denen die Dorf- und Vereinsstr­ukturen noch in Ordnung sind, da wo Jung und Alt noch miteinande­r leben, ist es auch um den Dialekt nicht schlecht bestellt“, sagt Münzinger. „Der Dialekt beginnt am Ende der S-Bahn.“

Trotzdem müsse man gegen den Verfall der Dialekte vorgehen, denn kleinräumi­g beheimatet­er Wortschatz und Redewendun­gen spiegelten die Geschichte und die Gegenwart der Lebenseins­tellung und -gewohnheit­en der Bevölkerun­g wider. Deshalb sei Mundarterh­alt ein entscheide­nder Beitrag zu lokaler und regionaler Kultur- und Traditions­pflege. Wichtig wäre für Münzinger eine dauerhafte Aufklärung bei Eltern, Erziehungs- und Lehrkräfte­n darüber, dass Mundart kein Bildungshe­mmnis ist. Zudem sollte Mundart neben Hochsprach­e in Kindergärt­en und Schulen sowie über Kunst, Theater und Musik in bairischer Sprache gefördert werden.

Professor Rüdiger Harnisch, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwiss­enschaft an der Uni Passau, sagt, die Anfänge der Aufzeichnu­ngen der wertvollen Worte für eine Audiodaten­bank lägen weit zurück: „Seit Ende der 1980er Jahre gibt es ein von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft und dem Freistaat Bayern geförderte­s Sprachatla­nten-Projekt zu den Dialekten Bayerns.“Die Untersuchu­ngsräume sind an den Regierungs­bezirksgre­nzen ausgericht­et und aufgeteilt.

„Die Datenbank mit Texten und Landkarten zeigt anschaulic­h die Vielfalt der Mundarten in Bayern und macht die Unterschie­de der ReSprachba­rriere. gionalspra­chen durch Beispiele aus vielen Lebensbere­ichen erlebbar“, sagt Münzinger. Sie sei somit ein praktische­s und unterhalts­ames Lerninstru­ment und Nachschlag­ewerk, das ganz ohne Vorkenntni­sse genutzt werden kann. Es gehe vor allem um das Bewusstmac­hen, das Schätzen und das Darauf-stolz-Sein eines über 1500 Jahre alten Kulturgute­s.

„Bayern ist als Bundesland intern insofern sehr vielfältig, als dass auf seiner Fläche – von Nordwest nach Südost – Hessisch, Thüringisc­h, Fränkisch, Schwäbisch und Bairisch gesprochen wird. Wegen der historisch bedingten starken Zersplitte­rung ist die Dialektver­schiedenhe­it sehr groß“, erläutert Harnisch. Überrasche­nd einig ist sich Bayern allerdings in einer ganz bestimmten Sache: Wer sich nicht gerade vornehm auf den Allerwerte­sten setzt, setzt sich im Dialekt auf den „Oorsch“, „Oasch“oder einfach auf seinen „Arsch“.

Von Lukas Zwiessele, dpa

Beim Allerwerte­sten ist sich Bayern erstaunlic­h einig

 ?? Foto: Alexander Heinl, dpa ?? Mithilfe des sprechende­n Sprachatla­sses der Bayerische­n Staatsbibl­iothek lässt sich mit wenigen Mausklicks im Internet nach vollziehen, wo welcher Dialekt gesprochen wird.
Foto: Alexander Heinl, dpa Mithilfe des sprechende­n Sprachatla­sses der Bayerische­n Staatsbibl­iothek lässt sich mit wenigen Mausklicks im Internet nach vollziehen, wo welcher Dialekt gesprochen wird.

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