Was der Natur im Landkreis blüht
Umweltschützer sehen im Wittelsbacher Land Nord-Süd-Gefälle. Flächenverbrauch und Erholungsuchende erzeugen den Druck. Doch es gibt auch Ansätze, die Hoffnung machen
Füchse sind ja sprichwörtlich schlau. Wer aber hätte gedacht, dass sie lernen, gut ausgebaute Feldwege zu nutzen, um schneller an ihre Beute zu kommen, nämlich Gelege von Wiesenbrütern? Das ist nur eine Erkenntnis, die Naturschützer wie Gustav Herzog machen mussten. Die andere: Die Natur tut sich im Landkreis immer schwerer.
Der Flächenverbrauch mache ihr zu schaffen, sagt der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) im Wittelsbacher Land. Wie er macht auch Ernst Haile, Vorsitzender von Bund Naturschutz (BN), ein Nord-Süd-Gefälle aus. Das Motto lautet, grob gesagt: „Hinter Pöttmes ist die Welt noch in Ordnung.“Schwierig werde es ab dem Bereich Friedberg/Augsburg und südlich davon, Richtung Mering. Im Norden gibt es mehr Landwirtschaft, darunter viele Biobauernhöfe, im Süden mehr Siedlungen, Straßen und Gewerbe – und auch mehr Erholungsuchende. Herzog sagt: „All dies hat eine solche Dichte erreicht, dass es rund um Augsburg kaum mehr unberührte Natur gibt.“Die geplante Osttangente bereitet den Naturschützern zusätzliche Sorgen. Pflanzen und Tieren bleibe nicht mehr genug Raum. Ein Beispiel dafür: Bodenbrüter.
einigen Monaten war sich der Friedberger Stadtrat wegen Kiebitzen auf der möglichen Erweiterungsfläche des Gewerbegebiets Derching in die Haare geraten – es ist eine Vogelart auf dem Rückzug. Das Gleiche gilt laut Haile für Rebhühner, deren Bestand um 98 Prozent abgenommen habe. Herzog sagt: „Heute ist es Zufall, wenn man noch ein Blaukehlchen findet.“Das liege daran, dass der Lebensraum fehlt, die Nahrung, aber auch Rückzugsmöglichkeiten.
Trotzdem gibt es immer noch spannende Naturräume. Die Umweltschützer nennen unter anderem das Rederzhauser Moos sowie Kissinger Heide und Bahngruben mit ihren Orchideen im Süden, Paarund Ecknachtal oder den Ebenrieder Forst bei Pöttmes im Norden. Sie würden sich wünschen, dass es um solche Gebiete breite Schutzgürtel gibt, nicht nur die Flusstäler als besondere FFH (Flora-Fauna-Habitat)-Gebiete ausgewiesen sind,
Auf Sorten mit gefüllten Blüten verzichten; diese bieten Bie nen keine Nahrung.
Mit dem Rad statt mit dem Auto in die Natur fahren – und auf den Wegen bleiben. So bleibt Tieren, oder dass der Erholungsdruck am Friedberger Helenensee besser gelenkt und reguliert wird.
Positive Entwicklungen sehen sie allerdings auch: In Flachteichen nahe dem Helenensee finde sich die Bekassine, fünf Storchenpaare brüten im Landkreis, Rotmilane und Biber (zum Missfallen einiger Landwirte) breiten sich aus. Wo Letztere die Bäche aufstauen, haben Wasservögel, Amphibien und bestimmte Pflanzen wieder eine Chance.
Und: Die Zusammenarbeit zum Erhalt der Natur wächst. Ernst Haile nennt die Kooperation zwischen Naturschutz, Landespflegeverband und Kommunen als eine der positivesten Entwicklungen. Immer mehr Gemeinden nutzen ihm zufolge das Angebot, ihre Ausgleichsflächen mithilfe der Experten ökologisch sinnvoll weiterzuentwickeln – wofür ihnen selber meist das Wissen fehle.
Das sei wichtig, denn: „Naturschutz ist Flächenschutz.“ZusamVor men mit dem Wittelsbacher-LandVerein und dem Landratsamt sei außerdem ein Projekt geplant, Straßenränder ökologisch aufzuwerten. „Aktuell sind Ränder von Feldwegen und Straßen meistens nicht gepflegt, sondern totgemulcht“, sagt Haile.
Die Folge: Es wachsen kaum noch Wildkräuter, und die Insekten finden keine Nahrung. „Der Insektenschwund ist enorm: über 80 Prozent in 15 Jahren“, so Haile. Von ihnen aber leben Vögel und Kleintiere wie Fledermäuse. Bei der letzten Fledermausnacht fand sich am Blumenthaler Weiher nur eine Art der geflügelten Säugetiere. Liegt es am Nahrungsrückgang, an den Windkrafträdern, deren Druck die Lungen der Tiere zerfetzen kann? Es lässt sich nur spekulieren.
Gustav Herzog sieht nur eine Möglichkeit, die Natur zu retten: Das Bewusstsein um ihren Wert müsse stärker in den Köpfen der Menschen verankert werden. Er hat sich deshalb als Projekt vorgenommen, dies am Beispiel des Ebenrieder Forstes mit seinen vielen Quellen und seiner beachtlichen Zusammensetzung von Baumarten zu machen. Mit Führungen, Faltblatt und Referaten möchte er in den Menschen das Wissen und die Liebe zur Natur wieder verankern: „Wir müssen das Herz der Menschen erreichen.“
Stellen Sie sich vor, Sie wiegen 75 Kilo und müssten 25 Kilo Nahrung pro Tag zu sich nehmen – ein Drittel Ihres Körpergewichts. So ist es bei Fledermäusen, die täglich bis zu 10 Gramm Insekten fressen. Nützliche Tiere also. Naturschützer im Landkreis haben lang für sie gekämpft, Vorurteile abgebaut, Quartiere geschaffen, Bestände kartiert. Die Outlaws sind zu Lieblingen der Menschen geworden. Jetzt drohen sie zu verhungern. Denn durch Insektizide und Monokulturen geht die Zahl der Insekten zurück. Solche Zusammenhänge bedenkt kaum einer, der durch die Kissinger Heide spaziert oder durchs Ecknachtal radelt und sich freut, wenn ihn keine Insekten nerven. Da denkt man nur, wie schön die Natur hier ist. Ist sie auch. Sie ist aber bedroht.
Vor allem der Landkreissüden gehört zum wuchernden Münchner Einzugsgebiet. Verbesserte Verkehrsanbindungen, prosperierendes Gewerbe und großzügiger Wohnraum tragen zu Wohlstand und Komfort bei und machen die Region lebenswert. Aber sie setzen gleichzeitig die Natur unter Druck.
Naturschützer unternehmen verzweifelt anmutende Anstrengungen. Sie sammeln Tausende Kröten ein, wollen Wildblumen an Straßenrainen sähen. Jeder freut sich über Störche, doch letztlich geht es um mehr. Dem Thema nur in einer breiten abgestimmten Aktion beizukommen. Die Natur braucht Trittsteine, geschützte, ökologisch wertvolle Flächen, die so groß sind und so nah beieinanderliegen, dass Tiere und Pflanzen eine Chance auf Genaustausch und Ausbreitung haben. Ökologische Zusammenhänge sind komplex. Es wird große Anstrengungen brauchen, ihnen gerecht zu werden. Dafür müssen alle Ebenen zusammenarbeiten – von Ehrenamtlichen über Gemeinden bis zu Behörden und Gesetzgeber. Letztlich ist es nicht nur ein Kampf für die Natur, sondern einer gegen die Bequemlichkeit der Menschen.
Was kann ich tun?