Bürgermeister für 24 Stunden am Tag
Die Baarer finden Leonhard Kandler überall. Er hat viele Pläne für Baar /
Drei Jahre sind seit der Kommunalwahl 2014 vergangen, drei Jahre sind es bis zur nächsten. Zeit für eine „Halbzeit-Bilanz“. Was hat sich getan? Was steht noch an? Was ist gut gelaufen, was nicht so gut? Diese Fragen stellen wir den Rathauschefs im Wittelsbacher Land für unsere Serie „Halbzeit im Rathaus“. Heute: Baars Bürgermeister Leonhard Kandler.
Morgens um 5 Uhr beginnt der Tag für Baars Bürgermeister Leonhard Kandler. Einst führte ihn sein Weg schnurstracks in die Backstube. Heute kann er es ruhiger angehen lassen. Zwar bereitet er alles vor, doch schon um 6 Uhr kommt die erste Verkäuferin und Leonhard Kandler kommt in den Genuss einer Tasse Kaffee und seiner Zeitung. „Man wird älter und vielleicht sogar ein wenig dünnhäutiger“, verrät der 67-Jährige, der bereits seit 1994 Bürgermeister von Baar ist. Direkt nach dem Frühstück kann dann aber bereits das Telefon läuten, weil etwa in der Schule die Heizung nicht funktioniert oder etwas Außerplanmäßiges in der Kläranlage vorgefallen ist. Dann ist Kandler Bürgermeister und macht das, was er so an diesem Job schätzt: „Ich tue etwas für die Bürger.“
Ihre Sorgen und Nöte tragen die Baarer immer und überall an den Rathauschef heran. „Bürgermeister ist man eben 24 Stunden am Tag“, verrät er. Zur Sprechstunde ins Rathaus kommen Kandlers Schätzung nach die Wenigsten. Viele gehen in den Laden, fragen seine Frau an der Kasse, wo „der Hartl“ist, wie ihn seine Freunde nennen, oder marschieren gar am Laden vorbei und klopfen direkt in der Backstube an. Und eben diese Anfragen, deren Lösung Kandler mächtig viel Freude bereiten, machen gut 90 Prozent seines Jobs aus, schätzt der 67-Jährige.
Die restlichen zehn Prozent machen Ärger oder sind einfach anstrengend. Darunter fallen mitunter die Gemeinderatsitzungen. „Kreuzverhör“nennt es der Rathauschef, wenn vereinzelte Gemeinderäte ganze Listen zücken, auf denen Rückfragen zu laufenden Themen gestellt werden. Doch Kandler weiß, dass das kein Einzelfall ist: „In vielen anderen Gemeinden geht es ebenso zu, in anderen werden solche Rückfragen telefonisch geklärt.“
Dass es für Kandler keine leichte fünfte Amtsperiode werden wird, hatte bereits das knappe Wahler-
gebnis gezeigt. Nur 19 Stimmen lag der heutige Rathauschef bei der Kommunalwahl 2014 vorn und siegte damit über seinen Schwager, der als Kandlers Gegenkandidat ins Rennen gegangen war.
Die neue Wählerschaft habe zu diesem Ergebnis geführt, erklärt der 67-Jährige rückblickend. Mit ihm
neun Neulinge im Gemeinderat ein. Das Resultat verkündet Kandler fast schon ein wenig resigniert: „Pläne und Konzepte gibt es einige, doch umgesetzt wurde davon nur wenig.“Letztlich mangele es an klaren Entscheidungen und auch am Geld. Früher habe sich der Gemeinderat deutlich mehr zugetraut, man
habe Schulden gemacht und diese abgestottert, erinnert sich Kandler.
Inhaltlich im Fokus stehen in dieser Amtsperiode verschiedene Themen. Eine Straßenausbaubeitragssatzung muss erstellt werden. Zudem macht der Kanal große Probleme, die man nicht sehe. Was Kandler am meisten wurmt, ist die Tatsazogen che, dass die Gemeinde die Dorferneuerung nicht angegangen ist. Zehn Jahre habe man versucht, ins Förderprogramm aufgenommen zu werden. Als dies geschafft war, hätten sich die Bürger engagiert und Ideen geschmiedet. Doch letztlich sei so lange gezögert worden, bis das Thema spätestens dann vom Tisch ist, wenn Ende Juli 2017 die letzte Frist abläuft, die das Amt für ländliche Entwicklung für die Konzeptionsphase anberaumt hat. „Auch die Baarer würden nun nicht mehr mitspielen“, weiß der Rathauschef.
Doch Kandlers Groll währt nicht lange. Schon oft ging er verärgert nach Hause, erklärt seiner Frau, am nächsten Tag dem Landrat zu sagen, dieser möge sich einen anderen „Deppen für Baar“suchen, doch am nächsten Tag sei der Groll meist wieder verflogen. Seine Frau, die Kandler selbst als seinen größten Fan bezeichnet, kennt das bereits seit Jahrzehnten. Im nächsten Jahr steht die goldene Hochzeit des Paares an. Gemeinsam haben sie sechs Kinder großgezogen und ein Geschäft aufgebaut. Heute kümmern sie sich auch um die Enkelkinder. Anstatt in Ärger zu vergehen, geht der 67-Jährige lieber auf den Jägerstand, „um dort stundenlang zu sinnieren“, wie er erklärt, und dann sich selbst zu sagen: „Nur nicht aufgeben, nur nicht aus der Ruhe bringen lassen.“
Kandler sieht sich als ewigen Optimisten mit einer gehörigen Portion an Ideen in der Schublade, die vielleicht das Baarer Schloss betreffen könnten. Auch verfolgt Kandler den Plan, einen neuen Platz für ein Baugebiet zu finden. „Am Zeintl sind noch vier Bauplätze zu haben“, erklärt der Rathauschef und ergänzt, auch weiterhin jungen Menschen Anreize bieten zu wollen, um in Baar ein Eigenheim zu errichten.
Um das Baarer DauerbrennerThema, den umstrittenen Bau zweier Windräder, könnte es in der nahen Zukunft stiller werden, prophezeit der Rathauschef. Da das Berufungsgesuch abgelehnt wurde, werden die zwei geplanten Windräder nun voraussichtlich zeitnah gebaut. Langfristig wird das Thema aber nicht vom Tisch sein, schätzt Kandler, wohlwissend, dass die Änderung des Regionalplans ansteht, was bedeuten könnte, dass im Waldbezirk Brand (der seit 2014 zu Holzheim und Münster gehört) Windkraftanlagen geplant werden könnten. Wann das Thema wieder spruchreif wird, steht in den Sternen. Und ob Kandler das noch als Bürgermeister mitverfolgt, ebenso. Denn ob er sich erneut auf diesen Posten bewirbt, möchte Kandler erst 2020 entscheiden.