Aichacher Nachrichten

Bürgermeis­ter für 24 Stunden am Tag

Die Baarer finden Leonhard Kandler überall. Er hat viele Pläne für Baar /

- VON STEFANIE BRAND

Drei Jahre sind seit der Kommunalwa­hl 2014 vergangen, drei Jahre sind es bis zur nächsten. Zeit für eine „Halbzeit-Bilanz“. Was hat sich getan? Was steht noch an? Was ist gut gelaufen, was nicht so gut? Diese Fragen stellen wir den Rathausche­fs im Wittelsbac­her Land für unsere Serie „Halbzeit im Rathaus“. Heute: Baars Bürgermeis­ter Leonhard Kandler.

Morgens um 5 Uhr beginnt der Tag für Baars Bürgermeis­ter Leonhard Kandler. Einst führte ihn sein Weg schnurstra­cks in die Backstube. Heute kann er es ruhiger angehen lassen. Zwar bereitet er alles vor, doch schon um 6 Uhr kommt die erste Verkäuferi­n und Leonhard Kandler kommt in den Genuss einer Tasse Kaffee und seiner Zeitung. „Man wird älter und vielleicht sogar ein wenig dünnhäutig­er“, verrät der 67-Jährige, der bereits seit 1994 Bürgermeis­ter von Baar ist. Direkt nach dem Frühstück kann dann aber bereits das Telefon läuten, weil etwa in der Schule die Heizung nicht funktionie­rt oder etwas Außerplanm­äßiges in der Kläranlage vorgefalle­n ist. Dann ist Kandler Bürgermeis­ter und macht das, was er so an diesem Job schätzt: „Ich tue etwas für die Bürger.“

Ihre Sorgen und Nöte tragen die Baarer immer und überall an den Rathausche­f heran. „Bürgermeis­ter ist man eben 24 Stunden am Tag“, verrät er. Zur Sprechstun­de ins Rathaus kommen Kandlers Schätzung nach die Wenigsten. Viele gehen in den Laden, fragen seine Frau an der Kasse, wo „der Hartl“ist, wie ihn seine Freunde nennen, oder marschiere­n gar am Laden vorbei und klopfen direkt in der Backstube an. Und eben diese Anfragen, deren Lösung Kandler mächtig viel Freude bereiten, machen gut 90 Prozent seines Jobs aus, schätzt der 67-Jährige.

Die restlichen zehn Prozent machen Ärger oder sind einfach anstrengen­d. Darunter fallen mitunter die Gemeindera­tsitzungen. „Kreuzverhö­r“nennt es der Rathausche­f, wenn vereinzelt­e Gemeinderä­te ganze Listen zücken, auf denen Rückfragen zu laufenden Themen gestellt werden. Doch Kandler weiß, dass das kein Einzelfall ist: „In vielen anderen Gemeinden geht es ebenso zu, in anderen werden solche Rückfragen telefonisc­h geklärt.“

Dass es für Kandler keine leichte fünfte Amtsperiod­e werden wird, hatte bereits das knappe Wahler-

gebnis gezeigt. Nur 19 Stimmen lag der heutige Rathausche­f bei der Kommunalwa­hl 2014 vorn und siegte damit über seinen Schwager, der als Kandlers Gegenkandi­dat ins Rennen gegangen war.

Die neue Wählerscha­ft habe zu diesem Ergebnis geführt, erklärt der 67-Jährige rückblicke­nd. Mit ihm

neun Neulinge im Gemeindera­t ein. Das Resultat verkündet Kandler fast schon ein wenig resigniert: „Pläne und Konzepte gibt es einige, doch umgesetzt wurde davon nur wenig.“Letztlich mangele es an klaren Entscheidu­ngen und auch am Geld. Früher habe sich der Gemeindera­t deutlich mehr zugetraut, man

habe Schulden gemacht und diese abgestotte­rt, erinnert sich Kandler.

Inhaltlich im Fokus stehen in dieser Amtsperiod­e verschiede­ne Themen. Eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung muss erstellt werden. Zudem macht der Kanal große Probleme, die man nicht sehe. Was Kandler am meisten wurmt, ist die Tatsazogen che, dass die Gemeinde die Dorferneue­rung nicht angegangen ist. Zehn Jahre habe man versucht, ins Förderprog­ramm aufgenomme­n zu werden. Als dies geschafft war, hätten sich die Bürger engagiert und Ideen geschmiede­t. Doch letztlich sei so lange gezögert worden, bis das Thema spätestens dann vom Tisch ist, wenn Ende Juli 2017 die letzte Frist abläuft, die das Amt für ländliche Entwicklun­g für die Konzeption­sphase anberaumt hat. „Auch die Baarer würden nun nicht mehr mitspielen“, weiß der Rathausche­f.

Doch Kandlers Groll währt nicht lange. Schon oft ging er verärgert nach Hause, erklärt seiner Frau, am nächsten Tag dem Landrat zu sagen, dieser möge sich einen anderen „Deppen für Baar“suchen, doch am nächsten Tag sei der Groll meist wieder verflogen. Seine Frau, die Kandler selbst als seinen größten Fan bezeichnet, kennt das bereits seit Jahrzehnte­n. Im nächsten Jahr steht die goldene Hochzeit des Paares an. Gemeinsam haben sie sechs Kinder großgezoge­n und ein Geschäft aufgebaut. Heute kümmern sie sich auch um die Enkelkinde­r. Anstatt in Ärger zu vergehen, geht der 67-Jährige lieber auf den Jägerstand, „um dort stundenlan­g zu sinnieren“, wie er erklärt, und dann sich selbst zu sagen: „Nur nicht aufgeben, nur nicht aus der Ruhe bringen lassen.“

Kandler sieht sich als ewigen Optimisten mit einer gehörigen Portion an Ideen in der Schublade, die vielleicht das Baarer Schloss betreffen könnten. Auch verfolgt Kandler den Plan, einen neuen Platz für ein Baugebiet zu finden. „Am Zeintl sind noch vier Bauplätze zu haben“, erklärt der Rathausche­f und ergänzt, auch weiterhin jungen Menschen Anreize bieten zu wollen, um in Baar ein Eigenheim zu errichten.

Um das Baarer Dauerbrenn­erThema, den umstritten­en Bau zweier Windräder, könnte es in der nahen Zukunft stiller werden, prophezeit der Rathausche­f. Da das Berufungsg­esuch abgelehnt wurde, werden die zwei geplanten Windräder nun voraussich­tlich zeitnah gebaut. Langfristi­g wird das Thema aber nicht vom Tisch sein, schätzt Kandler, wohlwissen­d, dass die Änderung des Regionalpl­ans ansteht, was bedeuten könnte, dass im Waldbezirk Brand (der seit 2014 zu Holzheim und Münster gehört) Windkrafta­nlagen geplant werden könnten. Wann das Thema wieder spruchreif wird, steht in den Sternen. Und ob Kandler das noch als Bürgermeis­ter mitverfolg­t, ebenso. Denn ob er sich erneut auf diesen Posten bewirbt, möchte Kandler erst 2020 entscheide­n.

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Foto: Stefanie Brand Nur noch wenige Plätze stehen am Zeintl zur Verfügung. Um auch künftig jungen Familien die Chance zu bieten, in Baar ein Ei genheim zu errichten, möchte Baars Bürgermeis­ter Leonhard Kandler in den nächsten Jahren nach einer weiteren geeigneten Flä che...

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