Spezialeinheit der Polizei verliert sensible Daten
Ein Einsatzkommando stattet ein Auto mit moderner Technik aus. Keiner darf es als Dienstwagen erkennen, es soll bei Erpressungsfällen eingesetzt werden. Doch ein wichtiger Aktenordner dazu ist über fünf Jahre verschollen
Keiner sollte erkennen, dass es sich um ein Fahrzeug der Polizei handelt. Der unauffällige Oberklassewagen des mobilen Einsatzkommandos der Augsburger Polizei (MEK) sieht ganz normal aus. Doch er wurde vollgestopft mit moderner Technik, unter anderem mit Peilsender, Ortungsgeräten und Funk. Die Schalter dafür wurden an verschiedenen Stellen versteckt eingebaut. Auch die Mulde für das Reserverad im Kofferraum wurde genutzt, um Technik so zu verbergen, dass niemanden etwas auffällt, der von außen ins Wageninnere schaut.
Gedacht war das Auto für besonders heikle Einsätze. Etwa für die Übergabe von Lösegeld bei Erpressungen oder Entführungen. Polizeiintern wird das Kürzel „GÜ-Fzg“genutzt – es steht für Geldüberbringer-Fahrzeug. Wie solche Fahrzeuge aussehen und welche Technik darin verbaut ist, gehört zu den streng gehüteten Dienstgeheimnissen. Nur wenige Beamte sind eingeweiht. Die Fahrzeuge stehen auch nicht im Hof des Präsidiums, sondern oft in eigens angemieteten Garagen. Es wäre fatal, wenn ein Krimineller die Autos erkennt. Eine Geldübergabe könnte allein deshalb platzen.
Doch wie gut klappt es mit der Geheimhaltung wirklich? Ausgerechnet ein Aktenordner mit allen wichtigen Informationen zum Geld- war beim mobilen Einsatzkommando mehr als fünf Jahre lang verschollen. Ein MEK-Beamter sagt, das Auto sei immer wieder mit neuester Technik aufgerüstet worden. Die treibende Kraft sei der hochrangige Beamte Klaus Bayerl gewesen. Er war zuerst Chef der Dienststelle für Organisierte Kriminalität beim Augsburger Polizeipräsidium, das damals noch für ganz Schwaben zuständig war. Und er leitete anschließend von 2001 bis zum Ruhestand 2015 die Kriminalpolizei. Er führte viele technische Neuerungen ein.
Intern wurde die hochwertige Ausstattung des Fahrzeugs auch damit begründet, dass ein Krimineller bei einer Geldübergabe in Lindau ein ziviles Polizeiauto und Beamte erkannt hatte. Der Täter hatte den Müller-Milch-Konzern erpresst. Nach der Panne wurde beim mobilen Einsatzkommando eine Geldübergabe-Gruppe mit speziell geschulten Beamten eingerichtet.
Dass der Ordner mit den Informationen über das Fahrzeug verschwunden ist, bemerkte ein MEKBeamter in der Zeit um den Jahreswechsel 2006/2007. Er hatte von einem Vorgesetzten den Auftrag bekommen, alle Unterlagen zu sammeln, in denen es um die Geschäftskontakte der Spezialeinheit zu einem hessischen Unternehmen für Sicherheitstechnik ging. Ein Polizist aus der Einheit, Manfred D., stand damals unter Verdacht, er habe sich von der Firma bestechen lassen. Die Technik des Unternehmens ist auch in dem Geldüberbringer-Fahrzeug eingebaut worden. Der Ordner mit den sensiblen Daten war nicht mehr auffindbar. Obwohl er in einem speziell gesicherten Raum stand. Nur mit einem Funkschlüssel und einem Zahlencode sei der Ordner zu erreichen gewesen, sagt der MEK-Beamte. Er vermutet, dass es ein Kollege gewesen sein muss, der den Ordner dort verschwinden ließ.
Unklar ist, ob man damals bei der Polizei dem Verlust nachging und ob das Fahrzeug heute noch genutzt wird. In dem Ordner wurden jedenfalls sensible Informationen abgelegt. Nicht nur Fotos des Wagens und Bedienungsanleitungen befanüberbringer-Fahrzeug
Mobile Einsatzkommandos – kurz MEK – gibt es an mehreren Stand orten in Bayern. Eine dieser Spezialein heiten ist beim Polizeipräsidium Schwaben Nord in Augsburg angesie delt. Die Beamten des MEK küm mern sich vor allem Observationen und Fahndungen in Fällen von Schwer kriminalität, sie werden aber auch bei Festnahmen eingesetzt. Dazu setzen sie auch Überwachungstechnik wie Peil und Ortungsgeräte ein. Sie nutzen Zivilfahrzeuge mit Spezialtech den sich darin, sondern offenbar auch Einsatzkonzepte und die Namen von Polizisten, die bei einer Geldübergabe eingesetzt werden sollten. Auch für Scheingeschäfte, etwa im Drogenmilieu, war das Auto gedacht. Hierzu sollte es mit breiten Reifen und Alufelgen jeweils passend „aufgemotzt“werden.
Aufgetaucht ist der Aktenordner erst wieder im Lauf des Jahres 2012. Der MEK-Beamte Manfred D. war einige Wochen zuvor nach einem jahrelangen Verfahren in zweiter Instanz vom Vorwurf der Bestechlichkeit freigesprochen worden. Weil Manfred D. während des Verfahrens dazu gedrängt wurde, den Dienst zu quittieren, klagt er derzeit vor dem Landgericht auf Schadenersatz. Er hat gute Chancen, vom nik, die so verbaut ist, dass man es von außen nicht erkennt. Auch Funk geräte werden verdeckt eingebaut. Die Fahrzeuge des MEK werden mitun ter auch als Firmenfahrzeuge oder Ähnliches getarnt.
Beamten der Spezialeinsatzkom mandos (SEK) sind vor allem für überraschende und schwierige Zugriffe ausgebildet – etwa bei Geiselnah men, aber auch bei Razzien oder Sui zidversuchen. In Bayern gibt es SEKs in München und Nürnberg. (jöh) Freistaat nun 60000 Euro Entschädigung zu bekommen. Der Ordner mit den Fahrzeugdaten, erzählt Manfred D., sei eines Tages morgens bei ihm vor der Haustür gestanden. Verpackt in eine Plastiktüte. Seine Frau habe ihn entdeckt, als sie das Haus verließ. D. meldete den rätselhaften Fund bei seinen ehemaligen Kollegen vom MEK. Auch die Kripo wurde eingeschaltet.
Doch es ließ sich nicht aufklären, wer den Ordner in den gut fünf Jahren
Welche Aufgaben haben die Spezialkräfte der Polizei? Eines Morgens steht der Ordner vor der Haustür
hatte und wer an die heiklen Informationen kam, die darin enthalten sind. Es bleibt ein bis heute ungeklärter Fall. Unklar ist auch der Verbleib eines zweiten Ordners mit Dokumenten des Einsatzkommandos – der mit den Geschäftsunterlagen im Fall Manfred D. Der Ordner kam nie zu den Ermittlungsakten, obwohl er entlastende Informationen enthielt.
Erst im Jahr 2012 tauchten die Dokumente wieder auf. Der MEKBeamte, der seinerzeit den Ordner auf Anweisung des Vorgesetzten erstellt hatte, brachte Kopien davon zum Berufungsprozess im Fall Manfred D. mit. Warum dieser Ordner verschwand und wo er heute ist – auch darauf hat man im Polizeipräsidium noch immer keine Antwort.