Die Kaisers wollen nur noch gesund essen
Lebensstil Für die fünfköpfige Augsburger Familie ist umweltbewusste Ernährung eine tägliche Herausforderung. Sind biologisch erzeugte Lebensmittel aber wirklich immer die beste Wahl? Worauf man achten sollte
Der einjährige Ole mag süße Birnen. Sein Bruder Jakob, 4, nascht lieber ein Schoko-Muffin. Mutter Merle Kaiser achtet darauf, dass beides Bio-Produkte sind. Ihre Kinder sollen gesund essen. Das ist ihr wichtig. Aber sind biologisch erzeugte Lebensmittel wirklich die beste Wahl? Oder gibt es Alternativen? Da ist sich die Augsburgerin nicht immer sicher. „Wir haben beschlossen, uns gesund zu ernähren, aber wir wollen auch nicht dogmatisch sein“, sagen Merle Kaiser und ihr Mann Hannes. So ist das Leben der jungen Familie aus dem Spickel eine ständige Gratwanderung – ernährungstechnisch gesehen.
Aus dem Ernährungsreport: 97 Prozent der Deutschen kaufen einfach, was ihnen schmeckt.
Zwar macht sich das Ehepaar Kaiser viele Gedanken darüber, wie man es im Alltag fertigbringt, gesund und nachhaltig zu leben. Aber praktisch muss es auch sein. In einer fünfköpfigen Familie ist die Zeit immer knapp. „Bis zum eigenen Gemüsegarten haben wir es nicht gebracht, der Aufwand ist uns viel zu groß“, sagt Merle Kaiser, die beruflich Psychotherapeutin ist. Die Lebensmittel für ihre Familie kauft sie im Bio-Supermarkt. Allerdings muss sie auch dort in vielen Fällen überlegen, was für die Kinder Ole, Jakob und Nora an gesund erzeugten Lebensmitteln akzeptabel ist und schmeckt. Wenn Ole und Nora gerne Bio-Obst essen, bekommen sie es auch im Winter, wenn es eingeflogen werden muss. „Die Alternative wäre, heimisches Sauerkraut zu kaufen, aber soweit geht die Liebe nicht“, sagt sie.
Dass ihre Kinder am Mittagstisch streiken, will Merle Kaiser auf keinen Fall. Zusammen mit ihrem Mann Hannes kann sie sich noch gut erinnern, was sie selbst als Jugendliche gerne mochten: Das waren Pommes oder Ravioli aus der Dose. Dabei kommen die beiden aus Familien, in denen auf gesunde Ernährung Wert gelegt wurde. „Wir haben schon vor 30 Jahren im Bioladen eingekauft“, sagt Hannes Kaiser, der Lehrer ist. Seine Frau Merle hat sich als Teenager dafür entschieden, vegetarisch zu leben. „Der Auslöser war eine Dokumentation über Tiertransporte im Fernsehen.“Nicht weit weg von der Schule war ein Schlachthof. „Auch da bekamen wir einiges vom Betrieb mit.“
Dass sich viele Menschen in Deutschland gesunde Lebensmittel finanziell nicht leisten können, finden die Kaisers schade. Sie sind aber auch davon überzeugt, dass viele andere Verbraucher gezielt möglichst wenig Geld für Lebensmittel ausgeben. „Da steht ein dickes Auto vor der Tür, aber dann kauft man im Discounter ein“, kritisiert Vater Hannes.
Er schätzt, dass seine Familie rund 15 bis 20 Prozent des Monatsbudgets für Ernährung ausgibt. Für Merle Kaiser ist es gut investiertes Geld. Die Grundnahrungsmittel seien auch im Bio-Supermarkt bezahlbar, „teuer ist der Schnickschnack drumherum, aber dann kauft man halt weniger.“Für die Anschaffung eines neuen Autos habe das Familienbudget trotzdem noch gereicht. Das sei dann halt ein gebrauchter Bus. „Gefühlt verzichten wir auf nichts“, sagen die Kaisers. Andererseits lässt sich mit einer gesunden Ernährung auch viel Geld sparen.
Aus dem Ernährungsreport: 90 Prozent der 14- bis 18-Jährigen begeistern sich fürs Kochen. Im bundesweiten Durchschnitt aller Altersgruppen sind es 75 Prozent.
Fertigessen zu kaufen, scheidet für Merle Kaiser nicht nur aus Kostengründen aus. Mit preiswerten Biozutaten selbst zu kochen, sei zeitlich nicht so aufwendig, wie man denkt. „Wir brauchen täglich etwa eine dreiviertel Stunde, um eine einfache Mahlzeit auf den Tisch zu bringen“, sagt sie. Beim Kochen wechselt sich das Ehepaar ab. Neben Nudeln mit Tomatensoße, Risotto mit Gemüse, Knödeln oder Kaiserschmarrn gibt es auch mal Pizza – aber selbst gemacht. „Wenn man weiß, wie es geht, geht es relativ schnell“, sagt Hannes Kaiser. Deshalb hat sich die Familie ein eigenes Rezeptbuch als Lose-Blatt-Sammlung angelegt. Auch Biobrot wird inzwischen selbst gebacken.
Doch auch wenn die Kaisers sich sehr intensiv mit ihrer Lebensweise auseinandersetzen: Umweltprobleme sind oft komplex. Auf manche Fragen kennen auch sie noch keine Antwort. „Bei vielen Einkäufen weiß man nicht: Was ist der bessere ökologische Fußabdruck und was ist noch pragmatisch“, sagen sie. „Man muss für sich selbst einen Mittelweg finden.“Das probieren die Kaisers gerade in einem begleiteten Selbstversuch der Augsburger Umweltstation aus. Wichtig ist den Kaisers aber vor allem, den eigenen Kindern von zuhause Grundsätze mitzugeben, wie man gesund und umweltbewusst leben kann.
Aus der Ernährungs-Statistik: Jeder Deutsche isst pro Jahr statistisch 9,7 Kilogramm Schokolade.
Dazu gehört für die Eltern aber auch, dass man nicht immer nur korrekt sein muss und ab und zu beim Essen sündigen darf. Merle Kaiser verrät, dass sie besonders bei Schokolade schwach wird. Und ihr Mann? Eine Schweinshaxe im Biergarten mag er gern, auch wenn er nicht gefragt hat, wo sie her ist.
Bio oder regional, was ist besser? Die wissenschaftlichen Gutachten sind hier nicht eindeutig. Für Biolebensmittel sprechen vor allem intakte Böden, Biodiversität, Gewässerschutz. Für regionale Lebensmittel sprechen der Erhalt der heimischen Landwirtschaft, der oft günstigere Preis und die Versorgungssicherheit. Tipp: Bio aus entfernten Regionen hat keinen Vorteil. Verzichten Sie auf „Flugware“. Auch wenn nur 0,2 Prozent aller importierten Lebensmittel eingeflogen werden, verursachen sie zehn Prozent der durch Transportleistung verursachten CO2-Emissionen.
Welche Verpackung ist für Geträn ke zu empfehlen? Mehrwegflaschen aus Glas haben einen deutlichen Vorteil gegenüber Einweg- oder Mehrwegflaschen aus Kunststoff, wenn sie aus der Region stammen und in Normflaschen abgefüllt sind. Individuelle Flaschen erhöhen die Transportwege erheblich, da die Flasche immer zum Ursprungsabfüller zurücktransportiert werden muss. Tipp: Leitungswasser kommt ganz ohne Verpackung aus.
Sind frische Produkte besser oder Tiefkühlkost? Tiefkühlprodukte sind ernährungsphysiologisch meistens sehr gut, aber auch energieaufwendig produziert. Aber sie erleichtern den Einkauf, die Vorratshaltung und sparen Zeit beim Kochen. Tipp: Halten Sie den Vorrat an Tiefkühlkost so gering wie möglich.