Aichacher Nachrichten

Auswege für Angehörige

Damit Pflege nicht zur Belastung wird, sollte man rechtzeiti­g Profis hinzunehme­n

- VON MARKUS MÜNCH PAULI

Mehr als zweieinhal­b Millionen Menschen in Deutschlan­d sind auf Pflege angewiesen. Laut Statistisc­hem Bundesamt wird die Hälfte davon daheim versorgt: nicht von Profis, sondern meist von ihren Ehepartner­n oder Kindern. Einen Erwachsene­n zu pflegen, ist eine gewaltige Aufgabe. Braucht etwa die eigene Mutter Hilfe auf der Toilette, kann es auch zu Ekel kommen. „Die Ekelfähigk­eit von Menschen ist angeboren. Die genauen Auslöser von Ekelgefühl­en werden jedoch gelernt und sind kulturell bedingt“, sagt die Psychologi­n Prof. Susanne Zank. Die Gerontolog­in beschäftig­t sich wissenscha­ftlich mit dem Thema Pflege. Amelie Jansen vom Deutschen Berufsverb­and für Pflegeberu­fe (DBfK) weiß, dass selbst profession­ell tätige Pfleger an ihre Grenzen stoßen, wenn es um die Intimsphär­e geht: „Viele sagen über ihre Arbeit: Ich weiß nicht, ob ich das auch bei meinen Eltern könnte.“

Veränderte Rollen

Belastend ist vor allem die veränderte Beziehung. Es findet eine Rollenumke­hr statt: Während früher die Eltern die Kinder versorgten, ist es jetzt genau andersheru­m. Klingt wie ein einfacher Tausch, ist aber allein schon wegen des Körpergewi­chts eines pflegebedü­rftigen Erwachsene­n eine völlig andere Situation. Braucht er Windeln, sind auch das ganz andere Dimensione­n als bei einem Kleinkind. „Besser wird die Situation, wenn man sich austausche­n kann“, sagt Zank. Denn nicht nur der Ekel bei Pflegenden, sondern auch die Scham des Hilfsbedür­ftigen spielt eine Rolle. Das sensible Thema kommt allerdings vielen nicht leicht über die Lippen. Das weiß auch die Psychologi­n Imke Wolf. Sie ist die Leiterin der Internet-Beratung pflegen-und-leben.de, die sich gezielt an pflegende Angehörige wendet. Auch die Gerontolog­in Susanne Zank weiß, dass man unbearbeit­ete Gefühle wie Wut und Trauer, die auch aufgrund von Ekel entstehen können, nicht ignorieren darf. „Studien haben gezeigt, dass die Rate an Depressivi­tät bei pflegenden Angehörige­n größer ist, als in der Allgemeinb­evölkerung.“Die Psychologi­n hält daher auch psychother­apeutische Angebote für Pflegende sowie Selbsthilf­egruppen für sinnvoll.

Vom Pflegedien­st lernen

Für pflegende Angehörige sollte außerdem die Beauftragu­ng von Profis kein Tabu sein. Das verschafft den Familienan­gehörigen eine Pause und hat noch weitere Vorteile: „Wenn man dem Pflegedien­st zusieht und nachfragt, kann man viel lernen.“„Vielen pflegenden Menschen helfen auch Handschuhe und Schutzklei­dung, auch wenn sie noch so dünn ist“, sagt Jansen. Sie empfiehlt, sich im Fachhandel in Ruhe umzusehen und auszuprobi­eren, welche Hilfsmitte­l Erleichter­ung bringen.

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Foto: Mascha Brichta Füttern, waschen, windeln: Diese Dinge kommen auf pflegende Angehöri ge zu. Einige können ziemliche Überwindun­g kosten.

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