Einigung im Tarifstreit mit Umlandstädten?
Die Reform der Fahrpreise im AVV gestaltet sich komplizierter als gedacht. Zuletzt gab es heftigen Widerstand aus Gersthofen und Neusäß. Jetzt ist ein Lösungsansatz da, doch wer dafür zahlt, ist noch nicht geklärt
Augsburg Zumindest ein Stolperstein auf dem Weg zur Tarifreform des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbundes scheint aus dem Weg geräumt: Für die Umlandstädte Gersthofen, Neusäß, Stadtbergen und Teile von Friedberg wird wohl eine Sonderlösung kommen. Hintergrund ist, dass die bisherigen Zonen 10 und 20 (Stadt Augsburg und Teile der angrenzenden Städte) für Käufer von Einzelfahrscheinen und Streifenkarten zu einer Zone zusammengelegt werden sollen. Die Folge: bei einem Teil der Fahrten wird es doppelt so teuer.
Für Gersthofen, Neusäß, Stadtbergen und Friedberg hätte das bedeutet, dass viele Fahrten innerhalb ihres Ortes teurer werden. „Eine alte Frau, die für einen Arztbesuch einmal in der Woche von der Stiftersiedlung im Norden zur Haltestelle beim Gasthof Strasser im Gersthofer Zentrum fahren muss, kann sich die Verteuerung nicht leisten – und wird kein Abonnement eingehen“, ereiferte sich der Gersthofer Bürgermeister Michael Wörle zuletzt. Das Vorgehen des AVV sei alles andere als transparent, wenn er viele Dinge aus der Zeitung erfahre.
Die Tarifreform läuft alles andere als rund. Der Start musste bereits verschoben werden, weshalb es im Juni eine Preiserhöhung geben wird, um die Inflation wettzumachen. Würde man die Tarifreform mit der turnusgemäßen Preiserhöhung verknüpfen, so die Befürchtung, würde die Akzeptanz sinken. zumindest die Kuh mit den Umlandstädten vom Eis zu bekommen, gab es diese Woche ein Treffen der Bürgermeister mit AVV-Aufsichtsratschef und Landrat Martin Sailer. Ergebnis: „Es wird eine Ergänzung für Gersthofen, Neusäß, Stadtbergen und Teile von Friedberg geben“, sagt AVV-Geschäftsführer Olaf von Hoerschelmann.
Wie diese aussehen soll, ist offen. Es dürfte darauf hinauslaufen, dass Bewohner der Umlandstädte bei innerörtlichen Fahrten nicht schlechter gestellt werden als bisher. Was diese Sonderlösung kostet und wer dafür aufkommt, ist noch nicht klar. Das ist von Bedeutung, weil die Ta- rifreform ohnehin viel Geld kosten wird. Über vier Jahre muss ein sechsstelliger Betrag von den AVVGesellschaftern als „Anschubfinanzierung“abgeschmolzen werden, damit die Reform überhaupt kommt. Offenbar mussten an die Bahnunternehmen Zugeständnisse gemacht werden, damit lange Strecken nicht übermäßig teuer werden.
Der AVV hofft darauf, fünf bis zehn Prozent mehr Fahrgäste in den nächsten fünf Jahren zu bekommen und aus den Fahrkartenverkäufen fünf Prozent mehr Geld herauszuholen. Aktuell fahren pro Jahr 77 Millionen Fahrgäste im AVV-Gebiet mit Stadtwerken, DB, BayeriUm scher Regiobahn oder den Regionalbussen. 14 Millionen Euro zahlen die AVV-Gesellschafter als Defizitausgleich, weitere 40 Millionen müssen die Stadtwerke aus ihren Gewinnen aus dem Energiegeschäft in den defizitären Nahverkehr pumpen. Hinzu kommt noch das Geld, das der Freistaat an die DB und die Regiobahn BRB zahlt.
Die Beteiligten stehen beim Projekt Tarifreform unter Zeitdruck: Nächsten Monat sollen der Augsburger Stadtrat und die Kreistage von Augsburg, Aichach-Friedberg und Dillingen die Weichen stellen. Landrat Sailer hat angesichts der offenen Fragen durchblicken lassen, dass man die Reform eventuell schieben müsse. Klar ist auch, dass ein Zugeständnis für die Umlandstädte weitere Begehrlichkeiten im AVV-Land wecken könnte.
Im Augsburger Stadtgebiet verlief die Diskussion über die Tarifreform bisher weitgehend geräuschlos, wobei die Auswirkungen auch hier eklatant sind. In Augsburg werden die Zonen 10 (ein zwei bis drei Kilometer großer Kreis um den Königsplatz) und die Zone 20 (der darauffolgende Kreis bis knapp über die Stadtgrenze hinaus) vereinigt.
„Wir sind mit den Arbeiten noch nicht fertig“, betont von Hoerschelmann. Inzwischen werden aber weitere Details zu den Ticketarten bekannt. Abos können weiterhin für jede der Zonen gekauft werden (also 10 oder 20). Das Abo für jede Zone wird um die 35 Euro kosten. Bei den Einzelfahrscheinen in Augsburg gibt es diese Unterscheidung aber nicht mehr. Viele Fahrten innerhalb der Stadt mit Einzelfahrschein werden somit doppelt so teuer. Ausnahme, um diese Härte zum mindern: Für Fahrten bis vier Haltestellen kommt ein Kurzstreckenticket. Strategisches Ziel der Tarifreform ist es, Einzeltickets unattraktiver zu machen, um so die Kunden in Richtung eines Abos zu »Kommentar bewegen.