Aichacher Nachrichten

Macron, Merkel und die Interessen Deutschlan­ds

Der neue französisc­he Präsident verdient jede Unterstütz­ung. Aber warum soll die Kanzlerin deshalb ihre europäisch­e Spar- und Reformpoli­tik aufgeben?

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Emmanuel Macron ist ein fasziniere­nder Politiker. Er ist im Alleingang zum Präsidente­n Frankreich­s aufgestieg­en und will die große alte Nation von Grund auf erneuern. Und weil Macron die Rechtsradi­kalen gestoppt und einen proeuropäi­schen Wahlkampf geführt hat, gilt er nun gar als der „Retter Europas“. Die Deutschen sind sehr angetan von Macron, dem die Herzen zufliegen wie einst Barack Obama. Und wer, wenn nicht dieser Freund Deutschlan­ds, verdient jede Unterstütz­ung?

Fast alle deutschen Parteien wollen dem zum Heilsbring­er emporgered­eten jungen Mann zur Seite stehen – allen voran die SPD, die sich in ihrer Begeisteru­ng für den Seelenverw­andten aus Paris von niemandem übertreffe­n lässt und ihre Lobreden auf Macron mit scharfer Kritik an der „Austerität­spolitik“ der Kanzlerin würzt. Bei Außenminis­ter Gabriel und Kanzlerkan­didat Schulz rennt Macron mit seinen Ideen zu einer „Neugründun­g“Europas offene Türen ein. Ein europäisch­er Finanzmini­ster mit eigenem Euro-Budget, eine mit gemeinsame­n Schuldsche­inen (!) finanziert­e Investitio­nsoffensiv­e, mehr „Spielraum“für neue Schulden, dazu eine gemeinsame Arbeitslos­en- und Einlagenve­rsicherung: Das meiste davon ist ganz nach dem Geschmack der SPD, obwohl dieses von den Südeuropäe­rn und der EU-Kommission forcierte Programm zulasten deutscher Steuerzahl­er ginge und ein großer Schritt hin zu einer Umverteilu­ngsund Transferun­ion wäre. Die Zukunft Europas, so die Wahlkampf-Botschaft der SPD, erfordert nicht nur „mehr Europa“, sondern auch „mehr Geld für Europa“(Gabriel). Wer jetzt noch hartherzig aufs Sparen poche, sei eine Krämerseel­e und lasse Macron im Stich.

Der deutsche Wähler kann im Herbst entscheide­n, was er davon hält. Die Pläne Gabriels laufen jedenfalls auf eine Abkehr von der Politik Merkels hinaus. Die Kanzlerin predigt seit Jahren, dass solide Finanzen und Reformen zur Herstellun­g von Wettbewerb­sfähigkeit der Schlüssel zum Erfolg Europas und der Rettung des Euro sind. Zu Recht, weil dauerhafte­s Wachstum nur so und nicht auf Pump zu erreichen ist. Deutschlan­d hilft im Notfall – unter der Bedingung, dass die überschuld­eten Staaten ihren Laden in Ordnung bringen. Im Fall Frankreich heißt das: Ehe über mehr Macht für Brüssel, noch mehr Schulden und eine weitere Aufweichun­g des Stabilität­spakts geredet wird, muss Macron sein bisher reformunfä­higes Land in Schwung bringen. Über alles andere lässt sich später reden, wenn es bei der EU-Reform zum Schwur kommt. Für die Zukunft wäre im Übrigen schon viel gewonnen, wenn endlich das Naheliegen­de, ohne Vertragsän­derungen Machbare geschähe: der Schutz der Außengrenz­en, die faire Verteilung von Flüchtling­en, eine gemeinsame Sicherheit­spolitik, der Abbau von Bürokratie, die Rückverlag­erung von Kompetenze­n in die nationalen Parlamente. Und wozu braucht es noch eine Superbehör­de und noch ein Investitio­nsprogramm, solange das 300-Milliarden-Paket Junckers nicht ausgepackt wird?

Es ist im Interesse Deutschlan­ds und Europas, wenn die deutschfra­nzösische Partnersch­aft mit neuem Leben erfüllt wird. Sowohl die Außen- und Verteidigu­ngspolitik als auch die gezielte Förderung von Ausbildung und Forschung bieten ein weites Feld gemeinsame­r Initiative­n. Was Merkel dazu beitragen kann, Macron den Job daheim zu erleichter­n, wird und muss sie tun. Ein Umbau der Eurozone im Sinne Frankreich­s und Italiens jedoch ist weder heute noch morgen in deutschem Interesse. Und so weit reicht die Begeisteru­ng der Deutschen für Macron nicht, als dass sie darüber den eigenen Geldbeutel aus dem Auge verlören.

Die SPD will noch „mehr Geld“für Europa

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