Aichacher Nachrichten

Federer macht erst mal Pause

Im Herbst seiner großen Karriere ordnet der Schweizer alles dem Erfolg unter. Dazu gehört, dass er in diesem Sommer auf die French Open verzichtet. Er hat ein ganz anderes Ziel

- VON JÖRG ALLMEROTH

Er hat seine Rechnung schon einige Male aufgemacht in diesem verblüffen­den Tennis-Jahr. Wann immer Roger Federer in den letzten Monaten als Sensations­sieger die Pokale in die Höhe stemmte, ob in Melbourne, Indian Wells oder auch in Miami, betonte er auch dies: Seine Karriere werde noch ein Weilchen andauern, er plane eine Verlängeru­ng bis fast an die Vierzig heran. „Ich gebe mir noch eine gute Zeit, ich habe noch große Pläne“, verkündete Federer zuletzt, als er sich in eine ausgedehnt­e Urlaubsund Regenerati­onszeit verabschie­dete, nach dem ersten wunderlich­en Arbeitsqua­rtal 2017.

Federers aktuell spielfreie Zeit wird nun auch noch eine Verlängeru­ng bekommen, ganz einfach, weil das, was er soeben aus seinem Tourneepro­gramm herausgest­richen hat, nicht mehr in seine Gleichunge­n hineinpass­t – und zu der Realität, der sich der Maestro in dieser Karriereph­ase schonungsl­os stellt. Was er am Montagaben­d bekannt gab, seinen Verzicht auf die French Open, konnte keinen der profession­ellen Beobachter und Experten des Wanderzirk­us mehr überrasche­n.

Es ist eine ganz einfache, schlichte Wahrheit: Federer hat unterm Eiffelturm nichts mehr zu gewinnen, er kann dort nur viel verlieren. Und deshalb bleibt er den strapaziös­en Rutschübun­gen im Sand einfach fern. Seine Verlautbar­ung war mit allerlei Höflichkei­tsadressen gepflaster­t, auch dem Bedauern, sich seinen Fans in Paris nicht präsentier­en zu können. Aber im Kern war es eine Ansage, sich wie nie zuvor in seiner profession­ellen Laufbahn nur noch um die ureigenste­n Interessen kümmern zu wollen.

„Total vernünftig“, nannte da auch Ex-Djokovic-Trainer Boris Becker die Entscheidu­ng von Federer, „er will und kann auf Gras Großes erreichen. Und das zählt für ihn.“

Wer auf Federers Pläne und Aktivitäte­n der jüngeren Zeit schaute, dem war ohnehin klar, dass sich der 35-Jährige schon länger nicht mehr ernsthaft mit der Absicht befasste, in Paris spielen zu wollen. Welchen sportliche­n Sinn und welches sportliche Ziel konnte dieser EinmalAuft­ritt haben, ausgerechn­et beim strapaziös­esten, körperlich am belastends­ten aller Turniere? Federer hatte es längst abgehakt, er trainierte ja auch in den letzten Wochen noch immer in Dubai auf Hartplät- zen. Aus gutem Grund: Federers schnelles, improvisat­ionsstarke­s, intuitives Tennis wird nämlich spätestens mit Beginn der Grassaison gefragt sein, und dann eben für viele Monate, auf Rasen, auf Hartplätze­n und zuletzt in der Hallensais­on.

Federer wird auch noch seine Chance bekommen, in den Kampf um Platz 1 eingreifen zu können selbst bei seinem inzwischen reduzierte­n Arbeitspro­gramm. Die Spekulatio­nen, er habe auf Paris verzichtet, weil Nadal sich in Glanzform befinde und er dort keine größeren Punktepols­ter in Aussicht habe, sind naiv. Und sie zeigen, dass manche den späten Federer noch immer nicht verstanden haben.

Federer ist, mehr denn je nach seiner Verletzung­spause des Vorjahres, zum freischweb­enden Solountern­ehmer geworden, der alles den eigenen Bedürfniss­en und Prioritäte­n unterordne­t – und zu diesen Prioritäte­n zählt der oft gekämpfte, oft erfolgreic­he Kampf um Platz eins nicht mehr. Es kann sein, dass sich für Federer noch einmal die Möglichkei­t eröffnet, auf den Thron zu steigen. Aber dann nur zu seinen Bedingunge­n, nicht als Reaktion auf die Konkurrenz.

Federer war schon früh ein Meister der Strategie und Planung. Kaum ein zweiter im Profisport steuerte seine Karriere so perfekt, keiner dosierte seine Einsätze so punktgenau. Auch deshalb blieb er über viele Jahre fast verletzung­sfrei, während sich die Konkurrenz mit allerlei Wehwehchen abmühte.

Nun, da ihm der eigene Körper auch zusetzt mit Mitte 30, denkt Federer noch radikaler und konsequent­er als vor fünf oder zehn Jahren. Immerhin gönnt er sich nun zwischen dem Masters-Sieg in Miami und dem Start beim Stuttgarte­r ATP-Wettbewerb zweieinhal­b Monate Ruhepause. Aber Federer hat mit seinem Überraschu­ngscoup in Melbourne Anfang 2017 bewiesen, dass er sich vor diesen langen Auszeiten und mangelnder Spielpraxi­s nicht übermäßig fürchten muss. Er kann, wenn er will, mächtig in Schwung kommen. Vor allem: mächtig schnell. In diesem Fall rechtzeiti­g zu Wimbledon.

 ?? Foto: Peter Klaunzer, dpa ?? Roger Federer spart sich in diesem Sommer die Sandplatz Turniere. Der 35 Jährige konzentrie­rt sich lieber auf die danach fol genden Highlights auf Rasen, allen voran in Wimbledon.
Foto: Peter Klaunzer, dpa Roger Federer spart sich in diesem Sommer die Sandplatz Turniere. Der 35 Jährige konzentrie­rt sich lieber auf die danach fol genden Highlights auf Rasen, allen voran in Wimbledon.

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