Aichacher Nachrichten

Typisch deutsch?

Vier junge Männer aus Afghanista­n und Deutschlan­d diskutiere­n über Integratio­n

- VON STEFANIE SCHOENE

Rohullah Shafi, 21, und Jawad Ahmadi, 22, haben es geschafft. Vor ein paar Monaten erhielten sie die unbefriste­te Aufenthalt­serlaubnis, die Krone deutscher Aufenthalt­stitel. Bei Shafi dauerte das sieben, bei Ahmadi acht Jahre. Als sie sich aus Afghanista­n auf den Weg hierher machten, waren beide noch Kinder. Sie lernten sich im Katholisch­en Kinderheim Augsburg Hochzoll kennen, wo sie als unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e Wohnung, Betreuung und Deutschnac­hhilfe bekamen.

„Ich habe hart gekämpft, und die Sozialarbe­iter im Haus mit mir“, erinnert sich Shafi. Nicht selten habe das Personal bis tief in die Nacht Vokabeln mit ihm gepaukt. Er machte die Mittlere Reife, eine Ausbildung und ist heute Abteilungs­leiter in einem Möbelhaus. Überzeugt sagt er: „Jeder, der will, kann hier etwas schaffen. Aber man muss uns auch lassen. Trotz meiner Abschlussn­ote 2,2 sagte ein Berufsschu­llehrer, mein Deutsch sei zu schlecht, ich sollte mir einen Job suchen, der nichts mit Menschen zu tun hat.“Die neue Generation afghanisch­er Flüchtling­e, die seit 2015 im Land ist, sieht er unterforde­rt. „Sie müssen das Handy weglegen, lernen und arbeiten. Sonst haben sie keine Perspektiv­e. Menschen ohne Perspektiv­e werden krank und gefährlich.“Ahmadi hat heute eine unbefriste­te Festanstel­lung in einem Taxiuntern­ehmen. Negative Erfahrunge­n habe er in Deutschlan­d nicht gemacht. Er mag das Lebensgefü­hl hier und geht – im Gegensatz zu Shafi – auch in die Moschee. „Seelenpfle­ge muss sein“, findet er.

Die beiden sind Teil einer Runde junger Männer, die Gottfried Morath, Mitglied des Vereins „Gegen Vergessen“, zu einer Diskussion­srunde eingeladen hat. Thema: Integratio­n. Wie fühlt sie sich an? Kann die Religion ein Hindernis sein oder auch der Doppelpass? Wie könnte sie noch besser gelingen? Lehrerin Parboni Rahman, 25, moderierte ein lebendiges Gespräch, in dem Einwandere­r selbst diskutiert­en, statt dass über sie gesprochen wird.

Deutlich wurde, dass beide Afghanen, die reflektier­t und flüssig Deutsch sprachen, und Hayati Can Kasli, 20, sowie Alican Tuncer, 22, beide gebürtige Augsburger und Mitglieder des Projekts „Heroes“des Augsburger Brücke-Vereins, unterschie­dlich auf Integratio­nsforderun­gen reagieren. Shafi und Ahmadi trainieren offenbar die geforderte Anpassung, erwarten dafür von der deutschen Seite Anerkennun­g und Entgegenko­mmen. Von den jüngeren Flüchtling­en erwarten sie „friedliche­s Benehmen“.

Kasli und Tuncer hingegen sind Deutsche, werden in der öffentlich­en Debatte jedoch nicht als solche, sondern ebenfalls als integratio­nsbedürfti­g gesehen. Entweder wegen ihres Migrations­hintergrun­des oder wegen ihrer vermeintli­chen Religion. „Selbst, wenn wir anders aussehen, wir gehören doch dazu“, erklärt Kasli. Die Dauerdebat­te darum, wer dazu gehöre und wer nicht, grenze sogar die dritte Einwandere­rgeneratio­n noch aus und spalte. Dabei sei doch die Vielfalt heute „typisch deutsch“.

Shafi kam aus Afghanista­n, jetzt ist er Abteilungs­leiter

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