Typisch deutsch?
Vier junge Männer aus Afghanistan und Deutschland diskutieren über Integration
Rohullah Shafi, 21, und Jawad Ahmadi, 22, haben es geschafft. Vor ein paar Monaten erhielten sie die unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die Krone deutscher Aufenthaltstitel. Bei Shafi dauerte das sieben, bei Ahmadi acht Jahre. Als sie sich aus Afghanistan auf den Weg hierher machten, waren beide noch Kinder. Sie lernten sich im Katholischen Kinderheim Augsburg Hochzoll kennen, wo sie als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Wohnung, Betreuung und Deutschnachhilfe bekamen.
„Ich habe hart gekämpft, und die Sozialarbeiter im Haus mit mir“, erinnert sich Shafi. Nicht selten habe das Personal bis tief in die Nacht Vokabeln mit ihm gepaukt. Er machte die Mittlere Reife, eine Ausbildung und ist heute Abteilungsleiter in einem Möbelhaus. Überzeugt sagt er: „Jeder, der will, kann hier etwas schaffen. Aber man muss uns auch lassen. Trotz meiner Abschlussnote 2,2 sagte ein Berufsschullehrer, mein Deutsch sei zu schlecht, ich sollte mir einen Job suchen, der nichts mit Menschen zu tun hat.“Die neue Generation afghanischer Flüchtlinge, die seit 2015 im Land ist, sieht er unterfordert. „Sie müssen das Handy weglegen, lernen und arbeiten. Sonst haben sie keine Perspektive. Menschen ohne Perspektive werden krank und gefährlich.“Ahmadi hat heute eine unbefristete Festanstellung in einem Taxiunternehmen. Negative Erfahrungen habe er in Deutschland nicht gemacht. Er mag das Lebensgefühl hier und geht – im Gegensatz zu Shafi – auch in die Moschee. „Seelenpflege muss sein“, findet er.
Die beiden sind Teil einer Runde junger Männer, die Gottfried Morath, Mitglied des Vereins „Gegen Vergessen“, zu einer Diskussionsrunde eingeladen hat. Thema: Integration. Wie fühlt sie sich an? Kann die Religion ein Hindernis sein oder auch der Doppelpass? Wie könnte sie noch besser gelingen? Lehrerin Parboni Rahman, 25, moderierte ein lebendiges Gespräch, in dem Einwanderer selbst diskutierten, statt dass über sie gesprochen wird.
Deutlich wurde, dass beide Afghanen, die reflektiert und flüssig Deutsch sprachen, und Hayati Can Kasli, 20, sowie Alican Tuncer, 22, beide gebürtige Augsburger und Mitglieder des Projekts „Heroes“des Augsburger Brücke-Vereins, unterschiedlich auf Integrationsforderungen reagieren. Shafi und Ahmadi trainieren offenbar die geforderte Anpassung, erwarten dafür von der deutschen Seite Anerkennung und Entgegenkommen. Von den jüngeren Flüchtlingen erwarten sie „friedliches Benehmen“.
Kasli und Tuncer hingegen sind Deutsche, werden in der öffentlichen Debatte jedoch nicht als solche, sondern ebenfalls als integrationsbedürftig gesehen. Entweder wegen ihres Migrationshintergrundes oder wegen ihrer vermeintlichen Religion. „Selbst, wenn wir anders aussehen, wir gehören doch dazu“, erklärt Kasli. Die Dauerdebatte darum, wer dazu gehöre und wer nicht, grenze sogar die dritte Einwanderergeneration noch aus und spalte. Dabei sei doch die Vielfalt heute „typisch deutsch“.
Shafi kam aus Afghanistan, jetzt ist er Abteilungsleiter