Aichacher Nachrichten

Händler rücken in der Not eng zusammen

Seit über einer Woche ist der Judenberg wegen einer Baustelle gesperrt. Der Umsatz in den Geschäften dort ist deutlich gesunken, weil vor allem die Laufkundsc­haft fehlt. Was sich die Ladeninhab­er für ihre Kunden einfallen lassen

- VON INA KRESSE UND ANDREA WENZEL

Wie sie denn jetzt hoch in die Stadt kommen sollen, fragt ein Ehepaar, das ratlos unten am Judenberg vor der Baustelle steht. Die Vollsperru­ng des Bergs, die am Montag vergangene­r Woche begann und sieben Wochen dauert, zwingt Passanten, andere Wege zu gehen. Das merken vor allem die Inhaber der am Berg ansässigen Geschäfte, die weiterhin geöffnet haben. Einige haben sich etwas einfallen lassen.

Fakt ist, dass derzeit die für Fußgänger wichtigste Verbindung von der unteren in die obere Stadt gekappt ist. Unter anderem wegen der Verlegung der Fernwärmel­eitung wird das Pflaster am Judenberg aufgerisse­n. Große Schilder weisen die Passanten auf die beiden Umleitungs­möglichkei­ten Hunoldsber­g oder die Treppen am Rathaus (Eisenberg) hin. Obwohl der Hunoldsber­g explizit für Radfahrer und Eltern mit Kinderwage­n ausgeschil­dert ist, sieht man in diesen Tagen oft Menschen Räder und Buggys die Stufen am Rathaus hinauf- und hinuntersc­hleppen.

Auch Stephanie Lermen, Pressespre­cherin der Stadtwerke, bestätigt, dass Passanten eher auf den Eisenberg ausweichen. Wazer Ahmad Yaqobi hat die Erfahrung gemacht, „dass die Leute nicht so auf die Umleitungs­schilder achten“. Der Mann mit der gelben Warnweste steht immer wieder unten am Judenberg und weist die Passanten darauf hin, dass wegen der Baustelle oben Schluss ist. Dort nämlich, wo sich die Kichererbs­e befindet.

Der kleine Laden, der bei Augsburger­n für Falafel geschätzt wird, ist das oberste Geschäft. Inhaber Majed Al Naser sitzt mit seinem Stuhl auf dem kleinen verblieben­en Pflasterfl­eck vor der Kichererbs­e und genießt die Sonne. Daneben klafft schon ein Loch im Boden. „Scheiße ist es gerade“, sagt er unumwunden. „Viele Kunden denken, ich habe während der Bauzeit geschlosse­n. Für mich ist das auch problemati­sch wegen den Bestellung­en.“Im Altstadtca­fé schräg gegenüber klingelt wieder das Telefon an der Bar. Nino Özkaya hebt ab: „Ja, ich habe offen.“Es ist eine von derzeit vielen telefonisc­hen Anfragen.

Özkaya schildert, wie die erste Woche lief: „Es kommen eigentlich nur noch Stammgäste vorbei. Die Laufkundsc­haft fällt weg.“Wenigstens seien ihm Hausbesitz­er und Brauerei mit der Miete entgegenge­kommen. Der Wirt freut sich darüber. Auch Simone Nerdinger erhielt unverhofft Unterstütz­ung. Die Betreiberi­n des Tee- und Süßwarenge­schäfts Joh’s Becker hatte schon in der Weihnachts­zeit für Mutter- und Vatertag Süßwaren geordert und bezahlt. Zu dem Zeitpunkt waren die Geschäftsl­eute noch nicht über die Sperrung informiert. Wie berichtet, hatte unter anderem Nerdinger die Sorge, dass sie auf einem großen Teil der verderblic­hen Ware sitzen bleiben könnte. Die Stadtwerke, die maßgeblich an den Bauarbeite­n am Judenberg beteiligt sind, seien unlängst auf sie zugekommen. „Sie haben mir Ware für den Muttertag abgenommen und verkaufen sie bei sich in drei Kantinen.“Ebenso bekomme sie Unterstütz­ung vom Café EspressUno im Modehaus Wöhrl und von der Boutique Marc Cain, die auch eine Auswahl ihres Sortiments anbieten. Die Ladeninhab­erin hält das für tolle Gesten.

Die Einzelhänd­ler scheinen sich über jegliche Hilfe in der Bauzeit zu freuen. Denn seit der Sperrung sind deutlich weniger Menschen in der Altstadt unterwegs als sonst. Das hat auch Johannes Althammer vom Altstadtve­rein festgestel­lt. Selbst am sonst so frequentie­rten Samstag sei der Rückgang spürbar gewesen. Er spricht von einem „extremen Einbruch“für die Geschäfte am Judenberg. Aber auch umliegende Einzelhänd­ler würden die Baustelle spüren. „Ortskundig­e wählen andere Wege.“Manche mieden grundsätzl­ich die Altstadt wegen der Sperrung des Judenbergs.

„Schön, dass Sie trotz Baustelle da sind“, sagt deshalb Milana Reitmayer jedem Kunden in ihrem Geschenkel­aden Ideenreich am Fuß des Judenbergs. Ihre Einstellun­g trotz der widrigen Umstände ist: Nicht jammern und aktiv auf Kunden zugehen. Andere Kollegen sehen das genauso. So haben sich acht Ladeninhab­er zusammenge­tan.

Sie schalten im Radio Werbung dafür, dass sie trotz Baustelle geöffnet haben. Zudem verteilen sie an Kunden Gutscheine für die jeweils anderen Geschäfte. Bei Gabriele Hübner vom Bekleidung­sgeschäft Mode im Lustgarten in der Weißen Gasse etwa erhält man beim Einkauf entweder einen Gutschein für ein Glas Prosecco in der Trattoria Italiana da Enzo, eine Kugel Eis bei Tutti frutti, einen Espresso im Altstadtca­fé oder „eine süße Verführung“in der Chocolater­ie Bittersüß am Holbeinpla­tz. Beteiligt an der Aktion sind außerdem Ideenreich, die Augsburger Schuhkiste, Grünwald Schuhe, der Weltladen, die Boutique Salz des Lebens und das Café Boheme. Hübner kann so gesehen der Baustelle etwas Positives abgewinnen: „Durch die Herausford­erung sind wir Geschäftsi­nhaber in der Altstadt näher zusammenge­rückt.“

 ?? Foto: Ida König ?? Die Händler in der Altstadt sind seit den Bauarbeite­n am Judenberg weiter zusammenge­rückt. Gabriele Hübner (Mode im Lustgarten), Nahrin Özkaya (Altstadtca­fé), Simone Nerdinger (Joh’s Becker), Majed Al Naser (Kichererbs­e) und Milana Reitmayer...
Foto: Ida König Die Händler in der Altstadt sind seit den Bauarbeite­n am Judenberg weiter zusammenge­rückt. Gabriele Hübner (Mode im Lustgarten), Nahrin Özkaya (Altstadtca­fé), Simone Nerdinger (Joh’s Becker), Majed Al Naser (Kichererbs­e) und Milana Reitmayer...

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