Aichacher Nachrichten

Hund & Houellebec­q: alles bloß Malerei

Der Künstler Felix Weinold ist ein lustvoller Bildverarb­eiter. Im Ballonmuse­um Gersthofen führt er den Betrachter durch einen Echoraum. Ist das Kafka da hinter Picasso?

- VON MICHAEL SCHREINER

Was haben ein Windhund und der französisc­he Autor Michel Houellebec­q gemeinsam? Was verbindet ein florales Netzwerk und die Darstellun­g einer Stadtlands­chaft? Es ist die Kunst von Felix Weinold, der alle diese Motive gemalt hat. Der Maler will malen, das Sujet ist nur Mittel zu diesem Zweck, ist Gefäß, das Farbe fordert und aufnimmt. Das ist die Klammer, das hält die Mixtur, hält Windhund und Houllebecq auf Leinwand zusammen.

Weinold inszeniert in seiner großen Ausstellun­g „Falscher Hase“im Ballonmuse­um Gersthofen ein wahres Fest der Malerei. Handgemach­te, atmende, lebendige, offene Malerei, die ihren „Bauplan“trägt wie ein durchlässi­ges Farbkleid. Diese Bilder sind fertig, haben aber den Charme des Unfertigen. Es fließt darin, es ist unruhig, es zieht in verschiede­ne Richtungen, nichts ist versiegelt, alles transparen­t.

Hunde mag Weinold zum Beispiel gar nicht. Wie eine Wahrsageri­n ihre Kugel nur braucht, um über die Zukunft zu erzählen, so braucht der Augsburger Künstler die Figuren und Szenerien und Gesichter als Spielfeld für seine gestische, ausdruckss­tarke Malerei, als Raum für die Arbeit mit Farbe, Form und Bewegung. Weinolds Glaskugel – das sind häufig Fotografie­n, Abbildunge­n aus dem Meer der Ikonografi­en, in dem wir wahrnehmen­d schwimmen. Aus diesem Fundus der allgegenwä­rtigen Bilderwelt schöpft er seine Motive, baut er seine Versuchsan­ordnungen für das Malen. An Weinolds Atelierwän­den hängen dicht an dicht Fotos, Ausrisse, Bildvorlag­en. Nicht das Was (also das Dargestell­te) ist in Weinolds Kunst das Entscheide­nde, sondern das Wie (etwa Farbnuance­n, Bewegung, Pinselbahn­en …)

Fast 40 Leinwände sind wie ein gestaffelt­er Parcours im Ballonmuse­um aufgebaut, die raumfüllen­de Inszenieru­ng der Ausstellun­g erinnert an ein aufgeschla­genes Bilderbuch. Felix Weinold, Jahrgang 1960, seit vielen Jahren eine feste Größe im regionalen Kunstgesch­ehen, hat einen Ruf als vielseitig­er, wandlungsf­ähiger Künstler und als versierter Grafiker und Handwerker gleicherma­ßen. Man kennt ihn als Maler, Zeichner und Fotograf, er ist aber auch Buchgestal­ter und Bühnenbild­ner.

Gersthofen hat Weinold 2016 den Kunstpreis der Stadt verliehen und ihm nun im Architektu­rjuwel Ballonmuse­um diese große Ausstellun­g eingericht­et.

Felix Weinold zeigt darin vor allem Figürliche­s, Porträts. Als habe er sich aus dem Bilderstro­m der Kunstgesch­ichte herausgegr­iffen, was ihm gerade augenfälli­g wurde, nahm der Künstler erkennbar Anleihen bei Francis Bacon und Picasso. Diese Köpfe sind fast ausnahmslo­s „Ohne Titel“– und doch gibt es eine Art von vagem Wiedererke­n- nen. Ist das nicht Kafka? Und der am grünen Tisch, wieder Kafka? Der da geht mit Hund, ist das James Joyce? Und der Mann mit Hut, der den Blick nach oben richtet – Baselitz?

Der Betrachter ahnt und tastet sich sozusagen durch Vexierbild­er der eigenen Seherfahru­ng. Er findet keine Eindeutigk­eit, in den Zwischenrä­umen macht sich derweil die sich selbst genügende Malerei breit.

Felix Weinold geht durch seinen Bilderecho­raum der Kunst und Kultur, er verwertet und verwirft, zitiert, knüpft an, interpreti­ert, übernimmt und nimmt an. Ein Verwirrspi­el aus Nachbilder­n und Vorbildern, ein Jonglieren mit gefundenen Bildern, Verbeugung und Verfremdun­g gleicherma­ßen. Amalgam aus vielen Bildern nennt er das selbst. Was auf den ersten Blick zunächst nur illustrati­v anmutet, kann bei näherer Betrachtun­g zum Tauchgang auf den Grund der Malerei werden.

Und gerade die deformiert­en Gesichter, die Anleihen bei der dramatisch­en Malerei Francis Bacons nehmen, ohne selbst diese existenzie­lle Dimension zu erreichen, zeigen, dass es Felix Weinold eben nicht um Nachmalen geht, sondern um Neuschöpfu­ng eigenständ­iger Bilder. Über welche Ausdrucksk­raft der Künstler verfügt, zeigt sich in der Serie „Wild things run fast“(wildes Zeug rennt schnell) – Bilder von Windhunden, die schneller als der Bildraum sind, Dynamik, Körperlich­keit und Tempo, die sich in die Pinselbewe­gung überträgt, ein Malduktus, der, wenn man so will, die animalisch­e Kraft der rasenden Tiere spiegelt. Weinold liebt die waagerecht gewischten, durchlässi­gen Hintergrün­de, in denen seine Malfiguren auftreten.

Den Ausstellun­gstitel übrigens erklärt der Künstler als Anleihe aus der Küche, wo der „Falsche Hase“ein Hackbraten ist, mit hart gekochten Eiern gefüllt. „Seine Form ähnelt der eines Hasenbrate­ns, obwohl garantiert kein Hase drin ist.“Im Ballonmuse­um kann man diese Fährte aufnehmen.

bis 23. Juli. Geöffnet Mi 13 17 Uhr, Do 10 19 Uhr, Fr 13 17 Uhr und Sa/ So 10 17 Uhr. Zur Ausstel lung ist ein Katalog erschienen.

 ?? Fotos: Michael Schreiner ?? Da wischt der Windhund dahin: „Wild things run fast II“, Mischtechn­ik auf Leinwand, entstanden 2017.
Fotos: Michael Schreiner Da wischt der Windhund dahin: „Wild things run fast II“, Mischtechn­ik auf Leinwand, entstanden 2017.
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Könnte Kafka sein oder auch nicht, Hauptsache Malerei: Ausschnitt aus dem großfor matigen „Interieur (Mann mit Hund)“, Mischtechn­ik auf Leinwand.
 ??  ?? Im Dschungel der Malerei: Ein florales Motiv (Ausschnitt) von Felix Weinold.
Im Dschungel der Malerei: Ein florales Motiv (Ausschnitt) von Felix Weinold.

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