Aichacher Nachrichten

Besucher blicken durch die Altersbril­le

Ein Aktionstag im Kissinger Haus Gabriel hilft, die Lebenswelt von Demenzkran­ken zu begreifen

- VON HEIKE JOHN

Wer ist nicht schon mal ungeduldig geworden, wenn er im Supermarkt in der Schlange stand und vorne suchte eine Seniorin umständlic­h ihr Kleingeld zusammen? Denise will da künftig gelassen bleiben. Beim „Tag der Demenz“im Seniorendo­mizil Haus Gabriel hatte die Schülerin der Meringer Altenpfleg­eschule die Möglichkei­t, in einen Alterssimu­lationsanz­ug samt Visier mit getrübtem Blick und eingeschrä­nktem Gesichtsfe­ld zu schlüpfen und sich so in altersbedi­ngte Einschränk­ungen einzufühle­n. Gemeinsam mit ihren Mitschüler­n aus dem zweiten Ausbildung­sjahr absolviert­e sie einen interaktiv­en Demenzpfad, der kognitive Einschränk­ungen erlebbar macht. Wie fühlt man sich, wenn man sich anstrengt, aber einfach scheitert und die Angehörige­n dann noch sagen, „aber das hast du doch immer so gut ge- – „Jetzt kann ich schon verstehen, dass viele unserer Bewohner immer wieder unter depressive­n Verstimmun­gen leiden“, kommentier­te Jasmin, die in einer Augsburger Einrichtun­g arbeitet.

Zusammen mit zwei ihrer Lehrkräfte von der Berufsfach­schule für Altenpfleg­e folgten sie und ihre 19 Klassenkam­eraden der Einladung nach Kissing. Compassio-Einrichtun­gsleiterin Yvonne Friedrichs und Pflegedien­stleiter Klaus Prim veranstalt­en solch einen Aktionstag zusammen mit ihren Mitarbeite­rn im Haus Gabriel regelmäßig. „Wir richten uns dabei nicht nur an Angehörige unserer Bewohner oder an einem Betreuungs­platz Interessie­rte, sondern ausdrückli­ch auch an die Schulen“, erklärten sie. „Viele Schüler kommen zu uns zum Praktikum und können dann schnell überforder­t sein, wenn sie mit einem dementen Menschen zu tun haben“.

Das geht oft auch den Altenpfle- geschülern nicht anders. In der Schule lernen sie vor allem Theorie, im Pflegeallt­ag stoßen sie schnell an ihre Grenzen. „Das Thema Demenz ist vor allem im zweiten Ausbildung­sjahr ein Schwerpunk­t an unserer Schule“, erklärte Angelika Benkonnt?“ ka, Fachlehrer­in für Lebenszeit­und Lebensraum­gestaltung.

„In der Altenpfleg­e baut man eine Beziehung zu den Bewohnern auf und darum ist es wichtig, dass man versucht, sich in sie hineinzuve­rsetzen. Aber das ist nicht leicht“, weiß Daniela Krasniqi, die in ihrer Einrichtun­g in der Geronto-Abteilung mit zum Teil schwerst dementen Menschen arbeitet. Allein der Zeitdruck ist eine große Herausford­erung. Da gilt es abzuwägen, denn Hektik und Hetze sind Gift im Umgang mit Dementen.

Dies betont auch Markus Proske, der sich als Humorthera­peut und Demenzbera­ter einen Namen gemacht hat und den Demenzpfad im Haus Gabriel aufbaute. In seinem Vortrag über herausford­erndes Verhalten gab er dem interessie­rten Publikum viele Tipps im Umgang mit dementen Menschen. Manchmal müsse man förmlich „um die Ecke denken“, um das Verhalten eines Demenzkran­ken zu verstehen. Seine einfachste Regel aber lautet: „Gehen Sie mit diesen Menschen so um, wie auch sie als gebrechlic­her, vergesslic­her und hilfsbedür­ftiger Mensch behandelt werden möchten“.

 ?? Foto: Heike John ?? Anhand dieser Brillen lässt sich die Auswirkung verschiede­ner Altersfehl­sichtigkei­ten testen.
Foto: Heike John Anhand dieser Brillen lässt sich die Auswirkung verschiede­ner Altersfehl­sichtigkei­ten testen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany