Kochkurs beim Chemieprofessor
Henning Höppe mischt viele seltsame Substanzen im Labor an. Daheim in seiner Küche experimentiert er mit Aromen und Stickstoff. Davon profitieren Studenten
Henning Höppe kocht sehr gerne. Nicht nur privat, auch beruflich: Als Chemiker hantiert er im Labor mit besonderen Zutaten. Sein Lieblingsrezept ist eine „Supersäure“. Dafür gibt er Borsäure zu 210 Grad heißer Schwefelsäure und rührt das Ganze eine gute Stunde. Nach Zugabe einer „Prise“Oleum, also hoch konzentrierter Schwefelsäure, erhält er eine Ausgangslösung. Mit dieser Flüssigkeit kann er dann neue Materialien erforschen. „Chemie hat viel mit Kochen zu tun“, sagt der Professor an der Universität Augsburg. Das will er in einem Kochkurs für Studenten vermitteln.
Köche und Chemiker haben mehr gemeinsam, als man vermuten würde: „Als normaler Koch muss ich mich auf Rezepte verlassen, genauso ist es beim Chemiker, der sich auf Vorschriften verlassen muss, wenn er Grundsubstanzen herstellt“, sagt Höppe. Der 44-Jährige befasst sich an der Uni Augsburg mit der Erforschung von Leuchtstoffen. Als Wissenschaftler ist er sehr erfolgreich. Höppe war daran beteiligt, einen
Wenn gefrorene Öltropfen im Gaumen platzen
Leuchtstoff herzustellen, der heute in vielen Kamerablitzen von Smartphones eingebaut ist.
In der Grundlagenforschung interessieren sich Höppe und seine Kollegen dafür, wie Leuchtstoffe prinzipiell funktionieren und wie man ein besonders schönes farbiges oder weißes Licht herstellen kann. Bei seinen Versuchen im Labor geht der Professor ähnlich vor wie ein Koch in der Küche. Um Stoffe chemisch zum Reagieren zu bringen, muss er oft mit hohen Temperaturen arbeiten. Er stellt die Substanzen in einem Tiegel in den Ofen und backt sie bei mehreren 100 Grad. Oder er gibt sie in einen Rundkolben. Den erhitzt er dann in einem Ölbad auf dem Herd.
Was Höppe im Beruf als Wissenschaftler für Festkörperchemie und Materialwissenschaften macht, nutzt ihm auch privat. Denn daheim kocht er ebenfalls sehr gerne. Wie man bodenständige Gerichte zubereitet, hat der gebürtige Nürnberger von seiner Mutter gelernt. „Bei uns daheim wurde das Mittagessen täglich selbst gekocht“, erzählt er. Sein Lieblingsessen als Junge war Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.
Heute lässt sich er sich gern auch mal ausgefallene Gerichte in TopRestaurants schmecken. Toll findet Höppe die „Molekularküche“. Köche dieser gastronomischen Schule experimentieren wie Chemiker mit Aromen. Beispielsweise kommt ein Gefäß mit flüssigem Stickstoff auf den Esstisch. Darin sind gefrorene Kügelchen aus Olivenöl, die über ein Gericht gestreut werden. „Wenn die Kügelchen im Mund platzen, ist das ein sehr überraschendes Geschmackserlebnis“, findet er.
Daheim am Herd probiert der Chemieprofessor selber neue Kombinationen von Aromen aus. Dafür wälzt er spezielle Kochbücher. Beim „Foodpairing“beispielsweise werden Lebensmittel und Gewürze, die für den deutschen Gaumen anscheinend nicht zusammenpassen, miteinander kombiniert. Die Idee dahinter: Ganz unterschiedliche Produkte können ein gemeinsames Schlüsselaroma haben. Deshalb harmonieren sie entweder direkt miteinander oder aber mit anderen Produkten, die mindestens ein wichtiges Aroma mit der ersten oder zweiten verwendeten Zutat teilen. Höppe nennt ein einfaches Beispiel: Wenn man eine normale Tomatensoße mit Curry würzt, bekommt das Gericht eine neue, wohlschmeckende Geschmacksnote, die an indisches Essen erinnert. „Aromastoffe sind nichts anderes als chemische Moleküle“, sagt er.
Nun will der Chemieprofessor auch andere für Experimente am Herd begeistern. Höppe hat sich mit dem Küchenteam des Augsburger Studentenwerks zusammengetan. Das Studentenwerk führt die Mensen der Universität und Hochschule. Auch Kochkurse für Studenten werden regelmäßig angeboten.
Beim Kurs am 12. Juli können sich Teilnehmer auf ein Menü mit ungewöhnlich kombinierten Zutaten freuen. Es gibt Vanille-ZimtGarnele auf Mango-Mozzarella-Salat, danach Rumpsteak mit Popcorn-Karamell-Soße und Polenta und als Dessert Schokoladenkuchen mit Gorgonzola.
Höppe wird die Zubereitung der Speisen aus Sicht der aromatischen Wissenschaften kommentieren. Dieser Kurs ist bereits ausgebucht. „Wenn er gut ankommt, bin ich offen für weitere Experimente“, verspricht er.