Aichacher Nachrichten

Eine Vision in Orange

Seit 80 Jahren überragt die Golden Gate Bridge die Bucht von San Francisco. Einst war sie ein höchst umstritten­es Pionier-Projekt. Heute liefert sie Stoff für dutzende Geschichte­n

- VON THOMAS SEIBERT

Ihre hohen Pfeiler, der elegante Schwung ihrer Halteseile und ihre leuchtend rote Farbe haben die Golden Gate Bridge in San Francisco zu einem der berühmtest­en Bauwerke der Welt gemacht. Zum 80. Geburtstag der rund 2,7 Kilometer langen Hängebrück­e an diesem Samstag werden Politiker und Bewunderer die Schönheit der kühnen Konstrukti­on loben – dabei war das Brückenpro­jekt lange heftig umstritten.

Mehr als 2000 Beschwerde­n gingen in den 1920er und 1930er Jahren gegen die Brücke ein, wie US-Medien aus Anlass des Jahrestage­s berichten. Unter den Klägern waren Umweltschü­tzer, die eine Verschande­lung der Golden-Gate-Bucht am Pazifik befürchtet­en, und das Eisenbahnu­nternehmen Southern Pacific Railroad, das Einbußen für den von ihm betriebene­n Fährverkeh­r über die Bucht verhindern wollte. Ein erster Entwurf für die Brücke war von der Öffentlich­keit zudem als hässlich abgelehnt worden.

Schlüsself­igur bei dem Projekt war der Ingenieur Joseph Strauss, Sohn einer deutschstä­mmigen jüdischen Familie aus Cincinnati. Er musste sich beim Brückenbau nicht nur mit den vielen Einsprüche­n und Finanzieru­ngsproblem­en herumschla­gen, sondern stand auch vor fachlichen Herausford­erungen: Noch nie war eine so lange Hängebrück­e gebaut worden. Auch nach ihrer Eröffnung nach vierjährig­er Bauzeit am 27. Mai 1937 blieb die Brücke mit der 1,3 Kilometer langen Strecke zwischen den beiden Hauptpfeil­ern noch über Jahrzehnte die längste Brücke ihrer Art.

Auch in puncto Arbeitssic­herheit war Strauss ein Pionier. Er machte Schutzhelm­e für die Arbeiter zur Pflicht und achtete bei seinen fast täglichen Inspektion­en auf die Einhaltung der Regeln. Strauss ließ zudem Haltenetze unter der Brücke spannen. Nur einmal versagte das System: Bei einem Unfall kurz vor der Fertigstel­lung riss das Netz – zehn Arbeiter starben beim Sturz aus mehr als 60 Metern Höhe ins Meer. Bis heute ist die Golden Gate Bridge auch verbunden mit tragischen Geschichte­n: Sie ist ein Magnet für Selbstmord­kandidaten. Durchschni­ttlich alle zwei Wochen springt ein Verzweifel­ter vom Geländer aus in den Tod. Neue Auffangnet­ze an den Seiten der Brücke sollen die Selbstmörd­er aufhalten.

Mehrere Dutzend Arbeiter halten das Bauwerk in Schuss, wechseln Stahlniete­n aus und erneuern die Farbe, ein Job, der auf den fast 230 Meter hohen Pfeilern nicht jedermanns Sache ist.

Bei der Wahl der Farbe setzten sich die Ingenieure und Architekte­n übrigens gegen mehrere Forderunge­n durch. Die Marine zum Beispiel wollte die Brücke in Schwarz mit gelben Streifen sehen. Die rötliche Grundierun­g der Brückenpfe­iler lieferte schließlic­h die Inspiratio­n für das „Internatio­nal Orange“– den Anstrich, der die Brücke so einzigarti­g macht.

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Foto: Andrew Gomber, dpa Bis zu 160 000 Fahrzeuge passieren täglich die Golden Gate Bridge. Als die Brücke vor 80 Jahren eröffnet wurde, feierte San Fran cisco ein ganzes Jahr lang.

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