Betriebswasser
FVON MICHAEL SCHREINER
ür den erwerbstätigen Menschen ist der Betrieb von Montag bis Freitag die Welt, in der er lebt und gegebenenfalls auch auflebt. Diese Welt hat, wie die Freizeit draußen, ihre eigene Begrifflichkeit. Von Betriebsferien über Betriebsfeiern, Betriebsjubiläen und Betriebssystem bis hin zu Betriebsrat, Betriebsrente und Betriebsnudeln ist dem Angestellten nichts fremd. Doch die Vertrautheit mit der Betriebsterminologie, die mit den Jahren der Betriebszugehörigkeit naturgemäß zunimmt, sollte nicht zu Betriebsblindheit führen. Denn dann übersähe man einen Begriff, der die scheinbar längst abgesteckten Grenzen dieser Welt sprengt. Das Betriebsgeheimnis, das hier nun verraten sei, ist das Wort „Betriebswasser“.
Entdeckt auf dem Betriebsgelände, an einer Außenwand im Freien, gedruckt auf ein Schildchen, welches mit zwei Schrauben oberhalb eines Wasserhahns angebracht ist. Was könnte das sein: Betriebswasser? Ist es ein Codewort, kommt also Wein aus dem Hahn, ausgeschenkt von einem unsichtbaren Betriebswirt hinter der Wand? Ist es Abwasser? Schwitzwasser? Kühlwasser? Wird hier Wasser abgezapft und in ein System eingespeist, mit dessen Hilfe die Betriebstemperatur geregelt wird? Auf keinen Fall jedenfalls handelt es sich um einen Brunnen, an dem die Betriebsangehörigen ihren Durst löschen können. Denn das Betriebswasser ist laut Schild „kein Trinkwasser“.
Im Betriebsverfassungsgesetz kommt das Betriebswasser zwar so wenig vor wie der vergangene Woche an dieser Stelle untersuchte Zimmermüll in der Abfallverordnung. Aber in Fachkreisen ist zu erfahren, dass Betriebswasser Brauchwasser für gewerbliche Zwecke ist. Eine griffige Definition ist diese: „Betriebswasser ist Wasser, welches für den Betrieb geeignet sein muss.“Muss denn alles immer gleich entzaubert werden?