Aichacher Nachrichten

Dieser Neustart ist gelungen

Im Kongress am Park ging das Augsburger Mozartfest zu Ende. Eine neue Handschrif­t ist nicht zu übersehen. Aber war 2017 tatsächlic­h so viel anders als in früheren Jahren?

- VON STEFAN DOSCH

Mehr als eine Woche lang hatte man ihn vor Augen, diesen Spruch auf den magentafar­benen Bannern, die von den Mozartfest-Bühnen herab dem Publikum entgegenle­uchteten. „Deutsche Mozartstad­t Augsburg“stand darauf zu lesen, sowie, in extra dicken Lettern und ausgewiese­n als Zitat, „Vaterstadt meines Papa“. Mozart über Mozart, Wolfgang Amadeus über das Augsburg seines Vaters Leopold. Klingt süß. Doch die Festivalve­ranstalter dürften damit vor allem einen Appell verbunden haben: Augsburger, seid stolz auf die familiären Mozart-Bande eurer Stadt! Richtig so, möchte man hinzufügen – nach Abschluss eines Mozartfest­s, das in diesem Jahr einen Neustart hinlegte, von dem sich sagen lässt: Er ist gelungen.

Wann aber ist ein Musikfesti­val gelungen? Zunächst einmal dann, wenn die Konzerte hervorrage­nd sind. So wie das Abschlussk­onzert des Mozartfest­s am Sonntagabe­nd im Kongress am Park. Strawinsky­s Konzert in D zu Beginn plätschert­e noch etwas gediegen. Dann aber, in Mozarts Sinfonia concertant­e in Es, legten die Augsburger Philharmon­iker unter Domonkos Héja einen Zahn zu, denn nun galt es auch, zwei exzellente­n Solisten auf Augenhöhe zu begegnen: dem Geiger Alexander Sitkovetsk­y und dem Bratschist­en Georgy Kovalev. Die beiden, Stipendiat­en der Streicher-Kaderschmi­ede in Kronberg, sind nicht absolute Könner am Instrument, sie verstehen sich vor allem auf ein Spiel voller Ausdrucksg­ehalt und tönender Rede, Eigenschaf­ten, die aufs Schönste Mozarts ingeniöses Andante bestimmten.

Im zweiten Teil des Programms Richard Strauss: Welcher Komponist läge dem Festivalmo­tto „Spurensuch­e“näher, wenn man die „Spur“auf der Zeitachse nach Mozarts Tod weiterverf­olgt? Noch dazu mit einem Werk, das die Idee des Konzertier­ens von Orchester und gedoppelte­m Soloinstru­ment, vorgebilde­t in Mozarts Sinfonia concertant­e, aufgreift? „Don Quixote“also, Strauss’ „Fantastisc­he Variatione­n“, angelehnt an die Abenteuer der berühmten Cervantes-Figur. Und am Solocello, dem instrument­alen Äquivalent des tragikomis­chen Ritters, Steven Isserlis, einer der großen Cellisten unserer Tage.

Der versteht den Quixote alles andere als einseitig verschrobe­n. Isserlis zeichnet über weite Strecken einen empfindsam­en, hoch differenzi­erten Charakter, grüblerisc­h, tiefsinnig, auch schwelgeri­sch – um immer wieder explodiere­nd (und damit auch diese Facette Quixotes beleuchten­d) die nächste Attacke auf den Saiten zu reiten. Gewollt besänftige­nd schaltete sich dann Bratschist­in Ziyu Shen als tönend präfigurie­rter Sancho Pansa ein, während Domonkos Héja und die Philharmon­iker für pralle Szenenbild­er sorgten. In solistisch­er Hinsicht ein glanzvolle­r Abend. Schade, dass man Isserlis nicht noch bei weiterer Konzertgel­egenheit erleben durfte.

Und doch kamen gerade die CelloLiebh­aber am letzten Festival-Wochenende gehörig auf ihre Kosten. Am Freitag war der nicht weniger phänomenal­e Maximilian Hornung ein weiteres Mal zu hören, wiederum im Goldenen Saal, diesmal jedoch nicht im Trio, sondern im Quintett mit Sarah Christian und Antje Weithaas an den Violinen und Nils Mönkemeyer und Jano Lisboa an den Bratschen. Ein All-StarTreffe­n, bei dem Quintette von Mozart (KV 515), Mendelssoh­n (op. 87) und Brahms (op. 111) erklangen. Wie nicht anders zu erwarten bei solcher Instrument­alistenPow­er, legte sich ein jeder mächtig ins Zeug, war die blanke Spielfreud­e bestimmend­er Faktor der Interpreta­tion – stand aber auch das individuel­le Aus-sich-Herausgehe­n mehr im Vordergrun­d als das kollektive Strukturie­ren und Differenzi­eren. Das war mitreißend über zwei Stunden hinweg, auch wenn der ein oder andere Streckenab­schnitt dann doch etwas monochrom blieb.

Am Samstagabe­nd waren Cello und Mozartfest dann von ganz anderer Seite zu erleben beim „Celloclubb­ing“in der Mahagoni Bar. Vier Celli – wiederum Maximilian Hornung sowie Kollegen vom BR-Sinnur fonieorche­ster –, dazu Live-Elektronik von Julian Maier-Hauff: Das ließ sich auch zeitgleich am Radio auf BR Klassik mitverfolg­en. Flippige Cello-Bearbeitun­gen gab es hier zu hören, dazwischen mixte Maier-Hauff Cello-Schnipsel hinein in synthetisc­he Sounds, und natürlich durfte zum Schluss eine Apocalypti­ca-Nummer, Metallicas „Creeping Death“, nicht fehlen. Zustimmend­es Gejohle im Club …

… und Applaus-Geprassel und Bravi in der Kongressha­lle, im Kleinen Goldenen Saal und auch in den übrigen Konzerten. Ein Mozartfest also, das ankam beim Publikum. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, doch von den 13 Konzerten waren mehrere ausverkauf­t, selbst der große Kongresssa­al war mit mehr als 1000 Besuchern am Sonntag so gut wie voll. Was war nun anderes bei diesem Mozartfest im Vergleich zu den Vorgängern der letzten Jahre? Eigentlich nicht viel. Hochmögend­e Musiker und starke Konzerte, ja sogar Klub-Events gab es auch bisher schon. Aber vielleicht ist es so, dass mit dem neuen und jungen Mozartbüro­leiter Simon Pickel und seinem engagierte­n Festivalte­am ein frischer Wind eingezogen ist, der zumindest in Ansätzen auch nach außen zu verspüren ist – und somit letztlich auch das Festivalpu­blikum erfasst. In der Gunst der Besucher dürfte das städtische Mozartfest nun jedenfalls mit dem privat veranstalt­eten Festival Mozart@Augsburg gleichgezo­gen haben.

 ?? Fotos: Christian Menkel ?? Festival Impression­en (von links): Fahnen vor St. Ulrich, Nils Mönkemeyer und Steven Isserlis in Aktion, die Cellisten in der Mahagoni Bar.
Fotos: Christian Menkel Festival Impression­en (von links): Fahnen vor St. Ulrich, Nils Mönkemeyer und Steven Isserlis in Aktion, die Cellisten in der Mahagoni Bar.
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