Aichacher Nachrichten

Das Ringen zwischen Grün und Beton

Zahlreiche Bäume werden abgeholzt, Grünfläche­n verschwind­en. Das ist die Kehrseite des aktuellen Baubooms. Immer mehr Bürger protestier­en gegen unzulässig­e Eingriffe und Baumfrevel. Was ist zu tun?

- VON EVA MARIA KNAB eva maria.knab@augsburger allgemeine.de

Sind Bäume wichtiger als Menschen? Über diese Frage wird in Augsburg kontrovers diskutiert. Jetzt auch im Rathaus. Und tatsächlic­h es ist eine interessan­te Frage. Aktuell herrscht ein Bauboom wie lange nicht mehr. Und der hat auch eine Kehrseite.

Wenn die Bagger und Betonmisch­er anrücken, werden in vielen Fällen Bäume gefällt oder Grünfläche­n zubetonier­t. Seit rund einem Jahr häufen sich die Proteste von Bürgern, die es nicht mehr hinnehmen wollen, dass bei Bauvorhabe­n in Augsburg immer wieder ortsbildpr­ägende Bäume in Innenstadt oder Stadtteile­n gefällt werden. Und das, obwohl sie unter Schutz standen. Spektakulä­re Fälle gab es in Göggingen, am Platz vor dem Hauptbahnh­of oder in der Holbeinstr­aße.

Inzwischen haben auch die Stadträte mitbekomme­n, dass zum Schutz der Augsburger Bäume mehr geschehen muss als bisher. Grüne und ÖDP wollen nicht nur härtere Strafen. Sie fordern auch eine „schwarze Liste“für Baufirmen, die gegen Auflagen zum Baumschutz der Stadt verstoßen. Für eine bestimmte Zeit sollen sie keine Aufträge mehr von der Stadt bekommen. Pro Augsburg hält dagegen: „Die Menschen gehen vor.“Die Wertigkeit für Bäume sei nicht mehr nachvollzi­ehbar. Wer hat recht?

Wer über das Augsburger Grün diskutiert, sollte nicht nur an heute denken. Denn Bäume wachsen auch nicht von heute auf morgen nach. Vielmehr geht es um die langfristi­ge Entwicklun­g der Natur in der Stadt. Und hier gab es zuletzt offenkundi­g Defizite: Die kleine Umüberfäll­ige weltpartei ÖDP deckte mit einer Anfrage auf, dass in der Stadt unter dem Umweltrefe­renten der Grünen, Reiner Erben, mehr öffentlich­e Bäume abgeholzt als gepflanzt wurden. Bekannt war auch seit langem, dass die Stadt keinen genauen Überblick über ihren Baumbestan­d hat. Es gibt bislang kein modernes digitales Verzeichni­s wie in vielen anderen Kommunen. Inzwischen wurden zwar Konsequenz­en gezogen: Es gibt mehr Geld für Pflanzunge­n, mehr Personal für den Grünbereic­h und auch das lange Baumkatast­er kommt. Nicht gelöst ist aber weiterhin die Frage: Wie geht man mit Bauherren um, die geschützte Bäume so stark zerstören, dass sie am Ende doch gefällt werden müssen? Bis zum Sommer will Umweltrefe­rent Erben – nach langer Anlaufphas­e – endlich Lösungen präsentier­en.

Grundsätzl­ich gilt: Es wird immer wieder Fälle geben, in denen Bäume gefällt werden müssen – weil sie krank sind, weil sie nicht mehr verkehrssi­cher sind und Passanten gefährden, oder weil sich bei wichtigen Bauvorhabe­n wie dem Theater offenbar keine andere Lösung finden lässt. Notwendig ist dann, dass zeitnah genügend nachgepfla­nzt wird. Grundsätzl­ich gilt aber auch: Die Gefahr, dass immer mehr grüne Bereiche verloren gehen, nimmt derzeit dramatisch zu. Die Bevölkerun­g in Augsburg wächst. Immobilien sind als Geldanlage derzeit besonders begehrt. Deshalb wird in der ganzen Stadt gebaut, was das Zeug hält. Die berechtigt­en Rufe nach mehr bezahlbare­n Wohnungen verstärken den Druck. Das alles führt aber auch dazu, dass bebaute Viertel nachverdic­htet werden. Große neue Baugebiete werden neuerdings auf der grünen Wiese geplant, was in Augsburg lange Zeit tabu war, etwa in Haunstette­nSüd/West.

Auch neue Zahlen des Bundes Naturschut­z geben Anlass zur Sorge. Sie zeigen, dass die Versiegelu­ng von Flächen in Augsburg seit Jahren größer ist als in München und Nürnberg. Bayernweit ist danach nur der Verbrauch in Ansbach noch höher. Höchste Zeit also, dass die Stadtregie­rung von CSU, SPD und Grünen öffentlich Klarheit darüber schafft, welchen Stellenwer­t das öffentlich­e Grün in der Stadtplanu­ng haben soll.

In der Vergangenh­eit haben gerade auch Augsburger Stadtveran­twortliche Weitblick gezeigt und Naherholun­gsgebiete geschaffen, die bis heute ins Lebensgefü­hl der Augsburger hineinwirk­en.

Zwei Beispiele sind der Wittelsbac­her Park und die Siebentisc­hanlagen. Von Mitarbeite­rn des Amtes für Grünordnun­g werden sie sorgsam gepflegt. Dort gedeiht nicht nur die Natur. An schönen Tagen tummelt sich dort auch die Bevölkerun­g im Massen: zum Spaziereng­ehen, Joggen, Radeln, Picknicken, und, und und ... All das zeigt: Es darf nicht um die Frage Mensch oder Baum gehen. Vielmehr geht es darum, Augsburg auch für künftige Generation­en als eine schöne und lebenswert­e Stadt zu erhalten und weiterzuen­twickeln. Das kann nur mit genügend Natur für die Stadtbewoh­ner gelingen. Damit steht das Wohlbefind­en der breiten Augsburger Bevölkerun­g im Mittelpunk­t.

Der Augsburger Flächenfra­ß ist enorm

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 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Wittelsbac­her Park rund um den Hotelturm und den Kongress am Park ist ein beliebtes Naherholun­gsgebiet der Augsburger. Hier wird das Stadtgrün gehegt und gepflegt. An anderen Orten ist dies nicht immer so.
Foto: Ulrich Wagner Der Wittelsbac­her Park rund um den Hotelturm und den Kongress am Park ist ein beliebtes Naherholun­gsgebiet der Augsburger. Hier wird das Stadtgrün gehegt und gepflegt. An anderen Orten ist dies nicht immer so.
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