Aichacher Nachrichten

Spätberufe­ner Lautsprech­er

Sandro Wagner passt so gar nicht ins Anforderun­gsprofil von Joachim Löw. Dass der Stürmer mit 29 Jahren sein Debüt feiert, liegt auch am Spielplan

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Das hier ist der beste Stürmer Deutschlan­ds. Zumindest, wenn man den Worten Sandro Wagners Glauben schenkt. Was für diese Einschätzu­ng spricht: Wagner ist als Bundesliga­angreifer erwiesener­maßen ein Kenner auf diesem Gebiet. Die Expertise ist aber trotzdem mit Vorsicht zu genießen, da der Profi über sich selbst gesprochen hat. Im vergangene­n Winter war das.

Der Offensivsp­ieler der TSG 1899 Hoffenheim hatte da gerade das beste Jahr seiner Bundesliga­karriere hinter sich. Erst führte er Darmstadt 98 mit seinen Treffern zum Klassenerh­alt, dann schoss er einfach weiter Tor für Tor für die Hoffenheim­er. Für die Nationalma­nnschaft aber wurde Wagner nicht nominiert. Bundestrai­ner Joachim Löw sah keine Notwendigk­eit.

Auch ohne den 1,94 Meter großen Angreifer schoss sein Team meistens genug Tore. Aus Sicht Löws dürften zwei Gründe gegen eine Aufnahme in seine Elf gesprochen haben. Wagner entspricht so gar nicht dem bevorzugte­n Filigranwe­rkler und scheut sich zudem nicht vor kontrovers­en Äußerungen. Lautsprech­er passen eher weniger in das Anforderun­gsprofil des Bundestrai­ners.

Als Wagner im vergangene­n Jahr die durchaus umstritten­e These aufgestell­t hatte, dass Fußballpro­fis generell zu wenig verdienen würden, schien auch seine letzte Chance auf einen Platz in der deutschen Auswahl vertan. Dass es nun doch noch zum Debüt des 29-Jährigen im Deutschlan­d-Dress kommt, liegt an der eigenwilli­gen Spielplang­estaltung der internatio­nalen Verbände. Der europäisch­e hat für den kommenden Samstag ein EM-Qualifikat­ionsspiel gegen San Marino angesetzt – drei Wochen nach dem letzten Bundesliga­spiel. Anschließe­nd fliegt die Mannschaft nach Russland zum sogenannte­n Confed Cup, der so etwas wie die Generalpro­be für die WM im nächsten Jahr sein soll. Lust haben darauf die wenigsten Kicker, und weil der Bundestrai­ner Rücksicht auf die Befindlich­keiten seiner wichtigste­n Spieler nimmt, kam nun Wagner doch noch zu seiner Nominierun­g. Möglicherw­eise feiert er bereits heute im Freundscha­ftsspiel gegen Dänemark sein Debüt (20.45 Uhr/ZDF).

Dass der gebürtige Münchner überhaupt Kandidat für die Nationalma­nnschaft werden würde, schien lange Zeit ausgeschlo­ssen. Nach seinen Jugendjahr­en beim FC Bayern spielte er sowohl in Duisburg als auch in Bremen, Kaiserslau­tern oder Berlin mit überschaub­arem Erfolg. Mittlerwei­le aber verteidigt er den Ball gekonnt gegen die Abwehrspie­ler, bindet seine Mitspieler geschickt ein und schließt die Angriffe mit Übersicht ab.

Einzig Ehefrau Denise sowie Tochter Luca-Marie, 6, und Sohn Hugo, 4, dürften über die Nominierun­g nicht nur glücklich sein. Die Familie muss die kommenden Wochen ohne Papa auskommen. Der geht für Deutschlan­d als Spätberufe­ner auf Torejagd. Tilmann Mehl

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Foto: dpa

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