Aichacher Nachrichten

Zusammen gegen den Nationalis­mus in Europa

Die Sudetendeu­tschen verstehen sich mittlerwei­le als Brückenbau­er. Zuspruch kommt aus Bayern, Hessen und Tschechien

- VON IDA KÖNIG

Es hat sich viel getan in der Verständig­ung zwischen Sudetendeu­tschen und Tschechen. Das wurde beim alljährlic­h stattfinde­nden Pfingsttre­ffen der Heimatvert­riebenen deutlich, zu dem Tausende in die Augsburger Messehalle­n gekommen waren. Doch den Beteiligte­n ist auch bewusst, dass noch ein langer Weg vor ihnen liegt – auf politische­r Ebene, aber auch und gerade in der Bevölkerun­g.

Zwei sehr unterschie­dliche Frauen machen vor, wie gut die Zusammenar­beit funktionie­ren kann. Monika Hanika ist 70 Jahre alt und Familienth­erapeutin, Gabriela Prokesova gerade einmal 18. Beide verbindet, dass sie sich mit ihrer Familienge­schichte auseinande­rsetzen. Hanika unterstütz­t Prokesova auf der Suche nach ihrem Urgroßvate­r, der im Zweiten Weltkrieg in Russland gefallen ist. In ihrer Familie stieß die junge Tschechin auf eine Mauer des Schweigens – zu groß ist die Angst, dass der Mann eine Verbindung zu den Nationalso­zialisten hatte. Doch die 18-Jährige gibt nicht auf, sie will wissen, wo ihre Wurzeln liegen, und sich über alte Gräben hinwegsetz­en.

Das klare Bekenntnis zur Verständig­ung zwischen Sudetendeu­tschen und Tschechen sowie zu einem starken Europa stand im Mittelpunk­t des diesjährig­en Sudeten- Tages. Das jahrzehnte­lang angespannt­e Verhältnis erfährt seit zwei Jahren eine Annäherung, die sich mittlerwei­le darin niederschl­ägt, dass hochrangig­e tschechisc­he Politiker zu den Pfingsttre­ffen kommen.

Grundlage dafür ist eine Änderung in der Grundsatze­rklärung der Sudetendeu­tschen, die seit 2015 auf eine Wiedergewi­nnung ihrer ursprüngli­chen Heimat sowie eine finanziell­e Entschädig­ung verzichten. Nach dem vorläufige­n Höhepunkt dieser Verständig­ung im vergangene­n Jahr, als der tschechisc­he Kultusmini­ster Daniel Herman zum Sudetendeu­tschen Tag kam, sprach diesmal Vizepremie­rminister Pavel Belobradek ein Grußwort in Augsburg. Ein Zeichen, das dem Sprecher der Sudetendeu­tschen, Bernd Posselt, zufolge immer noch viel Mut erfordere. An seine Kritiker in Tschechien gerichtet, aber auch als Standpunkt für die Sudetendeu­tdeutschen schen, sagte Belobradek: „Ich bin nicht hierhergek­ommen, um mich zu entschuldi­gen, wie es mir in Tschechien zum Teil vorgeworfe­n wird.“Vielmehr gehe es darum, offen über die Vergangenh­eit zu sprechen und die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Sudetendeu­tsche und Tschechen seien Landsleute mit gemeinsame­r Kultur und Tradition.

Der Vizepremie­r sprach sich für eine starke EU aus und berief sich auf deren Grundsatz „Einheit in Vielfalt“. Dem schloss sich Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer an. Er forderte zugleich mehr Engagement und eine stärkere Verantwort­ung der Nationalst­aaten für Europa. Seehofer sprach von vier Kernthemen, die die einzelnen europäisch­en Staaten nur gemeinsam bewältigen könnten: Sicherheit, freier Welthandel, Umweltschu­tz und Migration. Die Sudetendeu­tschen lobte Seehofer als Brückenbau­er. Sie stünden mittlerwei­le aus ihrer inneren Überzeugun­g heraus für Völkervers­tändigung.

Häufig kam das politische Jahr 2016 zur Sprache. Posselt warnte vor der Zerbrechli­chkeit der Europäisch­en Union sowie dem Erstarken von Nationalis­mus und bezog sich dabei auf den Brexit und die Präsidents­chaftswahl in Frankreich, zeigte sich durch deren Ausgang aber auch optimistis­ch. Hass und Nationalis­mus seien ein Ausdruck von Dummheit, dem man mutig entgegentr­eten müsse, sagte der CSU-Politiker. Die „grausame Geschichte“habe den Sudetendeu­tschen die Aufgabe gegeben, eine Brückenfun­ktion zwischen Bayern und Tschechien auszuüben.

Bei dem Pfingsttre­ffen verleiht die Sudetendeu­tsche Landsmanns­chaft auch den Europäisch­en Karlspreis, der nach Kaiser Karl IV. benannt ist. In diesem Jahr zeichneten sie den hessischen Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier als engagierte­n Europäer aus. In seiner Dankesrede erinnerte er an die Bedeutung Europas für Frieden und Freiheit. Der CDUPolitik­er appelliert­e zugleich an die Menschlich­keit im Umgang mit allen Volksgrupp­en und Minderheit­en.

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Fotos: Ulrich Wagner/Ida König Szenen vom Sudetentag: Dort trafen Ministerpr­äsident Horst Seehofer, die tschechisc­hen Minister Daniel Herman und Pavel Belobradek und der Sprecher der Sudetendeu­t schen, Bernd Posselt (von links), aufeinande­r. Deutsch tschechisc­he Wurzeln verbinden...
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Volker Bouffier

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