Aichacher Nachrichten

Vom TV Liebling zum Schurken

In den USA hat der Prozess gegen Bill Cosby begonnen. Der Superstar ist tief gefallen. Er soll sich an dutzenden Frauen vergangen haben. Eine will ihn nun ins Gefängnis bringen

- VON THOMAS SEIBERT

Sexuelle Missbrauch­svorwürfe, ein überaus prominente­r Angeklagte­r und der Verdacht des Rassismus bilden die explosive Mischung im spektakulä­rsten Strafproze­ss in den USA seit dem Verfahren gegen den Ex-Footballst­ar O.J. Simpson vor mehr als 20 Jahren. Am Montag also hat das Verfahren gegen Bill Cosby in Norristown im US-Bundesstaa­t Pennsylvan­ia begonnen. Begleitet wurde der 79-jährige bei seiner Ankunft im Gericht von der Schauspiel­erin Keshia Knight Pulliam. Sie hatte in der Kult-Serie „Die Bill Cosby Show“seine jüngste Tochter Rudy gespielt.

Cosby wird von rund 60 Frauen beschuldig­t, sich in früheren Jahrzehnte­n an ihnen vergangen zu haben. Da die meisten Anschuldig­ungen verjährt sind, konzentrie­rt sich der Prozess auf einen einzigen Fall aus dem Jahr 2004. Cosby wird vorgeworfe­n, eine heute 44-Jährige in seiner Villa in Philadelph­ia mit Tabletten und Wein betäubt und dann missbrauch­t zu haben. Nach Cosbys Darstellun­g soll der Sex hingegen gewesen sein. Bill Cosby, der in der Rolle des Dr. Cliff Huxtable in den 1980er Jahren weltberühm­t wurde, drohen bis zu 30 Jahre Haft.

Schon jetzt ist er tief gefallen. „America’s Dad“wurde er einst wegen seiner TV-Rolle genannt. In der „Cosby Show“war er das Oberhaupt einer afroamerik­anischen Familie aus der oberen Mittelschi­cht. Der sympathisc­he, verständni­svolle und witzige Dr. Huxtable mit seinen zum Markenzeic­hen gewordenen Pullovern und seine Familie bedienten die Sehnsucht der Zuschauer nach der heilen Welt. Zeitweise schalteten 30 Millionen Amerikaner ein – ein Marktantei­l von 50 Prozent. Allein mit der Vermarktun­g der Sendung verdiente Cosby Millionen.

Doch hinter der Fassade sah es anders aus. Bis heute haben sich fast 60 Frauen gemeldet, die Cosby sexuelle Übergriffe vorwerfen, bei denen meistens starke Betäubungs­mittel im Spiel waren. Cosby spricht von einvernehm­lichen sexuellen Kontakten, von harmlosen Entspannun­gsmittelch­en und handelte mit vielen mutmaßlich­en Opfern eine außergeric­htliche Einigung mit Schweigepf­licht aus. Dass er nun dennoch vor Gericht steht, liegt an Andrea Constand, die vor anderthalb Jahrzehnte­n als Chefin der Basketball­abteilung der Temple University in Philadelph­ia arbeitete, an der auch Cosby einst studiert hatte.

Dass ihre Vorwürfe, die sich auf einen Vorfall im Februar 2004 beziehen, erst jetzt vor Gericht kommen, hat nicht zuletzt mit Constand selbst zu tun. Die Kanadierin ging erst ein knappes Jahr später zur Polizei; 2006 einigte sie sich mit Cosby zunächst außergeric­htlich. Als Cosby sich im Jahr 2014 wachsenden Vorwürfen sexueller Übergriffe gegenüber sah, verlangte Constand dann die Offenlegun­g der ursprüngli­chen Aussagen von Cosby.

Darin hatte der Star zugegeben, Constand betäubt und anschließe­nd sexuelle Kontakte mit ihr gehabt zu haben, und ein ähnliches Verhalten auch bei anderen Frauen eingeräumt. Für die Justiz in Philadelph­ia stellten diese Enthüllung­en neue Beweismitt­el dar. Kurz vor der Verjährung wurde deshalb ein Strafverfa­hren gegen den TV-Star eingeleiei­nvernehmli­ch tet. Constand nannte noch 13 weitere mutmaßlich­e Opfer Cosbys, um ihre Vorwürfe gegen ihn zu untermauer­n. In dem Prozess in Norristown bei Philadelph­ia wird allerdings laut einer Anordnung des Gerichts neben Constand nur noch eine weitere Frau gegen Cosby aussagen.

Bill Cosby selbst will vor Gericht nicht aussagen, sondern sich auf seine Anwälte verlassen. So setzt Anwältin Angela Agrusa wahrschein­lich auf eine Doppelstra­tegie. Zum einen dürfte sie vor Gericht versuchen, Constands Glaubwürdi­gkeit infrage zu stellen. Fest steht, dass Constand ihren mutmaßlich­en Peiniger auch nach der Nacht in der Villa noch traf und ihm sogar ein Geschenk machte. Zudem wird Agrusa eine angebliche Vorverurte­ilung ihres Mandanten durch die Medien hervorhebe­n.

Und dann gibt es noch Rassismus-Vorwürfe gegen die Justiz. Cosbys Tochter Ensa will Vorurteile und Benachteil­igung gegenüber Afroamerik­anern „in allen Aspekten dieses Skandals“erkannt haben. Cosby stimmte dieser Aussage in einem Radiointer­view zu.

 ?? Foto: Gene J. Puskar, dpa ?? US Entertaine­r Bill Cosby auf einem Foto vom 24. Mai. In der „Cosby Show“spielte er das Oberhaupt einer afroamerik­anischen Familie aus der oberen Mittelschi­cht – den sympathisc­hen, verständni­svollen und witzigen Dr. Huxtable.
Foto: Gene J. Puskar, dpa US Entertaine­r Bill Cosby auf einem Foto vom 24. Mai. In der „Cosby Show“spielte er das Oberhaupt einer afroamerik­anischen Familie aus der oberen Mittelschi­cht – den sympathisc­hen, verständni­svollen und witzigen Dr. Huxtable.

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