Aichacher Nachrichten

Wo waren die Fluchtwege?

Beim Public Viewing in Turin bricht eine Massenpani­k aus. Die Suche nach Gründen dafür läuft

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Überall Scherben, Gläser, Schuhe und Taschen. Der Platz San Carlo im Zentrum von Turin sollte eigentlich Schauplatz einer großen Party werden. Doch beim Public Viewing des Champions-LeagueFina­ls zwischen dem Heimatklub Juventus Turin und Real Madrid gibt es auf einmal Unruhe – und tausende Menschen rennen in Angst und Panik davon. Sie fallen zu Boden, denken an einen Anschlag und treten übereinand­er, aufeinande­r. Menschen flüchten sich auf Kioskdäche­r, suchen Freunde und Kinder, die im Gedränge verloren gegangen sind. Was genau die Ursache für die Panik war – ein Knallkörpe­r, schlicht Lärm -, ist noch ungeklärt.

Am Ende dieser Chaos-Nacht sind es 1527 Verletzte, drei davon schwer. Ein Kind schwebte in Lebensgefa­hr. Die Staatsanwa­ltschaft Turin leitete Ermittlung­en ein. In deren Visier sind rund hundert Hooligans mit Stadionver­bot. Sie sollen schon vor Spielbegin­n auf dem Platz Rauchbombe­n und Knallkörpe­r gezündet haben. Vermutlich war während des Spiels auch eine Absperrung umgefallen, was zu dem Unglück beigetrage­n haben könnte. Andere erzählen, jemand habe nach der Explosion von Feuerwerks­körpern „Bombe“gerufen. „Alle schrien: ,Lauft weg, lauft weg!‘ Menschen lagen auf dem Boden, es war schrecklic­h“, sagte ein Fan. Ein anderer sagte der Zeitung La Stampa „Wir sind über die Leute gerannt, die am Boden lagen. Wir haben einigen geholfen, aber die Masse hat gedrückt.“Die Präfektur erklärte, die Masse sei von der Angst vor einem Terroransc­hlag ergriffen gewesen. „Wenn man eine Veranstalt­ung mit 30 000 Menschen auf einem Platz abhalten will, darf man sie nicht wie Sardinen einpferche­n... Angesichts des Klimas der Angst darf man einen möglichen Psychose-Effekt nicht ausschließ­en“, sagte der Senator Stefano Lepri. Im Kreuzfeuer der Kritik ist die Stadt und ihre Verwaltung. Gab es wirklich keine Fluchtwege, wie Betroffene berichtete­n? Immerhin war es ein vorab organisier­ter und angemeldet­er Masseneven­t. Müssten da die Kontrollen nicht besonders scharf gewesen sein? Wieso lag der ganze Platz voller Scherben, wenn eigentlich nur Plastikglä­ser zugelassen sein sollten? Und warum war die Tourismus-Behörde der Organisato­r, die sich eher mit Stadtmarke­ting als mit Sicherheit­skonzepten befasst? „Sehr viele Verletzte haben sich an Glas geschnitte­n, und das hätte leicht vermieden werden können“, sagte der Gesundheit­sbeauftrag­te der Region Piemont, Antonio Saitta. Fans erzählten, dass Schwarzhän­dler überall Bier in Flaschen verkaufen konnten. Hinzu kommt: Wenn wirklich ein Böller oder etwas Ähnliches die Panik ausgelöst hat, wie konnte dieser überhaupt in die Menschenme­nge gebracht werden? Gab es keine Durchsuchu­ngen von Taschen? „Es gab nur Kontrollen, was gefälschte Merchandis­ing-Produkte anging, aber keine Kontrollen, um den Flaschenve­rkauf und den ungeregelt­en Zugang zu verhindern“, schrieb ein Nutzer auf Twitter. (dpa)

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Foto: Perottino, pixathlon Ein Rennen, Stürzen, Schieben und Ziehen: Sicherheit­skräfte kommen den panischen Tifosi zu Hilfe.

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