Aichacher Nachrichten

Boll – und dann?

Der 36-Jährige ist auch bei der WM in Düsseldorf bester Deutscher. Hinter ihm und dem früh gescheiter­ten Ovtcharov klafft eine große Lücke. China dominiert unveränder­t

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Es war laut wie in einem Fußballsta­dion, als Timo Boll die Düsseldorf­er Messehalle verließ. 8000 Zuschauer jubelten dem erfolgreic­hsten deutschen Tischtenni­sspieler zu. Zuvor hatte der 36-Jährige im Viertelfin­ale dem alten und neuen Weltmeiste­r Ma Long aus China noch einmal alles abverlangt. Bei der Heim-WM in Düsseldorf sorgte stattdesse­n die erst 23 Jahre alte Petrissa Solja im Mixed für die ersehnte deutsche Medaille.

Und trotzdem wird es Momente wie diesen im deutschen Tischtenni­s in absehbarer Zeit wohl nicht mehr viele geben. „Ein kleines Nachwuchsp­roblem im deutschen Tischtenni­s ist da. Denn irgendwann werden wir nach einem Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov eine große Lücke füllen müssen“, sagte Sportdirek­tor Richard Prause ganz offen.

Zu den Erkenntnis­sen dieser stimmungsv­ollen Heim-WM gehört eben auch: Am Ende gingen wieder vier von fünf Titeln nach China, das dramatisch­e Endspiel bei den Männern gewann der Chinese Ma Long am Montag mit 4:3 gegen seinen Landsmann Fan Zhendong. Und während in Asien weiterhin reihenweis­e Supertalen­te wie das erst 13-jährige Wunderkind Tomokazu Harimoto aus Japan (siehe auch nebenstehe­nder Artikel) oder der auch erst 20 Jahre alte Fan Zhendong heranwachs­en, kommt im deutschen Team hinter Boll und dem schon im Achtelfina­le gescheiter­ten Ovtcharov zu wenig nach.

„Ich bin mit mir im Reinen. Ich habe ein sehr gutes Turnier gespielt“, sagte Boll selbst dazu. „Aber diese WM hat wieder gezeigt: Unsere Konkurrenz vor allem in Asien ist sehr, sehr stark. Auch wir haben eine gute Basis, aber es kann sich niemand leisten, auf dem Sofa zu liegen. Es hilft nur, weiter hart zu arbeiten.“

Ganz gleich, aus welcher Perspektiv­e man diese Heim-WM betrachtet, aus der rein sportliche­n oder mit Blick darauf, welche Wirkung sie auf die Zuschauer oder den Sportnachw­uchs erzielt hat: Das Fazit ist immer ein „Ja, aber ...“. „Für einen großen Boom wird es nicht reichen. Aber wir haben Werbung für unseren Sport gemacht“, so Boll.

51 000 Zuschauer insgesamt, je 8000 an den drei ausverkauf­ten Schlusstag­en: Die harten Fakten und vor allem die bemerkensw­erte Atmosphäre in der Halle übertrafen die Erwartunge­n des Deutschen Tischtenni­s-Bundes. „Wir können stolz auf unsere Zuschauer sein“, so Boll. „Und wir hätten ihnen gerne noch mehr Erfolge zurückgege­ben.“

Der DTTB-Sportdirek­tor Richard Prause sieht das genauso. „Das ist eine gute Bilanz, obwohl wir einige Chancen nicht optimal verwertet haben.“Das galt sogar für Solja und ihren Partner Fang Bo, die im Halbfinale schon mit 3:1 führten. Das galt aber vor allem für Ovtcharov, die deutsche und europäisch­e Nummer eins. Er scheiterte im Achtelfina­le an dem Japaner Koki Niwa. „Schade für ihn“, sagte Bundestrai­ner Jörg Roßkopf. „Aber er wird es weiter versuchen. Er ist unser Mann für die Zukunft.“

Diesmal war es aber noch wie fast immer: Am Ende schauten alle auf Boll. Besser als erwartet hielt er mit Ma Long mit (2:4). „Ich habe vor der WM noch gesagt, dass Ma Long für mich außer Reichweite ist“, sagte er. „Aber diese WM gibt mir Mut. Sie zeigt, dass ich mich noch einmal verbessert habe.“Olympia 2020 ist sein Ziel, auch wenn er dann schon 39 sein wird. (dpa)

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Foto: Güttler, dpa Seit vielen Jahren ist Timo Boll das deutsche Tischtenni­s Aushängesc­hild. Bei der WM unterlag er nach großem Kampf dem späteren Weltmeiste­r.
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Ma Long

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