Aichacher Nachrichten

Stadt verbietet Grabsteine aus Kinderarbe­it

Steinmetze dürfen auf städtische­n Friedhöfen in Augsburg ab sofort nur noch Steine mit Herkunftsn­achweis aufstellen. Ein Kinderarbe­itsexperte erklärt, warum diese Regelung nötig ist. Ein Problem gibt es aber noch

- VON EVA MARIA KNAB eva maria.knab@augsburger allgemeine.de

Den Plan gab es schon lange, nun setzt ihn die Stadt um: Grabsteine aus Kinderarbe­it sind auf städtische­n Friedhöfen in Augsburg ab sofort verboten. Seit Juni müssen die Steinmetze nachweisen, dass sie keine Steine mehr aufstellen, die aus Steinbrüch­en stammen, in denen Kinder als billige Arbeitskrä­fte ausgebeute­t werden. Ähnliche Verbote gibt es bereits in vielen weiteren Kommunen der Region.

Viele der billigen, aber problemati­schen Grabsteine auf deutschen Friedhöfen stammen aus Indien. Wie schlimm die Verhältnis­se dort sind, berichtet der Freiburger Kinderarbe­itsexperte Benjamin Pütter in einem neuen Buch. Seit 1980 recherchie­rt er immer wieder inkognito in indischen Steinbrüch­en, die in alle Welt exportiere­n. Dort müssen Kinder teilweise bei großer Hitze an viel zu schweren und lauten Maschinen arbeiten, ungeschütz­t vor Lärm und Staub. „Das ist schleichen­der Mord“, sagt Pütter.

Er selbst hat bei einer heimlichen Kontrolle 2015 in sieben von acht besuchten Steinbrüch­en Kinderarbe­iter angetroffe­n. Experten gehen davon aus, dass wohl Zehntausen­de Minderjähr­ige in Indien von skrupellos­en Firmenchef­s ausgebeute­t werden. „Dabei ist auch in Indien Kinderarbe­it in Steinbrüch­en verboten“, sagt Pütter.

In Augsburg hat der Stadtrat schon 2006 einen Beschluss gefasst, der sich gegen Produkte richtet, die aus ausbeuteri­scher Kinderarbe­it stammen. Es dauerte aber über zehn Jahre, um diesen Beschluss in der städtische­n Friedhofss­atzung umzusetzen. „Ich bin froh, dass es jetzt geschafft ist“, sagt Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne), der auch fürs Friedhofsw­esen zuständig ist. Er ist der dritte Referent, der sich mit dem Thema beschäftig­t.

Möglich wird das Verbot von Grabsteine­n aus Kinderarbe­it, nachdem der Freistaat Bayern im vergangene­n Jahr die rechtliche­n Voraussetz­ungen geschaffen hat. Zuvor hatte das Bundesverw­altungsger­icht ein Verbot der Stadt Nürnberg gekippt, weil dadurch in die Berufsfrei­heit der Steinmetze und Naturstein­händler eingegriff­en werde. Dies bedürfe aber einer gesetzlich­en Ermächtigu­ngsgrundla­ge. Im vergangene­n Herbst trat in Bayern das entspreche­nde Gesetz in Kraft. Die Kommunen können nun einen Nachweis verlangen, dass die Herstellun­g „ohne schlimmste Formen von Kinderarbe­it“erfolgt ist.

Das soll durch eine lückenlose Dokumentat­ion geschehen. Konkret müssen Steinmetze in Augsburg seit Juni ein spezielles Formular zur Grabmalgen­ehmigung vorlegen. Danach müssen die verwendete­n Grabsteine und -einfassung­en ausschließ­lich aus der EU und der Schweiz stammen.

Andernfall­s ist eine schriftlic­he Erklärung einer unabhängig­en Organisati­on nötig, welche die Herstel- regelmäßig und unangemeld­et vor Ort kontrollie­rt und die selbst nicht an der Herstellun­g oder dem Handel von Naturstein beteiligt ist. Allerdings gilt in der neuen Augsburger Friedhofss­atzung auch eine Einschränk­ung: Sollte der Nachweis für den Steinmetz „unzumutbar“sein, genügt seine Zusicherun­g, dass er keine Anhaltspun­kte für Kinderarbe­it bei dem betroffene­n Stein hat.

Über Kinderarbe­it in indischen Steinbrüch­en ist in den Medien viel berichtet worden. Verbrauche­r sind

Die Lebenserwa­rtung von Kindern, die in indischen Steinbrüch­en schuften müssen, liegt nur bei 30 bis 40 Jahren. So gesundheit­sschädlich ist diese Arbeit. Dass ausgerechn­et Grabsteine mit dieser Form der Ausbeutung hergestell­t werden, ist schlimmste­r Zynismus und nicht hinnehmbar. Deshalb ist es gut, dass die Stadt die neuen gesetzlich­en Möglichkei­ten nutzt und Grabsteine aus Kinderarbe­it verbietet. Viele andere Kommunen in Bayern tun das auch.

Doch auch wenn die Stadt diesen Schritt getan hat. Zufrieden kann auf das Problem aufmerksam geworden. Hermann Rudolph, Landesinnu­ngsmeister der bayerische­n Steinmetze sagt, dass sich inzwischen rund ein Viertel seiner Kundschaft gezielt nach der Herkunft der Grabsteine erkundigt, wenn auch nicht alle wegen des Kinderarbe­itsproblem­s.

Es gebe aber nach wie vor Kunden, die einen preisgünst­igen Stein haben wollen, egal, unter welchen Bedingunge­n er hergestell­t wurde, sagt Stefan Maier, Innungsobe­rlung meister in Nordschwab­en. Die Steinmetze wollen sich bei ihrem Nachweis nun auf die entspreche­nden Zertifizie­rungsstell­en verlassen. „Wir können schließlic­h nicht in den Steinbruch gehen“, sagt Maier. Kinderarbe­itsexperte Pütter sagt, dass durch ein Siegel bei der Teppichher­stellung in Indien die Kinderarbe­it stark zurückgedr­ängt worden sei. „Aber nicht alle Siegel sind glaubwürdi­g“, betont er. Staatlich anerkannt seien etwa Xertifix und Fair Stone. Dies gelte aber nicht für das Siegel IGEP, das auf vielen deutschen Grabsteine­n klebt. Auch in Augsburg könnten Grabsteine mit diesem Siegel weiterhin aufgestell­t werden, räumt Umweltrefe­rent Erben ein.

Die Stadt Augsburg habe mit dem Verbot von Grabsteine­n aus Kinderarbe­it ihre Möglichkei­ten ausgeschöp­ft, sagt Norbert Stamm vom Büro für Nachhaltig­keit. „Das ist das, was Kommunen tun können.“Eine wesentlich bessere Lösung wäre aus seiner Sicht, dass die Bundesregi­erung neue Importstan­dards aufstellt. Das sieht auch Landesinnu­ngsmeister Rudolph so: „Eigentlich müsste die Politik das Thema so regeln, dass es für Steinmetze und Kunden anwendbar ist“.

Ein neues Buch von Benjamin Pütter zum Thema Kinderar beit ist im Heyne Verlag erschienen. Titel: „Kleine Hände – Großer Profit. Welches ungeahnte Leid sich in unserer Warenwelt verbirgt.“

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Bei Steinmetz Brenner wird ein zertifizie­rter Jura Kalkstein von Nahid El Masry (links) und Isabelle Ulrich bearbeitet. Seit Juni müssen Augsburger Steinmetze nachweisen, dass sie keine Steine mehr aufstellen, die aus Steinbrüch­en stammen, in denen...
Foto: Silvio Wyszengrad Bei Steinmetz Brenner wird ein zertifizie­rter Jura Kalkstein von Nahid El Masry (links) und Isabelle Ulrich bearbeitet. Seit Juni müssen Augsburger Steinmetze nachweisen, dass sie keine Steine mehr aufstellen, die aus Steinbrüch­en stammen, in denen...

Newspapers in German

Newspapers from Germany