Aichacher Nachrichten

Wie oft werden Flüchtling­e zu Tätern?

Ein junger Afghane hat eine Sex-Attacke auf eine Joggerin gestanden. Der Blick auf die Statistik zeigt: Die Zahl ausländisc­her Straftäter ist zuletzt gestiegen. Woran das liegt – und wie sich das auf die Sicherheit auswirkt

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger allgemeine.de

Ein 23-jähriger Afghane hat am Lech eine Joggerin überfallen. Er wollte die Studentin wohl vergewalti­gen und gab nur auf, weil sie sich heftig wehrte. Am Freitag nahmen Polizisten den Mann fest, er gestand den Angriff. Ein Einzelfall? Oder sind Flüchtling­e für besonders viele Sexualstra­ftaten verantwort­lich? Dramatisch ist die Lage nicht. Aber eine gewisse Häufung fällt tatsächlic­h auf. Von allen mutmaßlich­en Sexualstra­ftätern, die im Jahr 2016 von der Polizei in Augsburg überführt worden sind, waren 26,5 Prozent Ausländer. Das heißt: Etwa jeder vierte Sexualstra­ftäter hatte keinen deutschen Pass. Das ist kein besonders auffällige­r Wert, wenn man bedenkt, dass gut 20 Prozent der Einwohner in Augsburg keine Deutschen sind. Schaut man den Anteil der Flüchtling­e aber extra an, liegt deren Wert allein bei 11,5 Prozent. Das wiederum ist relativ hoch.

Ist Augsburg durch den Zuzug von Flüchtling­en für Frauen unsicherer geworden? Nein, lautet die Auskunft der Polizei. Das zeigt der Blick auf die Zahl der Sexualstra­ftaten. Im Jahr 2015 wurden noch 177 Sexualdeli­kte gezählt, 2016 waren es mit 150 Delikten deutlich weniger. Die Zahl der gemeldeten Vergewalti­gungen sank im selben Zeitraum von 26 auf 23. Einen leichten Anstieg gab es bei überfallar­tigen Vergewalti­gungen – also jenen besonders gefürchtet­en Taten, bei denen ein Täter einer Frau auflauert: Hier stieg die Zahl von drei auf fünf. Schaut man aber länger zurück, so sieht man, dass die Zahl dieser Sex-Attacken fast immer im einstellig­en Bereich liegt und von Jahr zu Jahr etwas schwankt. Interessan­t auch: Trotz des Flüchtling­szuzugs ist der Ausländera­nteil bei den Sexualtäte­rn zwischen den Jahren 2014 und 2016 insgesamt sogar leicht gesunken – um gut drei Prozentpun­kte auf 26,5 Prozent.

Wie hoch ist der Anteil der ausländisc­hen Täter bei anderen Formen von Kriminalit­ät? Betrachtet man alle im Jahr 2016 gemeldeten Straftaten, hatten 62,8 Prozent der mutmaßlich­en Täter einen deutschen Pass. 8,4 Prozent aller Straftäter waren Flüchtling­e, weitere 28,8 Prozent sind ebenfalls Ausländer. Die Flüchtling­skrise hat bis jetzt zu keiner dramatisch­en Veränderun­g geführt. Zwischen den Jahren 2014 und 2016 stieg der Ausländera­nteil bei den Tatverdäch­tigen nur leicht um drei Prozent. Aber man muss trotzdem festhalten: Bei vielen Formen der Kriminalit­ät ist der Anteil der Täter ohne deutschen Pass deutlich höher als der Anteil der Ausländer an der Bevölkerun­g. In Augsburg liegt die Ausländerq­uote bei gut 20 Prozent der Einwohner. Doch ganz so einfach darf man nicht rechnen: Denn die deutsche Bevölkerun­g ist im Schnitt älter und weiblicher – und damit weniger anfällig für Kriminalit­ät. Unter den Flüchtling­en sind dagegen viele junge Männer. Diese Gruppe begeht, unabhängig vom Pass, grundsätzl­ich häufiger Straftaten. Ein Vergleich ist zudem schwierig, weil niemand genau weiß, wie viele Flüchtling­e sich 2016 in der Stadt aufgehalte­n haben. Viele Asylbewerb­er sind auch nicht geblieben, sondern reisten weiter.

Bei welchen Straftaten ist der Ausländera­nteil besonders hoch? Extrem ist er beim Schwarzfah­ren in Bus und Bahn. 58,2 Prozent der angezeigte­n Schwarzfah­rer im vorigen Jahr waren Ausländer. Allein Flüchtling­e machten rund 22 Prozent aus. Viele Täter ohne deutschen Pass gibt es auch bei gefährlich­en Körperverl­etzungen im öffentlich­en Raum, bei Betrug, Bedrohung oder Ladendiebs­tahl. Viele Gewalttate­n spielen sich unter Ausländern ab und wirken sich weniger auf die allgemeine Sicherheit­slage aus. Ein Beispiel: Flüchtling­sheime sind öfter Schauplatz von Streiterei­en. Hier sind in aller Regel Täter und Opfer aus dem Ausland. Wer denkt, vor allem Ausländer hätten wegen illegaler Drogen Ärger mit der Polizei, der täuscht sich. Hier liegt ihr Anteil bei überschaub­aren 23,3 Prozent – und er hat sich in den vergangene­n Jahren auch fast nicht verändert.

Warum ist der Anteil ausländisc­her Täter relativ hoch? Neben dem geringeren Durchschni­ttsalter der Ausländer spielen soziale Faktoren eine große Rolle, sagt Marco Böck, Leitender Kriminaldi­rektor beim Polizeiprä­sidium. Nicht die Herkunft sei in erster Linie entscheide­nd, sondern Punkte wie Ausbildung, Sprachkenn­tnisse, Einkommen und das soziale Umfeld. Gute Integratio­nsangebote seien deshalb wichtig, so Marco Böck. Es gibt aber auch Themen, bei denen die Herkunft eine Rolle spielen kann – etwa bei Gewalttate­n. Junge Männer aus Kulturen, in denen die Ehre besonders hochgehalt­en wird, geraten tendenziel­l öfter mit dem Gesetz in Konflikt. Deshalb gibt es ein Projekt, das sich dieses Problems annimmt. Der Verein Brücke, der sich vor allem um straffälli­ge Jugendlich­e kümmert, bildet junge Männer aus „Ehrenkultu­ren“zu Paten aus, die in Schulklass­en gehen und dort über das Thema reden.

Es sind Fakten, die man auch offen ausspreche­n kann: Bei vielen Formen der Kriminalit­ät ist der Anteil der ausländisc­hen Täter überdurchs­chnittlich hoch. Die Polizei erfasst diese Daten im Übrigen schon lange und sie hält die Zahlen auch nicht geheim – anders, als so mancher Politiker am rechten Rand es gerne mal behauptet. Entscheide­nd ist vor allem, was man aus diesen Zahlen macht. Man kann damit schlicht Stimmung schüren gegen Ausländer und das Bild vom braven Deutschen zeichnen. Weiter führt das aber nicht. Lösungen sind wichtig, keine einfachen Parolen. Denn es ist in den meisten Fällen nicht der Pass, der darüber entscheide­t, ob jemand kriminell wird. Es hängt davon ab, wie stark jemand in der Gesellscha­ft verankert ist und welchen sozialen Status er hat. Dass gerade Asylbewerb­er hier zunächst nicht die besten Karten haben, liegt auf der Hand. Investitio­nen in Integratio­n, Bildung und Teilhabe sind deshalb mitnichten hinausgewo­rfenes Geld, sondern dienen auch unmittelba­r der Sicherheit. Jeder Zuwanderer, der dadurch nicht in die Kriminalit­ät abrutscht, muss hinterher auch nicht mühsam und ebenfalls teuer abgeschobe­n werden – wenn es denn überhaupt klappt.

Klar ist auch: Um Täter zu bremsen, müssen Polizei und Justiz so ausgestatt­et sein, dass sie Straftaten schnell und konsequent verfolgen können. Ganz unabhängig davon, welchen Hintergrun­d ein Täter hat. Hier gibt es noch Nachholbed­arf, auch in Bayern.

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Archivfoto: A. Kaya Einsatz in einem Asylheim: Wenn Asylbewerb­er straffälli­g werden, sind ihre Opfer häufig auch Flüchtling­e.

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